Ende der Baselworld, Triumph von Watches & Wonders: Wie die Uhrenbranche sich revolutioniert
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Die Corona-Krise stellt Modewochen auf unbestimmte Zeit in Frage. Wer nach Alternativen zu den Laufstegen sucht, für den lohnt sich ein Blick auf die Uhrenbranche, die ihrerseits eine echte, aber sehr diskrete Revolution anführt. Ein Rückblick auf eine Umwälzung, die innerhalb einer Woche den Tod einer großen Messe und den Triumph einer digitalen Zukunft für die Uhrenbranche markiert hat.
Freitagmorgen, 17. April: LVMH verkündet, nicht an der Messe Baselworld teilnehmen zu wollen. Dies ist der letzte Gnadenstoß für eine Institution, die bis vor fünf Jahren das unbestreitbar wichtigste jährliche Treffen der Uhrenbranche war. Der Abstieg der Messe begann mit der Absage der Hälfte seiner Aussteller vor drei Jahren. Die Gründe, die damals genannt wurden: exorbitante Standpreise, schlechte Unterbringungsbedingungen in Basel, enttäuschende Beschilderung der Messe, die nach Angaben der enttäuschten Aussteller die Sterne-Häuser zum Nachteil weniger renommierter Firmen begünstigte. Einige dieser Unternehmen, insbesondere Vintage-Schmuckhäuser, hatten vor zwei Jahren ihre eigene Ausstellung - GemGeneve - gegründet.
Diese Gründe waren valide, wenn auch verhandelbar, aber sie überschnitten sich vor allem mit dem Aufstieg digitaler Angebote, die Unternehmen, deren Kommunikationsbudget nicht endlos erweiterbar war, zum Umdenken zwangen. Viele Häuser verließen die Messe nicht, weil sie enttäuscht waren, sondern weil sie ihre Kommunikation auf neue, kostengünstigere Kanäle ausrichten wollten.
Die Messe Baselworld konnte dennoch auf die Unterstützung der Stars der Branche - hauptsächlich Rolex und Patek Philippe - zählen, die allein durch ihre Anwesenheit die Attraktivität der Messe für den gesamten Berufsstand unterstrichen. Doch in dieser Aprilwoche kündigten auch diese Unternehmen an, dass auch sie das sinkende Schiff verlassen würden. Dieser Rückzug war eindeutig. In der gemeinsam von Rolex, Patek Philippe, Chanel, Chopard und Tudor unterzeichneten Pressemitteilung heißt es: "Das Vertrauen ist nicht mehr vorhanden".
Die fünf führenden Uhrenhersteller bekundeten darin ihre Absicht, einen unabhängigen Salon in Genf zur gleichen Zeit wie den anderen führenden Salon der Branche - Watches & Wonders - schaffen zu wollen. Dieser soll im Frühjahr stattfinden und hauptsächlich die Hersteller der Richemont-Gruppe, aber auch einige wichtige Häuser wie Hermès und Audemars Piguet beherbergen.
Unter den Stars der Branche konnte die Baselword zuletzt noch auf die Unterstützung der Schweizer Uhrenhersteller der LVMH-Gruppe zählen - dazu gehören Bulgari, Tag Heuer, Zenith und Hublot. Louis Vuitton und Dior präsentieren seit mehreren Jahren ihre Neuheiten abseits der Messen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung gaben nun auch diese Hersteller an, dass auch sie sich entschieden hätten, ihre neuen Produkte nicht länger auf der Baselworld präsentieren zu wollen.
Die Pressemitteilung sagt nichts darüber aus, ob diese vier Hersteller - die einerseits von Jean-Christophe Babin für Bulgari und andererseits von Stéphane Bianchi für die LVMH (Tag Heuer, Hublot und Zenith) angeführt werden - offiziell an der neuen, von Rolex initiierten Messe teilnehmen werden, aber es ist so gut wie sicher, dass sie auf die eine oder andere Weise in Genf vertreten sein werden. „Die Zusammenlegung der gesamten Schweizer Uhrenindustrie an einem einzigen Standort, in Genf, der historischen Hauptstadt der Uhrmacherei, und an einem gemeinsamen Datum, ist eine große Chance, endlich einen Sektor wiederzubeleben, der durch zu viele Spaltungen und divergierende Interessen gegenüber dem übrigen Luxussektor, in dem Bvlgari ein Protagonist ist [...], geschwächt wurde. Wir freuen uns darauf, im April 2021 nach Genf zu reisen, auch wenn wir noch die Modalitäten unserer Teilnahme festlegen müssen, die wir in den kommenden Wochen präzisieren werden. Wir freuen uns auch darüber, dass wir das Ausbleiben der institutionellen Uhrenmessen nicht nachholen müssen, die uns 2020 zu taktischen Initiativen gezwungen haben, die kurzfristig notwendig, aber mittelfristig unerwünscht waren“, sagt Jean-Christophe Babin, CEO der Bvlgari-Gruppe.
