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Eine Ära bei Alexander McQueen geht zu Ende: Sarah Burtons Vermächtnis im Überblick

Von Jule Scott

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Mode
Alexander McQueen Herbst/Winter 2013 Bild: Francois Guillot / AFP

Nach 26 Jahren wird Sarah Burton das britische Luxusmodehaus Alexander McQueen verlassen. Als die einstige McQueen-Praktikantin 2010 die Ruder der Marke nach dem Tod des gleichnamigen Designers übernahm, stand sie vor einer schier unüberwindbaren Herausforderung. Die Nachfolge eines so geliebten und glorifizieren Designers wie Lee Alexander McQueen anzutreten, ist kein einfaches Unterfangen – und doch herrschte innerhalb des Ateliers Einigkeit darüber, dass Burton die einzige sei, die auf McQueen folgen könne, so die Zeitschrift The Cut. Die kommenden Jahre sollten dies bestätigen, denn wohl nicht viele Designer:innen hätten diese Verantwortung mit mehr Feingefühl, Geschick und Stolz übernommen, als Burton es getan hat.

Mit ihr geht nun eine weitere Ära des Modehauses zu Ende, denn mit größter Wahrscheinlichkeit wird ihre Nachfolge das Erbe der Marke und den Designer McQueen lediglich aus Erzählungen, Büchern und Dokumentationen kennen.

Wo begann Burton und wo endete McQueen?

Burton teilte McQueens Liebe zur Natur und Historie Großbritanniens, doch während McQueen selbst seine Mode oft in Dunkelheit tauchte, verlieh Burton der für die Marke bekannten Schneiderkunst einen leichteren, weicheren Touch. Dabei war es vor allem am Anfang Teils schwer zu sagen, wo McQueen endete und Burton begann und doch transformierte Burton die einzigen gotischen Kriegerinnen des verstorbenen Designer, wie die Presse seine Models gerne nannte, im laufe der Zeit in eine sanftere, romantischere Version ihrer selbst. Es ist zwar unmöglich, über Burton zu sprechen, ohne zwangsläufig auf McQueen zu verweisen, doch man würde der Designerin Unrecht tun, nicht anzuerkennen, dass die Marke unter ihrer romantischen Handschrift weiter aufgeblüht ist und, so könnte man sagen, aus der Dunkelheit hervorgetreten ist.

Es ist ein Weg, den Burton – vielleicht unbewusst, vielleicht absichtlich – bereits mit ihrer ersten Solo-Kollektion für die Marke vorgegeben hat. Die Frühjahr/Sommer-Schau 2011 wurde von einem ganz in Weiß gekleideten Model eröffnet, dessen Augen durch Kontaktlinsen verdunkelt waren und deren Gesicht von Zöpfen umrahmt wurde. Gekleidet war sie in einem Frack. „Der Frack ist ein typisches McQueen-Stück, aber in diesem Fall war er weicher, seine Kanten waren unbearbeitet und die harten, spitzen Schultern, die ein weiteres Markenzeichen von McQueen sind, waren aufgeschlitzt und gelockert”, schrieb Modekritiker Tim Blanks für Vogue Runway.

Alexander McQueen Frühjahr/Sommer 2019 Bild: Spotlight Launchmetrics

Während insbesondere ihre frühen Kollektionen von einem nahezu mit Couture vergleichbaren Level an Detailverliebtheit, Schneiderkunst und Ausmaßen geprägt waren – die zehn von der anglikanischen Kirche inspirierten Looks, die Burton für Herbst/Winter 2013 präsentieren sollen Blanks zufolge je zwei Wochen pro Outfit in anspruch genommen haben, – wandte sich die Designerin im Laufe der Jahre zunehmend kommerzielleren Kollektionen zu.

Die Geburtsstunde einer neuen britischen Luxusmarke

Mit einem steigenden Fokus auf tragbare Mode rückte auch das einst so zentrale Thema des Geschichtenerzählens zunehmend in den Hintergrund. Während McQueen ein Träumer war, war es immer Burtons Aufgabe gewesen, seine Visionen zu übersetzen und in der Realität zu verankern. Als McQueen Burton noch zu Lebzeiten zu seiner Head of Design machte, gehörte es zu ihren Aufgaben, die Laufsteg-Looks jeder Saison in kommerzielle Stile zu übersetzen, schrieb The Cut in einem Profil über Burton Anfang des Jahres. Während das Label einst besonders bei Brancheninsider:innen, Modefans und Kunststudent:innen – die von McQueens kreativem Genie besessen waren – anklang fand, entwickelte sich die Marke unter Burton zu einer globalen Luxusmarke die Kommerz mit außergewöhnlichem Handwerk verband, ohne dabei seine Identität zu verlieren. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass Burtons Federführung bei McQueen der Marke zwar nicht unbedingt denselben Medienrummel wie ihr Mentor beschaffte, dafür aber eine Zeit lang die Kassen klingeln ließ.

(links) Alexander McQueen Frühjahr/Sommer 2022, (rechts) Frühjahr/Sommer 2023 Credits: Spotlight Launchmetrics

Zwar schlüsselt der Mutterkonzern Kering, der die Marke McQueen 2001 übernahm, den Umsatz dieser nicht explizit auf, doch Vogue Business zufolge soll dieser 2014 bei 220 Millionen Euro gelegen haben. Das Branchenmagazin bezieht sich dabei auf den Analysten Édouard Aubin der Investmentfirma Morgan Stanley. Ihm Zufolge stieg der Umsatz in 2022 auf 830 Millionen Euro, gegenüber 758 Millionen Euro in 2021.

Im ersten Halbjahr 2023 scheint sich das Blatt für den französischen Luxusgüterkonzern Kering SA, der derzeit allerhand Umstrukturierungen innerhalb der Gruppe vornimmt, gewendet zu haben. Der Umsatz des gesamten Unternehmens konnte nur geringfügig gesteigert werden und die sogenannte “Other Houses”-Sparte von Kering, zu der unter anderem Balenciaga und Alexander McQueen gehören, verzeichnete im ersten Halbjahr im Vorjahresvergleich einen Umsatzrückgang von fünf Prozent auf 1,9 Milliarden Euro. Der Finanzbericht von Kering im Juli betonte dennoch, dass Ready-to-Wear von McQueen “gute Ergebnisse” erzielt habe.

Alexander McQueen Herbst/Winter 2023 Bild: Spotlight Launchmetrics

Ob diese “guten Ergebnisse” am Ende nicht gut genug waren, ob der Abschied von Burton mit den zahlreichen konzerninternen Veränderungen zusammenhängt oder, ob es vielleicht die Designerin selbst war, die nach 26 Jahren Abschied von ihrer “Familie” nimmt, wie sie das McQueen-Team in einer von Kering veröffentlichten Mitteilung nannte, wird wohl Spekulation bleiben. Wünschenswert wäre es allerdings, dass weder ihr Vermächtnis, ebenso wie das ihres einstigen Mentors, Chefs und Freundes, nicht in Vergessenheit geraten wird, sondern in den Geschichtsbüchern von Alexander McQueen Einzug findet.

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