Einkäuferin Victoria Sagmeister über den Spagat zwischen Beständigkeit und Wandel in der Luxusmode
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Von der Drechslerwerkstatt zum Antiquitätenladen hin zu einer der wichtigsten Anlaufstellen für Luxusmode in Österreich. Sagmeister gilt als familiengeführtes Traditionshaus, das mit der Zeit geht. Bestes Beispiel? Derzeit befindet sich Sagmeister erneut in einer Art Transitionsphase, erzählt Victoria Sagmeister. Ihren Mutter erschloss vor gut 30 Jahren den Luxusbereich und übergibt diesen sowie die gesamte Verantwortung für den Dameneinkauf nun schrittweise an ihre Tochter.
Inmitten der Orderphase für Frühjahr/Sommer 2025 gewährt Sagmeister Einblicke in die strategischen Vorbereitungen und den Herausforderungen, mit denen sich das Mutter-Tochter-Duo derzeit konfrontiert sieht. Außerdem spricht die Einkäuferin mit FashionUnited über den Balanceakt zwischen Beständigkeit, Wandel und aktuelle Modetrends sowie den ständigen Wechsel der Kreativdirektor:innen der großen Luxusmodehäuser.
Mit welchem Gefühl sind Sie in die Frühjahr/Sommer 2025 Saison gestartet?
Ich bin mit einem guten Gefühl in die Saison gestartet. Wir leben jetzt seit mehreren Jahren in sehr unsicheren Zeiten, das kann man nicht leugnen und auch wir kämpfen gegen Inflation und das schlechte Wetter, insbesondere im April und Mai an. Wir haben insgesamt eher ruhigere Monate hinter uns und dennoch blicke ich positiv auf Frühjahr/Sommer 2025.
Wie sehen die Vorbereitungen für eine neue Saison bei Sagmeister aus?
Wir arbeiten vor allem budgetär, planen jedoch nicht nur nach den Vorjahreszahlen, sondern auch nach der Zufriedenheit der Kund:innen und achten dabei primär darauf, was in der Welt aktuell passiert. Speziell in den vergangenen drei Jahren waren die Geschehnisse in der Welt sehr ausschlaggebend für unsere Planung. Zudem suchen wir immer das Gespräch mit unseren Mitarbeitenden. Meine Mutter verkauft auch selbst sehr viel, was uns ebenfalls hilft, direkte Informationen von den Kund:innen zu erhalten, mit denen wir in die Order starten.
Suchen Sie und Ihre Kund:innen nach den gerade angesprochenen herausfordernden Geschehnissen auf der Welt nach Beständigkeit bei „altbekannten“ Marken?
Es gibt natürlich einen gewissen Markenmix und auch Klassiker wie Saint Laurent, Prada und so weiter, den man als Einzelhändler immer gerne haben möchte. Wir sind allerdings in keiner wahnsinnig großen Stadt, wir sind ja nicht in Hamburg oder in München, daher haben wir sehr viele Stammkund:innen, die bereits Taschen oder Kleider von gewissen Marken haben und daher auch immer noch nach etwas Neuem suchen, bevor sie erneut ein ähnliches Kleid oder abermals eine ähnliche Hose kaufen. Darum suchen wir als Einkäufer:innen immer nach Marken, die etwas Neues bieten.
Worauf kommt es hier an?
Dabei müssen wir allerdings bedenken, dass die meisten Marken in ihren eigenen Showrooms, etwa in Paris, unglaublich wirken, doch es dauert dann noch eine Zeit lang, bis es auch im Laden tatsächlich umgesetzt werden kann. Als Einkäuferin sieht man die Marke mitsamt ihrer gesamten Geschichte, auf der eigenen Fläche, wenn man nur zwei oder drei Teile geordert hat, kann es herausfordernd sein, diese auch weiterzutragen.
Sie haben bereits einige Kollektionen geschrieben und Showrooms besucht. Wie lautet bislang das modische Fazit?
Die Kollektionen bis jetzt waren sehr stark. Wir haben die US-amerikanische Marke Khaite wieder aufgenommen und auch Chloé, eine Marke und Stil, dem wir uns unter der neuen Kreativen Leitung wieder sehr verbunden fühlen, kommt wieder ins Sortiment. Es ist genau die Art Mode, nach der die Sagmeister-Kundin sucht.
Können Sie definieren, wonach die Sagmeister-Kundin sucht?