Wir bedauern, dieses mehr als hundertjährige Rendezvous, die Baselworld, der unsere Häuser stets treu geblieben sind, verlassen zu müssen. Es ist jedoch klar, dass wir schnell reagieren und andere Vorkehrungen treffen müssen. Vor uns liegt die Gelegenheit, das Format und den Inhalt eines der Schlüsselmomente unseres Uhrenjahres neu zu erfinden, das sowohl eine große kommerzielle Herausforderung als auch einen wichtigen Hebel für unsere Marken darstellte. In diesem Sinne werden wir alles daran setzen, mit den anderen prestigeträchtigen Häusern, die sich im April 2021 in Genf treffen werden, präsent zu sein und so den Anforderungen unserer Partner und Kunden gerecht zu werden und ihnen ein unvergleichliches Erlebnis zu bieten", sagte Stéphane Bianchi, CEO der Uhrenabteilung von LVMH.
Cartier präsentiert einen digitalen Termin
Vor einigen Jahren wurde die alljährlich in Genf stattfindende Messe Watches & Wonder, damals noch SIHH, 1991 von Alain-Dominique Perrin, damals Präsident von Cartier, als Underdog ins Leben gerufen. Entsetzt über den schlechten Empfang der Region Basel, wollte der Präsident von Cartier seinen Partnern ein Format bieten, das dem Ansehen der Häuser der Richemont-Gruppe entspricht. Dreißig Jahre später scheint diese Intuition von den Herstellern der Spitzenklasse einstimmig akzeptiert zu werden. Der Rahmen von Watches & Wonders lädt zum Träumen ein: geräumige und angenehme Stände, eine helle und weitläufige Halle, hochwertiges Catering. Alles für den Komfort der Besucher.
Die Begeisterung für die Veranstaltung in Genf beweist, dass die physischen Messen noch eine Zukunft haben, solange sie angenehme Begegnungen sind, die aus Häusern mit gleichem Standing bestehen. Massenmessen haben sich überlebt. Die andere Lehre, die aus diesem Begräbnis der Baselworld gezogen werden kann, ist die Fähigkeit von Luxushäusern - und insbesondere von Uhrenherstellern, die den Ruf haben, übervorsichtig zu sein - mit den verschiedenen Kommunikations- und Vertriebskanälen, die ihnen zur Verfügung stehen, agil umzugehen. Das von Cartier eingeführte Paradigma zeugt davon auf brillante Weise. Das Luxushaus wird nicht nur weiterhin seine neuen Uhren in einem ausgewählten Rahmen, bei der Watches & Wonders im April 2021, präsentieren, sondern es wird auch nicht davor zurückschrecken, auf digitale Technologie zu setzen.
Cartier präsentiert in der aktuellen Saison, in der eine physische Messe nicht möglich ist, eine brandneue digitale Plattform, auf der das Publikum alle neuen Uhren der Marke entdecken kann. In der Pressemitteilung heißt es: "Bei dieser Ausgabe geht es um unerwartete Begegnungen zwischen Formen und Ideen, die von der Marke gepflegt und durch ihre Uhren in Szene gesetzt werden". "Im aktuellen Kontext halten wir es für unerlässlich, weiterhin mit all unseren Kunden auf der ganzen Welt über verschiedene Kontaktpunkte zu interagieren und ihnen eine Erfahrung bieten zu können, die den Kreationen unseres Hauses gewidmet ist. Die Lancierung der Cartier Watchmaking Encounters steht voll und ganz im Einklang mit diesem Ansatz. Durch diese neue Plattform werden unsere Kunden eingeladen, unsere Kreationen, unsere Dienstleistungen und im weiteren Sinne den uhrmacherischen Geist von Cartier auf einzigartige und innovative Weise zu entdecken", erklärt Arnaud Carrez, Marketing- und Kommunikationsdirektor von Cartier International. Diese internationale Plattform wird in Französisch, Englisch und Chinesisch verfügbar sein und kann unter cartierwatchmakingencounters.com und cartier.com aufgerufen werden.
Bild: Cartier
Dieser Artikel wurde zuvor auf fashionunited.uk veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