Hat Hedi Slimane bereits die Weichen für seine Zukunft nach Celine gestellt?
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Es war einer der schnellsten Übergänge in der jüngeren Modegeschichte. Am Mittwoch bestätigte Celine die monatelangen Gerüchte und gab bekannt, dass Hedi Slimane tatsächlich seine Position als künstlerischer Leiter des französischen Modehauses verlässt – nur um wenige Stunden später seine Nachfolge bekannt zu geben. Sein unmittelbarer Nachfolger, Michael Rider, übernahm damit nicht nur die Kontrolle über die Vision des Hauses, sondern lenkte auch die Aufmerksamkeit der Branche von Slimane weg, wenn auch nur vorübergehend. Ein deutlicher Kontrast zu dem Zeitpunkt, als der Modedesigner vor sieben Jahren zur Marke stieß.
Als Slimane 2018 zu Celine kam, schwelgten viele noch in Erinnerungen an die Designs von Phoebe Philo, die kürzlich das Unternehmen verlassen hatte. Während ihrer Zeit bei der Marke hatte Philo eine äußerst treue Fangemeinde um sich geschart. Diese wurden liebevoll als 'Philophiles' bezeichnet und beteten am Altar einer der wenigen Designer:innen, die für Frauen in allen Lebenslagen entwarf.
Die Befürchtung, dass Slimane, jede letzte Spur von 'Philo-ismen' bei Celine auslöschen könnte, bestätigte sich bald. Der Designer bevorzugte schon immer einen Peter-Pan-Ansatz und jagte eher den verlorenen Jungen und Mädchen als ihren Eltern hinterher. Zuerst löschte er die sozialen Netzwerke der Marke, dann entfernte er den Akzent aus dem nun erloschenen Céline und dann war da noch seine erste Kollektion, Frühjahr/Sommer 2019.
Für diejenigen, die gehofft hatten, dass Slimane sich an die von Philo aufgestellten Codes halten würde, war sein Debüt eine Erinnerung daran, dass Slimane an erster Stelle immer sich selbst und seine eigene Ästhetik geehrt hat. Der Designer folgte ohne Umschweife einem Muster, das er bereits während seiner Amtszeit bei Dior Homme und später bei Saint Laurent, wo er gleich zu Beginn das 'Yves' aus dem Namen strich, etabliert hatte.
Doch obwohl ihm seine unverblümte, magere Rock’n’Roll-Attitüde, die bisweilen an Verkommenheit grenzte, gut zu Gesicht stand und die meisten Kritiker:innen ihre anfängliche Skepsis gegenüber seiner neuen Vision für Saint Laurent schnell zurücknahmen, hatte sich die Mode – und die Welt – in den Jahren, in denen er seine kreative Energie hauptsächlich der Fotografie gewidmet hatte, drastisch verändert. Lediglich Slimane schien sich davon nicht betroffen zu fühlen.
„An einem einzigen Abend hat er alles, was Celine war, in die Luft gesprengt und weggespült. Sein Name mag nicht auf dem Etikett stehen, aber in jeder anderen Hinsicht könnte die Marke genauso gut Hedi Slimane heißen“, schrieb die Journalistin Robin Givhan für die US-amerikanische Zeitung 'Washington Post' nach seinem Debüt und spiegelte damit eine Stimmung wider, die fast einstimmig die Wiedereinführung einer Mode – inklusive Menswear – anprangerte, die sie einst gelobt hatten. Ob seine erste Kollektion nun eine bloße Provokation war oder ob er sich die Kritik zu Herzen genommen hatte, sei dahingestellt, jedoch verlagert er seinen Schwerpunkt lediglich eine Saison später von der Rock’n’Roll-Szene in Los Angeles, wo er jahrelang sowohl visuell als auch physisch angesiedelt war, zurück in seine Heimatstadt Paris.
