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Herbst/Winter 2024: Poesie und Arbeitswahn auf der Copenhagen Fashion Week

Von Jule Scott

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Mode

The Garment Fall/Winter 2024 Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Die Copenhagen Fashion Week (CPHFW) ist längst mehr als nur ein Zwischenstopp, bevor die Branche offiziell mit den großen Damenmodenschauen in den Modemetropolen in den ‘Fashion Month’ startet. Die meisten Modelle, die es in der dänischen Hauptstadt auf den Laufsteg schaffen, sind bei den Instagram-It-Girls, Branchenveteran:innen und Einkäufer:innen gleichermaßen beliebt und dürften spätestens in sechs Monaten sowohl die Einkaufslisten als auch die Social-Media-Feeds dominieren.

Der skandinavische Stil, der traditionell häufig mit Minimalismus assoziiert wird, zeichnet sich in der Zwischenzeit vor allem durch seine verspielte Sachlichkeit aus, verzichtet dabei jedoch größtenteils auf Effekthascherei oder Kunstgriffe. Die ästhetischen Assoziationen mit der Stadt wurden in den letzten Jahren weitgehend von Marken wie Baum und Pferdgarten, Stine Goya und Ganni geprägt, wobei letztere in dieser Saison auf eine Laufsteg-Inszenierung verzichtete.

Statt am offiziellen Showprogramm der Kopenhagener Modewoche teilzunehmen, feierte die Marke ihr zehnjähriges Jubiläum als Teil der CPHFW, indem sie den Schritt weg vom direkten Rampenlicht wagte und die Bühne für aufstrebende Talente frei machte. In Zusammenarbeit mit dem Talent-Programm der Modewoche wählte Ganni sieben aufstrebende dänische Künstler:innen und Designschaffende aus, die jeweils ein Werk im Rahmen der „Future, Talent, Fabrics“-Ausstellung des Modehauses präsentierten.

Vielversprechende Talente beweisen Sinn für Poesie und Drama

Unter den an der Ausstellung teilnehmenden Designer:innen befanden sich mit Nicklas Skovgaard und Alectra Rothschild gleich zwei der vielversprechendsten Talente der dänischen Modeszene. Beide wirkten jedoch nicht nur bei Ganni mit, sondern präsentierten ihre Visionen auch auf dem Kopenhagener Laufsteg. Es war ein Laufsteg-Debüt für Rothschilds gleichnamige Marke Alectra Rothschild/Masculina, an die man sich noch lange erinnern wird.

Die Central Saint Martins Absolventin, die unter anderem bereits mit Muglers Kreativdirektor Casey Cadwallader und dem Team von Alexander McQueen zusammenarbeitete, zeigte provokante Looks voller Y2K-Inspirationen. Das Aushängeschild der Kollektion waren drapierte Zero-Waste-Kleider, die sich an verschiedene Körperformen anpassten und von einem diversen, zum Großteil Transgender-Cast an Models, mühelos in Szene gesetzt wurden. Ihre eigene Transition und die damit einhergehende Erfahrung galt auch als Inspiration hinter der Kollektion, die den Namen “Rebirth Carry” trägt. „Dies ist eine Erzählung der Transformation, die viele Trans-Personen erleben, sobald der aktive Transitionsprozess begonnen hat“, so Rothschild.

Alectra Rothschild / Masculina Ready to Wear Fall/Winter 2024 Bild: ©Launchmetrics/Spotlight

Die heftige Reaktion des Internets auf John Gallianos jüngste Couture-Kollektion für Maison Margiela hat die Sehnsucht der Branche nach poetischem Design ebenso unterstrichen wie die Sehnsucht nach Theatralik in der Mode. Nicklas Skovgaards Kollektion, die eine weiche Corporate-Silhouette mit einem Gespür für Drama und die Zeit der Tudors vereint, könnte und sollte einen Raum füllen, den in den vergangenen Saisons nur Größen wie Galliano zu füllen gewagt haben. Während seine wallenden und wortwörtlich aufgeblasenen Stücke bereits für sich sprachen, unterstrich der Designer seine Darbietung mit einer Choreografie und 80er-Jahre-Beats. Die Models, die in vielerlei Hinsicht an Puppen erinnerten – eine weitere Parallele zu Gallianos mittlerweile berüchtigter Margiela-Präsentation –, mischten sich unter die Zuschauer:innen, posierten, tanzten und spielten mit verschiedenen Früchten, während sie das Publikum in ihren Bann zogen.

