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Was man aus der Insolvenz von Panorama für die nächste Saison lernen kann

Von Gastautor

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Messen |KOMMENTAR

Die vergangenen Wochen waren turbulent, und zwar nicht nur wegen dem neuartigen Coronavirus und Fashion Weeks. Modemessen haben nicht nur mit Absagen zu kämpfen, um die Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern, sondern mit auch dem Strukturwandel der Branche. Die Insolvenz der Panorama verdeutlicht, wie wichtig ein klarer Fokus in Zeiten der Unsicherheit sein kann.

Die Modemesse Panorama hat am 3. März ihre Insolvenz bekannt gegeben und gleichzeitig auch den Wunsch, im Sommer mit einem neuen Format weiterzumachen. Mehrmals betonte der Messechef Jörg Wichmann, die Entscheidung wäre „aufgrund einer Verkettung vieler Umstände erforderlich, um nicht noch mehr in Schieflage zu geraten und um das Unternehmen und die Mitarbeiter zu schützen“.

Gleichzeitig würde er neu aufgestellt weitermachen. Man schreibe nun alle Kunden an und gehe in den nächsten drei Wochen in Gespräche mit potenziellen Ausstellern, die nach Ideen und Wünschen gefragt werden. Auch der Messe-Name Panorama steht zur Diskussion. „Die positiven Rückmeldungen auf die Januarveranstaltung von Industrie und Handel bestärken uns darin, die Panorama Berlin auch im Sommer 2020 zu veranstalten. Die nächsten Wochen werden wir intensiv nutzen, um hierfür das verbindliche Commitment aus der Industrie einzuholen”, betonte Wichmann in einer Erklärung.

Das Messegeschäft ist schwieriger als zuvor

In den unsicheren Zeiten noch mehr Commitment von der Branche zu holen, die ohnehin etwas unsicher in die Zukunft blickt, und zwar nicht nur in Deutschland, ist eine gewagte Hoffnung. Die Umsätze stagnieren, viele Läden schließen, und die Marken überlegen sich dreifach, wie sie ihre Marketing-Ausgaben steuern. Wenn die Marketingchefs jetzt noch nach Ideen für eine Messe gefragt werden, damit es für den Vertrieb besser funktioniert, werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit sagen – Show me the money. Also überzeuge mich zuerst, dass meine Ausgaben sich lohnen werden.

Das Messegeschäft ist härter geworden; es ist aber auch eine Chance. Wir sehen dies am Erfolg der Nachhaltigkeitsmesse Neonyt, die sich vor Anfragen kaum retten kann mit mehr als verdoppelter Ausstellerzahl in der letzten Saison; oder auch an Premium beziehungsweise Seek, die durch einen spannenden Marken-Mix und durch ein intensives Angebot an Workshops, Seminaren und Diskussionsrunden wie der FashionTech Konferenz punkten. Im Januar versuchten Fachmessen, die sich auf dem Flughafengelände in Tempelhof zusammengeschlossen haben, Emotionalisierung anzubieten. Bread & Butter (Location) Nostalgie hin oder her – das neue Jahrzehnt ist angebrochen, und damit gehenneue Spielregeln einher. Die nachhaltige Modemesse Neonyt hat sich von einer Nischen-Plattform zu einemwichtigen Treffpunkt der Branche entwickelt; und Panorama profitierte von Selvedge Run, einer willkommenen kleinen aber sehr feinen Edition rund um das Thema Jeans und Heritage.

Am ersten Morgen der Fashion Week in Berlin bot ein Designer ebenfalls genug Emotionalisierung für die Presse: William Fan veranstaltete seine Show oben im Fernsehturm am Alexanderplatz. Kaum nahmen die knapp hundert geladenen Gäste ihre Plätze ein, drehte sich der Laufsteg zusammen mit dem Sitzbereich mit einem 360° Panorama Ausblick. Eine metaphorische Andeutung auf die sich stetig drehende Modewelt?

Klare Alleinstellungsmerkmale werden zur Überlebensstrategie

Die erfolgreichen Formate unterscheiden sich deutlich von der Konkurrenz, weil das Management einen klaren Fokus hat, und die Frage – wofür stehen wir und unsere Plattform – schon längst beantwortet hat. Panorama stand zuletzt für eine Mischung aus Marken im mittleren Preissegment, die sonst weder auf Premium noch auf Neonyt ihren Platz sahen. Aber fairerweise muss man ja auch sagen, dass diese Marken in der Liga von Gerry Weber momentan gerade die größten Schwierigkeiten haben, sich auf dem Markt zwischen Luxus und Fast Fashion zu behaupten. Wahrscheinlich unter anderem, weil es ihnen an einem klaren Fokus und Profil für ihre Produkte fehlt. Wofür stehen sie? Diese Frage sollte in jedem Marketing-Meeting immer wieder gestellt werden.

Was die Messen angeht, ist eine klare Linie wohl das Wichtigste. Bleibt fokussiert und schafft doch ein klares Profil, so dass die Einkäufer und Presse wissen, was sie beim nächsten Besuch erwartet. Und es geht gar nicht um die Unterhaltung oder Parties, oder mehr Aussteller, nein – es geht um Inspiration, um ein spannendes Portfolio und um ein klares Angebot, das sich von den anderen unterscheidet. Vielleicht auch etwas mehr Mut und Risikofreude zeigen statt auf Nummer sicher zu gehen, denn es lohnt sich wirklich, gerade in den unruhigen turbulenten Zeiten.

“Why fit in when you were born to stand out.” Man sollte nicht versuchen, sich anzupassen, wenn man fürs Auffallen geboren wurde, pflegte der Autor und Philosoph Theodor Seuss zu sagen. Man hofft, dass die Messemacher es zu Herzen nehmen.

Geschrieben von Natasha Binar. Die studierte Betriebswirtin und Soziologin mit Tech-Background arbeitete als Projektleiterin bei Sky Interactive und dem British Fashion Council. Heute berät Natasha Binar als Marketing- Expertin Unternehmen und Designer, schreibt für verschiedene Fachmedien und unterrichtet an der AMD Akademie Mode & Design in München.

Foto: FashionUnited

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