Grundsätzlich suchen wir nach Mode für eine erwachsene Frau und manchmal geht der Trend ein wenig zu sehr in eine trendige, junge Richtung. Für uns steht vorteilhafte Kleidung, in der sich die Kundinnen wohlfühlen – ohne dass es zu kurz, zu knapp oder zu kompliziert ist – im Vordergrund.
Ist die Sagmeister-Kundin preissensibel?
Bei vielen Marken ist der Preis sehr gestiegen, das ist nicht einfach, denn einige Produkte sind kaum noch erschwinglich. Aber dafür gibt es dann andere Marken, auch gerade im deutschsprachigen Bereich, die da auch noch andere Preispunkte anbieten. Am Ende des Tages geht es nicht nur darum, was sich Kundinnen leisten können, sondern darum, was sie sich leisten wollen, und wenn gewisse Stücke, die vor zwei Jahren ein Drittel weniger, fast die Hälfte gekostet haben, merken das auch die Kund:innen.
Stehen Sie mit den Marken diesbezüglich im Dialog?
Generell fragen die meisten Marken immer nach Feedback und wir sprechen selbstverständlich auch an, wenn wir finden, dass manche spezifische Taschen oder auch irgendwelche Ready-to-wear-Produkte zu teuer geworden sind. Natürlich ist man nur ein kleiner Kunde im Endeffekt und es gibt ganz viele Kunden weltweit und viele von den riesigen Unternehmen haben enorme Strukturen, aber wir werden immer angehört.
Haben die Preissteigerungen und die Inflation auch Konsequenzen für Ihre Budgetplanung?
Wir planen generell lieber etwas konservativer, doch das Budget ist ungefähr gleichbleibend. Natürlich hatten wir eine starke Inflation in den letzten Jahren, also man kauft teilweise für das gleiche Geld weniger Stücke, aber das Budget war gleichbleibend. Außerdem haben wir vom letzten Frühjahr/Sommer auf diesen Frühjahr/Sommer unseren Markenmix wenig verändert – mit Ausnahme von Chloé. Aber da haben wir auch nur ein, zwei Saisons ausgesetzt.
Werden spätere Reduzierungen – die im Handel zunehmend vermehrt und verfrüht eingesetzt werden – bereits bei der Budgetplanung berücksichtigt?
Wir sehen, dass Kolleg:innen immer früher, früher und früher reduzieren, doch wir beurteilen das tatsächlich sehr negativ. Natürlich braucht man Reduzierungen, doch zum einen gibt es Teile, die man nicht unbedingt reduzieren muss, da sie im nächsten Jahr wieder geliefert werden, und zudem gibt es eben nur eine gewisse Marge.
Mit zu vielen Reduzierungen kommt man irgendwann in die Bredouille, daher begrüßen wir es, wenn Lieferant:innen Reduzierungen bestimmen und klar vorgeben. Die Ware sollte immer so lang wie möglich im Vollpreissegment laufen. Überdies finde ich übertriebene Reduzierungen auch von einer Kund:innenperspektive sehr negativ. Es besteht die Gefahr, die Ware zu entwerten.
Die Entwertung der Ware ist auch in Bezug auf den Onlinehandel, insbesondere im Luxushandel, ein Kritikpunkt. Sie arbeiten seit Jahren mit Farfetch zusammen, ein Partner, der aktuell in Schwierigkeiten steckt. Gibt es Überlegungen, den Onlineverkauf in Eigenregie zu übernehmen?
Es gab die verschiedensten Überlegungen, aber momentan wäre definitiv nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Der Onlinehandel ist mit wahnsinnig hohen Kosten verbunden und Profitabilität zu erreichen ist schwierig. Darum wird unser Kerngeschäft der stationäre Handel bleiben. Dort liegt unsere Stärke und es macht für uns wenig Sinn, den hundertsten Online-Händler zu kreieren. Man darf nicht größenwahnsinnig werden. Zudem sind wir mit Farfetch glücklich, auch wenn wir immer mehr eingeschränkt werden, was die Marken angeht, die wir dort verkaufen dürfen. Aber das ist einfach eine Entscheidung, mit der wir mitgehen müssen.
Und dennoch ist auch der stationäre Modehandel nicht vor Krisen gefeit…
Wir wissen, dass die Zeiten, in denen man einen schönen Laden mit schöner Ware hatte und die Leute einfach kommen und kaufen, leider vorbei sind. Man braucht gute Mitarbeiter:innen, muss den Kund:innen etwas bieten und im Endeffekt darf man auch den Glauben nicht verlieren. Das klingt sehr plakativ, aber es hilft, wenn dann eben doch eine schlechte Phase, sei es wetterbedingt oder sozioökonomisch, kommt.