Das Zeitalter des Archivs
Mit dieser Veränderung ging nicht nur ein neuer, von der Öffentlichkeit gefeierter Stil einher, sondern auch eine Version von Slimane, die tatsächlich einem Celine-Archiv huldigte. Das war jedoch nicht das der jüngsten Geschichte der Marke, sondern das der Gründerin Céline Vipiana. Plötzlich wurde auch der oft und laut beklagte Logowechsel neu bewertet, denn das ursprüngliche Logo der Marke verzichtete ebenso wie Slimane auf den Akzent.
Endlich vollzog der Designer für Herbst/Winter 2019 eine überraschende und von vielen ersehnte Wende und besann sich auf die Wurzeln der Marke – lange vor der Übernahme durch LVMH – und konzentrierte sich darauf, den Look der Pariser Bourgeoisie der 70er und 80er Jahre neu zu erfinden. Statt Mikro-Rock gab es plötzlich Culottes und verzierte Minikleider machten Platz für Seide. Und während er sich vielleicht nicht ganz von seinen synonymen Skinny-Jeans trennen konnte, wurden sie dieses Mal mit Capes, Blazern und Shearling-Stiefeln kombiniert.
Was nach seinem ersten Jahr bei der Marke folgte, war nicht nur eine globale Pandemie, seit der er sich mehr oder weniger von den Laufstegen verabschiedet hat und sich stattdessen auf Videopräsentationen in verschiedensten Locations konzentriert, und das auch noch lange, nachdem die meisten Designer:innen zu einem normalen Showformat zurückgekehrt sind, sondern eine Mischung aus seinem neu entdeckten Geschmack für die Bourgeoisie und dem verbliebenen Flair für Rock-Glam.
Es war eine Vision, die sich nicht nur, anders als bei Phoebe Philo, an eine jüngere Generation richtete, was vielleicht am besten durch den Einsatz von Testimonials – bei Philo war es die in der Zwischenzeit verstorbene Schriftstellerin Joan Didion und bei Slimane das Model Kaia Gerber oder K-Pop-Star Lisa (Blackpink) – unterstrichen wurde, sondern die auch die Hoffnungen und Versprechen erfüllte, die LVMH bei seiner Einstellung gemacht hatte.
Wie die US-amerikanische Vogue berichtet, hat LVMH auf der jährlichen Bilanzkonferenz im Januar 2018, kurz nach Slimanes Ernennung, das Ziel für seine Amtszeit bei der Marke klar formuliert: zwei bis drei Milliarden Euro, vielleicht mehr, innerhalb von fünf Jahren. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Umsatz von Celine zwischen einer halben und einer Milliarde geschätzt. Mit einem Umsatz von nunmehr etwa 2,5 Milliarden Euro hat Slimane das ihm vorgegebene Ziel klar erreicht, nicht zuletzt auch durch die Einführung verschiedener, zuvor nicht existierender Kategorien für die Marke wie Herrenmode, Parfüm und bald auch Beauty.
Unter Slimanes Leitung mauserte sich Celine zur drittgrößten Marke im LVMH-Portfolio, nur Louis Vuitton und Dior sind noch stärker, und so stellt sich nun die Frage, wieso der auf lediglich sechs Jahre befristete Vertrag des Designers dennoch nicht verlängert wurde?
Spricht Slimane für Chanel vor?
Eine klare Antwort auf diese Frage gibt es nicht, doch liebt die Modebranche kaum etwas so sehr, wie ein wenig zu spekulieren, insbesondere in einer Zeit, in der ungewöhnlich viele kreative Posten im Angebot sind. Dries Van Noten und Alberta Ferretti suchen jeweils ihre Nachfolger:innen, und die Gerüchte über anstehende Veränderungen bei Fendi, Margiela und Gucci sind so laut, dass sie kaum zu überhören sind. Unabhängig davon, ob Slimane diese Gerüchte in den letzten Saisons absichtlich angeheizt hat oder nicht, sieht seine indessen endgültig letzte Kollektion für Celine mehr denn je wie ein Vorsprechen für den zweifellos begehrtesten – und entsprechend freien – Posten in der Modebranche aus: der Thron bei Chanel.