Nicklas Skovgaard Ready to Wear Fall/Winter 2024 Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Halb Performance, halb Modenschau beschreibt auch die Show von Paolina Russos am besten. Nachdem die beiden Designerinnen Paolina Russo und Lucile Guilmard in der vergangenen Saison ihre erste Show in Kopenhagen veranstaltet hatten, kehrten sie für Herbst/Winter 2024 gemeinsam mit dem Performance-Künstler Esben Weile Kjær in die dänische Hauptstadt zurück. Stonehenge galt als Inspiration für die, mit riesigen monolithischen Skulpturen verzierte Bühne, während Models in den für die Marke typischen Strickwaren umher tanzten. Runen, sowohl in Form von Mustern auf der Kleidung als auch in der Szenerie, zauberten eine folkloristische und zugleich zeitgenössische Atmosphäre und einen Hauch von Nomadentum auf den Laufsteg, der sich in der gesamten Kollektion widerspiegelte.

Paolina Russo Ready to Wear Fall/Winter 2024 Bild: ©Launchmetrics/Spotlight

Die drei jungen Marken brachten zwar eine Energie mit, die derjenigen der einst lebhaften Londoner Modeszene nicht unähnlich war, bilden aber in Kopenhagen eher die Ausnahme als die Regel. Hier regiert in vielerlei Hinsicht eher der Kommerz, allerdings beweist die dänische Hauptstadt auch, dass Kommerz kein Synonym für Monotonie ist. Das Kult-Label Saks Potts präsentierte eine kleine, aber feine Kollektion, die den Bogen zurück in die 2010er-Jahre spannte, vor allem zum Festival-Style von Model Kate Moss, während Rotate einmal mehr bewies, dass die nächste Party – und damit ein Grund, eine glänzende, durchsichtige Robe zu tragen – nur eine Einladung entfernt ist.

Saks Potts Ready to Wear Fall/Winter 2024 Bild: ©Launchmetrics/spotlight
Rotate Ready to Wear Fall/Winter 2024 Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Kopenhagen geht an die Arbeit

Feierlaune war allerdings nicht das vorherrschende Thema der Copenhagen Fashion Week, denn den meisten Designer:innen schien der Sinn nach Arbeit zu stehen. Viele der modischen Erzählungen in dieser Saison waren geschäftig, kommerzieller und letztlich etwas "unternehmerischer".

The Garment Bild: ©Launchmetrics/spotlight

Maßgeschneiderte Mäntel, Zweiteiler, steife Hemden und Krawatten – sowohl für Männer als auch für Frauen – waren in Hülle und Fülle zu sehen. The Garment kürzte die Ärmel und die Länge von Jacken und legte übergroße, spitze Hemdkragen über Strickwaren, während Mfpen die standardmäßige Bürokleidung eine Prise Grunge verpasste.

Mfpen Bild: ©Launchmetrics/Spotlight
Ausgangspunkt für die Kollektion der Designerin Caroline Engelgaar für ihre Marke Mark Kenly Domino Tans war die Pilotin Amelia Earhart, und obwohl einige stilistische Anspielungen auf die Welt der Luftfahrt, darunter Fliegerjacken, zu erkennen waren, ist es einfacher, sich die Kollektion im Konferenzraum vorzustellen als in der Luft. Die Schultern waren streng und maßgeschneidert, die Kragen steif und die Hosen weit, was einer ernst zu nehmenden Interpretation von "Power Dressing" entsprach, die in dieser Saison in Kopenhagen aufkam. Im Gegensatz zu einigen Modetrends der letzten Zeit lässt sich dieser Ansatz auch problemlos auf alle Altersgruppen übertragen – etwas, das sich die Designer:innen auf der CPHFW zu Herzen genommen zu haben schienen, indem sie Kleidung für verschiedene Altersgruppen präsentierten, die auf dem Laufsteg längst nicht mehr revolutionär sein sollte, es aber in vielerlei Hinsicht dennoch ist.
Copenhagen Fashion Week
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