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Das Leben als Model: Eine Businessperspektive – Teil II

Von Natasja Admiraal

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Mode

Modeunternehmen nutzen Modelagenturen, weil sie nicht die Inhouse-Expertise haben, um Models selbst zu scouten, zu managen oder zu buchen. Heutzutage allerdings kann jeder eine Website mit einem Portfolio aufbauen und sich als freischaffendes Model präsentieren. Ist es heute eigentlich noch notwendig, eine große Modelagentur für ein Fotoshooting oder eine Modenschau zu beauftragen? Erzielt man nicht mit einem Casting auf der Straße oder einem Aufruf auf Facebook dieselben Ergebnisse? Immerhin gibt es doch genug schöne Mädchen, die gegen das Versprechen von einer Hand voll gratis Klamotten keine Sekunde zögern würden, vor der Kamera zu posieren oder auf dem Catwalk mitzulaufen, oder nicht?

Model oder Mädchen von nebenan?

Vor Jahren hatte ich einen regelmäßigen Kunden über meine Modelagentur Zetex. Es handelte sich um ein familiengeführtes Unternehmen, das zwei Nachtwäschelabels in Haelen, einer Provinz von Limburg, besaß. Die Fahrt von Amsterdam war lang und die Shoots waren harte Arbeit. Das Set war rein funktionell - das Lookbook wurde immer vor einem einfachen weißen Hintergrund fotografiert. Keine aufregenden Posen, nur wenige Variationen: zuerst auf das rechte Bein stützen, dann auf das Linke – um ein bisschen Abwechslung reinzubringen, durfte auch mal die Hand auf die Hüfte gelegt werden. Es gab nicht viel Raum für Kreativität, aber ich hatte Spaß daran, weil das Team so großartig war. Ich fragte mich manchmal, warum man spezifisch darauf bestand, dass ich für diesen ziemlich einfachen Shoot, den meiner Ansicht nach jeder hätte machen können, einmal monatlich quer durchs Land fuhr. Rückblickend betrachtet, ist mir klar, dass man für solche Fotos einen Profi braucht. Bei vierzig Outfits an einem Tag musst Du in der Lage sein, alle paar Klicks die Pose zu wechseln und dabei immer noch so auszusehen, als wäre Dein Lächeln echt. Du musst bereit sein, viele Stunden am Stück zu arbeiten und obwohl es mittlerweile zur Routine geworden ist, musst du dem Resultat gegenüber kritisch bleiben. Natürlich kann man auch das hübsche Mädchen von nebenan anheuern, aber die Chancen stehen nicht besonders gut, dass das Lächeln am Ende des Tages noch überzeugt.

Dank der guten Zusammenarbeit mit Zetex fragte der Kunde weiterhin nach mir. Wenn ich einmal in einer Woche wegen der Uni nicht zur Verfügung stand, verschob der Kunde das Shooting auf einen Tag, an dem ich Zeit hatte, zum Beispiel einen Sonntag. Das änderte natürlich nichts an der geschäftlichen Natur unserer Beziehung, aber in dem kleinen Nest in Limburg entstanden schnell Gerüchte. Ein männlicher Angestellter einer Nachtwäschefirma, der sich an einem Sonntag mit einem Model trifft? Das war unerhört. Klar, bei dem Stichwort ‚Modeln' denkt man gleich an schmierige Fotogarfen, die mit ihren Models flirten und es durchaus ist etwas wahres dran an dem Klischee. Aber im kommerziellen Business findet sich so etwas selten. Es ist einfach nicht genug Zeit für so einen Unsinn. Das Lookbook muss fertig werden und das ist harte Arbeit!

Licht, Kamera ... No Show!