Mit seiner letzten Kollektion für Frühjahr/Sommer 2025, die vor wenigen Tagen per Video vorgestellt wurde, zollte Slimane der raffinierten Eleganz des französischen Sommers der 1960er Jahre nostalgischen Tribut. Shownotes zufolge ließ sich der Designer von Schriftstellerin Françoise Sagans 'La Chamade' und den ikonischen französischen Stilikonen dieser Ära wie Françoise Hardy und France Gall inspirieren.
Slimane interpretiert diese klassische Ästhetik durch eine Vielzahl von zeitlosen Kleidungsstücken neu, darunter Faltenröcke, gestreifte Oberteile, die mit paillettenbesetzten Röcken kombiniert werden, und bestickte Twin-Sets. Es liegt nahe, dass Slimane die Kollektion stark an die frühen 1960er Jahre anlehnt, als Coco Chanels Entwürfe zu globalen Symbolen der Eleganz wurden, und daher auch kurze Tweed-Kostüme auftauchen. Die Referenz an Chanel blieb jedoch nicht unbemerkt, und der Vergleich drängte sich auf, insbesondere durch Slimanes Verwendung von kragenlosen Jacken und floralen Motiven, die an Chanels ikonische Kamelie erinnern, wenn auch mit einem Celine- oder vielmehr Slimane-Twist.
Die Gerüchte, dass er zu dem anderen traditionsreichen Modehaus, das mit einem C beginnt, wechseln könnte, heizten diese Darbietung sofort an. Wenn man genauer hinsieht, halten sich die hartnäckigen Wechselgerüchte um seine Zukunft bei Chanel jedoch schon auffällig lang. Schon als Karl Lagerfeld 2019 starb, hielten viele das für möglich. Immerhin war Slimane einer der wenigen Designer, die Lagerfeld selbst namentlich anerkannte. Er ging sogar so weit, sein Aussehen und seinen Körper radikal zu verändern, nur um in die winzigen, schmal geschnittenen Silhouetten zu passen, die Slimane bei Dior Homme propagierte.
Aber es ist nicht nur Lagerfelds drastischer Gewichtsverlust, um etwas von Slimane Entworfenes zu tragen, oder eine Chanel-ähnliche Kollektion bei Celine, die seine Zukunft an der Spitze der französischen Luxusmarke denkbar macht. Es ist seine fast schon obsessive Liebe zum Detail und sein Bedürfnis nach kreativer Kontrolle, etwas, das er und Lagerfeld gemeinsam hatten. Dies spiegelt sich am besten in seiner Rolle bei Celine wider. Dort entwarf er nicht nur die Kleidung als künstlerischer Leiter, sondern lenkte als Kreativ- und Image-Direktor auch jede weitere Entscheidung, von Kampagnen-Shootings bis zum Ladendesign.
Letztlich ist Slimanes mögliche Zukunft bislang noch unklar und Chanel hat sich seit dem Weggang von Virginie Viard auf das hauseigene Designteam verlassen. Es bleibt abzuwarten, ob sich das bald ändern wird, da Slimane nun in der Lage wäre, dem Haus beizutreten. Gewiss ist allerdings, dass, auch wenn es bei Chanel wohl kaum zu großen Namensänderungen oder Rebrandings kommen dürfte, die Marke dennoch über ein riesiges Archiv verfügt – und zwar eines, mit dem Slimane bereits bestens vertraut zu sein scheint. Außerdem ist Tweed zwar nicht gerade als Favorit der Rock-n-Roll-Szene bekannt, doch wenn jemand diese dazu bringen könnte, Leder gegen den Wollstoff zu tauschen, dann wäre es höchstwahrscheinlich Hedi Slimane.