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Ein modischer Wandel: S/S24 wird wild und zügellos

Von Jule Scott

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Mode

Die Frühjahr/Sommer Saison 2024 wird wild. Foto: (v.l.n.r) Enfants Riches Déprimés, Gucci und Versace

Sind Sie bereit, zu sündigen? Die Mode der Frühjahr/Sommer Saison 2024 steht ganz im Zeichen des Genusses. Dabei geizen die Kreationen der Modeschöpfenden nicht mit Reizen und machen vor kaum einem Tabu halt. Das Deutsche Mode-Institut prognostiziert diesen Wandel bei seinem jüngsten Trendseminar und wie er sich optisch ausdrücken wird.

„Oft sind Trends über viele Saisons lediglich neue Variationen und Ausprägungen bereits bekannter Themen, doch irgendwann gibt es plötzlich einen grundsätzlichen Bruch, ein ganz neues Lebensgefühl, eine völlig andere Grundstimmung – einen Vibe Shift”, erklärt Trendforscher Carl Tillessen während seines gleichnamigen Online-Vortrags beim Fashion Day. “Vibe Shift” ist jedoch nicht nur der Titel des Fashion Days, sondern die Prophezeiung des Deutschen Mode-Instituts für die Frühjahr/Sommer 24 Saison.

Nach der Covid-19-Pandemie steht die Gesellschaft vor einem Wendepunkt. Menschen fühlen sich, als hätten sie in den vergangenen Jahren kostbare Lebenszeit verloren – nun wird jeder Augenblick genutzt und genossen. „Die Menschen sehnen sich nach Zügellosigkeit, brauchen Ventile, wollen ausbrechen, sich ausleben, über die Stränge schlagen”, so Tillessen. Ein solches Ventil ist auch die Mode, in der “grenzenloser Idealismus” jetzt dem Hedonismus und Nihilismus weicht.

Die Mode gibt sich dem Vergnügen hin

Der Idealismus der letzten Jahre ist passé und werde zunehmend von Nihilismus zersetzt, sagt Tillessen. Wenn jedoch nicht von Nihilismus, dann zumindest von Hedonismus, erklärte der Trendforscher mit Verweis auf Modedesigner Tom Ford. Dieser ließ sich für seine freizügige SS23-Kollektion – die vor allem mit viel nackter Haut, Seidenstoffen und hauchdünner Spitze punktete – von Spaß inspirieren.

Hedonistisches Lebensgefühl bei Tom Ford SS23. Foto: Tom Ford

Es ist keineswegs das erste Mal, dass sich die Mode dem Vergnügen hingibt, doch aktuell scheint diese Tendenz vor allem vom Gefühl der Vergänglichkeit und der damit einhergehenden Angst getrieben zu werden.

Auf Detox folgt Retox

Auf Detox folge Retox, erklärt Tillessen den plötzlichen Lebenswandel hin zur reuelosen Sünde, der eng mit dem Klimawandel verknüpft sei. Der andauernde Druck zur Selbstoptimierung sei in Verbindung mit dem Druck, die Klimakrise abzuwenden, zu viel geworden. Den Kampf gegen den Klimawandel seien viele Menschen noch nicht bereit aufzugeben, da muss eben der eigene Körper dran glauben, so die Devise, die sich zumindest optisch auch in der Mode abzeichnet.

Zerlaufenes Make-up und Punk-Rock-Details bei Enfants Riches Déprimés FS23. Foto: Enfants Riches Déprimés

„Wildheit zieht sich als ein roter Faden durch sämtliche Kollektionen für den kommenden Sommer: überall verlaufenes Make-up, verschwitzte Haare, abgesplitterter Nagellack, zerrissene Strumpfhosen, schief geknöpfte Oberteile, zerlumpte und verdreckte Kleidung”, erläutert der Trendexperte. Auch Vergleiche mit der Hitserie “Euphoria” mit Schauspielerin Zendaya und dem Drogen-Drama “Beautiful Boy” mit Schauspieler Timothée Chalamet werden gezogen – denn auch von harten Drogen gehe wieder eine Faszination aus.

Sex, Drugs, Rock 'n' Roll und Tattoos im "Ignorant Style" bei Celine Homme SS23. Foto: Celine

Passend zum Motto “Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll” steht auch die Rock-Musik und die damit verbundene Ästhetik wieder hoch im Kurs. Bei Philipp Plein lief Mötley-Crüe-Schlagzeuger Tommy Lee als Model über den Laufsteg. Hedi Slimanes Celine-Show für FS23 wurde von der Musik der Libertines, der Band des Sängers Pete Doherty, begleitet. „Statt Yoga gibt es jetzt wieder Sex, statt Green Smoothies wieder Drugs”, fasst Tillessen das von der Mode wiederentdeckte Lebensgefühl zusammen.

Modisches Fegefeuer: Schwarze Witwen, Hexen, Vamps, Goths und Julia Fox

Schwarze Witwen in Spitze, Strapse und Schleier dominieren derzeit die Laufstege von Designer:innen wie Richard Quinn, Versace und Dolce & Gabbana. „Gothic im doppelten Sinne des Wortes”, so Tillessen. „Die Mode ist eben nicht mehr nur fröhliches Dopamine-Dressing und süßlicher Barbiecore, sondern auch Goth und Dark.”

Schwarze Witwen bei Versace SS23. Foto: Versace

Die Musen der Modeschöpfenden scheinen einen Wandel zu durchlaufen, zeigen diese nun “Goths, Vamps und Vampire, die Heilige und die Hure” und “schicken nicht nur Engel, sondern auch gefallene Engel über den Laufsteg”. Auch die Entwürfe sind provokant, spielen mit Symbolen und Sex, wie bei den Kreuzen von Blumarine und den Flammenmustern von Balmain.

Flammenprints bei Balmain SS23. Foto: Balmain

Der Gutmensch habe ausgedient und die Menschen dürfen sich demnach wieder zu ihren moralischen Ambivalenzen bekennen, sagt der Trendexperte. Kein Wunder also, dass Schauspielerin, ehemalige Domina und Kanye-West-Ex Julia Fox als Sinnbild für diesen Wandel steht.

Weniger symbolisch, doch keineswegs weniger provokativ geht es bei Prada, Coach und GmbH zu, denn hier wird Erotik nicht mehr bloß angedeutet. Stattdessen bedienen sich die Marken an verschiedenen Fetisch-Elementen – vor allem viel Leder.

Leder und Fetisch-Elemente bei Prada SS23. Foto: Prada

Es gehe um handfesten Sex für Fortgeschrittene, unzensiert und tabulos, sagt Tillessen über die aufreizende Kleidung, bei der auch Aussparungen im Schritt, wie bei Gucci, Egonlab und Enfants Riches Déprimés nicht fehlen dürfen.

Gucci Twinsburg SS23. Foto: Gucci

Dem neuen Zeitgeist der Mode sei nichts Menschliches fremd, so die abschließenden Worte des Trendforschers, die eine aufregende und aufreizende Frühjahr/Sommer 2024 Saison erahnen lassen.

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