Kommen wir noch einmal zurück zu Ihrem Markenmix. Sie sprachen vorhin von wenig Veränderung. Gibt es dennoch eine Chance für kleinere oder neuere Marken im Sagmeister-Sortiment aufgenommen zu werden?
Es gibt immer ein kleineres Budget, das wir für kleinere Marken und Überraschungen reservieren. Meistens haben wir bereits fünf, sechs Marken, über die wir nachdenken und von denen ordern wir eventuell zwei oder drei. Diese werden zuvor natürlich beobachtet. Das Feedback unserer Kund:innen und Verkäufer:innen bezüglich Marken, die sie toll finden und gerne hätten, spielt hier auch eine große Rolle.
Welche modischen Strömungen beobachten Sie? Und welche sind für Sagmeister relevant?
Für uns waren die stärksten Teile immer praktisch gute Qualität, ohne viel Logoprint. Daher ist auch der Rückgang der Logomania für uns eine sehr angenehme Wendung. Ob jetzt der „Quiet Luxury“-Begriff für uns relevant ist, sei dahingestellt, das ist eher ein TikTok-Begriff, aber die Richtung stimmt.
Trends sind jedoch schwierig zu beurteilen, bevor man alle Hauptkollektionen gesehen hat, aber ich sehe nicht unbedingt so einen spezifischen Trend. Wenn man die Kollektion schreibt, gibt es oft fünf, sechs verschiedene Themen, in die man sich vertiefen könnte. Daher sind Trends auch sehr von dem Markenmix und dem spezifischen Laden oder den Einkäufer:innen abhängig. Was ich definitiv sehe, ist jedoch, dass die meisten Kollektionen sehr kompatibel mit einer erwachseneren Frau waren und Streetwear fast ganz verblichen ist.
Sie sprachen vorhin mit Chloé eine Marke an, die gerade einen – scheinbar sehr willkommenen – Kreativdirektor:innenwechsel vollzogen hat. Wie werten Sie den derzeitigen ständigen Wechsel der Kreativdirektor:innen generell? Bringt dieser nicht auch Risiken für Sie?
Ich finde Veränderung generell nicht negativ, aber es ist ein Spannungsfaktor, definitiv. Wir sind sehr auf Valentino gespannt. Wir waren einst mit Alessandro Michele und seinem Gucci sehr, sehr erfolgreich, aber man weiß bislang nicht, wie es die Kund:innen nun annehmen. Valentino ist eine bedeutungsvolle Marke für uns, auch bei Ready-to-wear und dennoch denke ich, es ist gut, dass etwas Neues kommt. Auch den Wechsel bei Gucci haben wir bisher sehr positiv gesehen, da die Kollektion unter dem neuen Designer sehr, sehr gut zu verkaufen ist. Es gibt viele Kund:innen, denen das neue Gucci gefällt. Es ist unglaublich verkäuflich und wahrscheinlich einfacher als Gucci zuvor – zumindest rein optisch.
Obwohl wir Veränderungen begrüßen, brauchen wir eine gewisse Stabilität. Eine Marke, die ihre Richtung alle drei Jahre wechselt, ist weder für uns noch für Kund:innen einfach. Kund:innen brauchen eine gewisse Kontinuität, um das Modehaus kennenzulernen und die Designer:innen dahinter zu verstehen.
Gibt es Negativbeispiele?
Natürlich kann es gelegentlich vorkommen, dass eine Marke von jemandem übernommen wird, die dann gar nicht mehr funktioniert. So ging es uns etwa mit Balenciaga, als die Marke stark in die Street-Style-Richtung driftete. Das war einfach nicht mehr unser Markt. Das kann ich mir in einer größeren Stadt oder auch in einem extrem urbanen Zentrum vorstellen, aber nicht für Sagmeister.
Sollte jedoch eine unserer Hauptmarken in eine ganz andere Richtung abdriften, müssten wir uns sicherlich versuchen, damit zu arrangieren. Manchmal gibt es Veränderungen, auch bei größeren Budgets, die nicht tragbar sind. Am Ende des Tages sind wir ein Unternehmen, das Geld verdienen muss, und Kollektionen müssen den Geschmack unserer Kund:innen treffen. Doch das Problem hatten wir zum Glück bisher nicht wirklich. Mal schauen, was noch passiert, man weiß ja nie.