Nun ist es offiziell: Nach elf Jahren verabschiedet sich Jonathan Anderson von Loewe. Der Designer, der das spanische Traditionshaus seit 2013 kreativ leitete, hat dessen Erbe mit visionärem Gespür modernisiert und neu definiert. Seine Amtszeit war geprägt von außergewöhnlichem künstlerischem Erfolg – aber auch von Kontroversen, insbesondere in den Anfangsjahren.
Ein Blick zurück auf eine dieser polarisierenden Phasen führt nach 2012 – ein Jahr vor Andersons Ankunft –, als Loewe noch unter der kreativen Leitung des Briten Stuart Vevers, stand, der das Amt von Juli 2007 bis Juni 2013 inne hatte. Damals sorgte eine Werbekampagne für die „Loewe Oro Collection“, inszeniert von Luis Venegas, für große Aufregung. Die Kampagne zeigte eine Gruppe junger spanischer „Talente“, die jedoch rasch in die Kritik gerieten. Viele von ihnen waren in Wahrheit Kinder oder Verwandte etablierter Künstler:innen – eine Besetzung, die Authentizitätsfragen aufwarf.
Noch stärker schlugen die Aussagen der Protagonist:innen Wellen. Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise, in der Spanien mit massiver Jugendarbeitslosigkeit kämpfte, wirkten Slogans wie „Es ist eine Qual, älter zu werden“ und „Jeder Kuss, den ich gebe, ist der erste“ wie aus einer weltfremden Parallelgesellschaft. Auch das etablierte, eher reifere Loewe-Publikum empfand die Kampagne als unpassend und distanzierte sich.
Warum dieses umstrittene Werbevideo heute noch einmal in Erinnerung rufen? Weil es ein Wendepunkt für Loewe war – und für den Mutterkonzern LVMH, der das spanische Modehaus seit 1996 besitzt. Die strategische Richtung wurde damals klar: Das Unternehmen wollte sich neu erfinden, seine Identität verjüngen und ein neues Publikum erschließen. Diese Strategie war für das Überleben und die Zukunft der Marke als Luxusreferenz unerlässlich, denn eine Marke, die es nicht schafft, ihre Zielgruppe kontinuierlich zu erneuern, steuert unweigerlich auf ihren Niedergang zu.
Dieses Prinzip hat bereits den Niedergang zahlreicher Modemarken, die einst angesagt waren, sich aber nicht an eine neue Kundschaft anpassen konnten, besiegelt. Loewe versuchte 2012 mit jener umstrittenen Kampagne, diesem Trend entgegenzuwirken. Rückblickend zeigt sich, dass Vevers’ starke Bindung an traditionelle Werte und Ästhetiken von Loewe letztlich nicht ausreichte, um das Unternehmen wirklich zu transformieren. Dies könnte der Grund gewesen sein, weshalb Coach den britischen Designer 2013 als neuen Kreativdirektor verpflichtete – noch während seiner Zeit bei Loewe. Sein Abschied öffnete die Tür für Jonathan Anderson, der als wohl einflussreichster Kreativchef der letzten 179 Jahre Loewe-Geschichte in die Annalen eingehen wird.
Loewe hörte auf, "Loewe" zu sein, um weiterhin "Loewe" zu bleiben
„Loewe ist nicht mehr Loewe“ – so lautete eine weit verbreitete, zunächst kritisch konnotierte Aussage nach Andersons Amtsantritt im September 2013. Die Ernennung des nordirischen Designers, eines Absolventen des London College of Fashion, der damals erst 29 Jahre alt war, zum neuen Kreativdirektor des in Madrid ansässigen Modehauses war Teil einer umfassenderen Strategie von LVMH. In diesem Zusammenhang wurde LVMH zum Hauptanteilseigner des britischen Designers und seines Labels JW Anderson.
Die Marke wurde von Anderson um 2008 zunächst als reine Herrenmodemarke gegründet. Ihm gelang es, die Unterstützung des französischen Luxuskonzerns für die zukünftige Entwicklung seines Labels zu sichern, während LVMH gleichzeitig in sein persönliches Modeprojekt investierte. Zudem bot das Unternehmen ihm die Möglichkeit, die kreative Leitung von Loewe zu übernehmen – in der Überzeugung, dass seine Sensibilität und seine kreative Vision genau das waren, was notwendig war, um die von Vevers eingeleitete Strategie der Erneuerung und Publikumserweiterung voranzutreiben.
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