Trotz der Tatsache, dass Modeln eine Kunst ist (und nicht jedes hübsche Mädchen oder jeder gut aussehende Junge das Zeug dazu hat), bevorzugen es viele Unternehmen, ihre Models selbst zu buchen. Es hat tatsächlich seine Vorteile. Bei der Buchung eines freischaffenden Models fällt die Gebühr für den Mittelmann weg und man kann die Vergütung frei verhandeln. Wenn der Shoot nach Plan läuft, gibt es auch gar kein Problem. Aber die Realität ist oft enttäuschend. Was passiert zum Beispiel, wenn das Model einen lukrativeren Job angeboten bekommt? Leider nehmen Models manchmal den Job nicht so ernst, wenn sie nicht (genug) bezahlt werden. Sie sagen beispielsweise einen wichtigen Fotoshoot ab, oder tauchen einfach gar nicht erst auf. Das ist ein Desaster, besonders, wenn es sich um einen wichtigen Fototermin handelt. Modelabels investieren viel Zeit und Geld in das perfekte Bild: Sie müssen ein Studio oder eine Location buchen, einen Stylisten, Make-Up Artisten und Fotografen bezahlen, der oft noch einen Assistenten dabei hat, der vorher geholfen hat, das ganze Set aufzubauen. Aber ohne Model bricht die ganze Produktion zusammen. Modelagenturen sind in solchen Fällen sehr streng. Ein ‚No show’ ohne guten Grund hat mindestens eine ernsthafte Abmahnung zur Folge – im schlimmsten Falle wird das Model sofort aus der Agentur geworfen. Schließlich kann so eine Fahrlässigkeit die Agentur einen Kunden kosten.

Wenn man also über eine Agentur bucht, kann mich sich darauf verlassen, dass das Model aller Wahrscheinlichkeit nach erscheinen wird. Man hat auch die Garantie, dass ein guter Ersatz zur Verfügung steht, sollte das gebuchte Model aus irgendeinem Grund ausfallen. Mit einer professionellen Modelagentur zusammenzuarbeiten hat noch weitere Vorteile. Nicht nur, dass die Booker sich der Rechte und Pflichten, die mit dem Business einhergehen, bewusst sind, viel wichtiger noch: Sie kennen die Models persönlich. In einer guten Agentur sehen die Booker die Models regelmäßig. Es gibt viele Gründe für die Models, dort vorbeizuschauen: Sie müssen vor einem Casting ihr Portfolio abholen, Samplekleidung von einem Kunden anprobieren, neue Bilder aufnehmen oder über einen weiter entfernten Job Bericht erstatten. Dank dieser regelmäßigen Besuche kann sich die Modelagentur ein gutes Bild von dem Model machen: ist das Model fit, hat es gute Haut, ist die Frisur noch die gleiche wie in den Portfolioaufnahmen, ist das Model glücklich – all das sind wichtige Faktoren für eine Buchung.

Nicht nur ein Kleiderbügel, sondern ein Chamäleon

Die Leute sagen oft, das Models nur ‚Kleiderbügel’ seien. Meiner Meinung nach ist es aber die wichtigste Aufgabe eines Models, wandelbar wie ein Chamäleon zu sein. Es ist bewundernswert, wie Models mit Hilfe von Kleidung, Haarstyling und Make-Up in eine Vielzahl verschiedener Rollen schlüpfen. In gewisser Weise tun wir das natürlich alle, aber für ein Model ist es einfacher, weil es oftmals ein sehr symmetrisches Gesicht erfordert. Ein gutes Model kann in einem Bild jung aussehen und reif im nächsten; distanziert, dann freundlich. Psychologische Studien haben gezeigt, dass die durchschnittlichsten Gesichter am attraktivsten eingestuft werden. Der niederländische Computerkünstler Micha Klein beschäftigte sich mit dem Phänomen in seiner ‚Artificial Beauty Series’, in welcher er die eingescannten Gesichter von Models mit einer sogenanten ‚Morphing’-Technik veränderte. Das Resultat waren unnatürliche, aber auch sehr vertraut wirkende Gesichter: seine Portraits strahlen etwas Überirdisches aus und sehen zugleich aus, wie ‚echte’ Model-Schönheiten. Mit Ausnahme einiger spezieller Typen (Mit Tattoos, Piercings, oder Glatze als besonderes Wiedererkennungsmerkmal), besitzen Models also eine durchschnittliche - oft als klassisch beschriebene – Schönheit, die eine Vielzahl an Menschen anspricht. In anderen Worten, das professionelle Mädchen von nebenan!

Natasja Admiraal ist als freie Journalistin seit 2008 für FashionUnited tätig. Sie schreibt auch über verwandte Themen wie Schmuck und Design. Gelegentlich finden Sie Natasja auch auf dem Cover eines Magazins – sie arbeitet seit zehn Jahren auch als Model.

Geschrieben für FashionUnited NL von Natasja Admiraal, übersetzt und bearbeitet von Barbara Russ

Foto 1: Ein Fotoshoot für ein Editorial

Foto 2: Natasja in Aktion während eines Fotoshoots

Das nächste Mal: Teil III - Die Gebote und Verbote bei einem Foto-Shoot

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