KI in der Mode: Das Geflecht der Täuschung durchschneiden
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Unter großem Aufsehen hat der spanische Fast-Fashion-Riese Mango letzten Monat seine neue Werbekampagne „Mango Teen“ veröffentlicht. Auf den ersten Blick ähnelt die Werbung, die ein Model in einem farbenfrohen Oberteil vor einem wüstenartigen Hintergrund zeigt, einer Vielzahl anderer Sommerkampagnen, die sich an Mädchen im Teenageralter richten. Doch bei genauerem Hinsehen wird noch etwas anderes deutlich: All das ist nicht echt.
Die Mango-Kampagne wurde vollständig mit generativer Künstlicher Intelligenz (KI) in "enger Zusammenarbeit mit dem Design-, Kunst- und Styling-, Datensatz- und KI-Modelltraining- und Fotostudio erstellt“, heißt es in der Pressemitteilung. Doch während die Branche ihre bahnbrechende Innovation feiert, drohen eine Reihe von Klagen, Vorschriften und die Frustration der Verbraucher:innen, die KI in ihrem Lauf zu bremsen.
Dass Beschäftigte in der Modeindustrie unterbezahlt und schlecht behandelt werden, ist hinlänglich bekannt, doch der Einsatz generativer KI verschärft die Probleme. 2023 entdeckte das taiwanesisch-amerikanische Model Shereen Wu, dass ein bekannter Modedesigner, Michael Costello, für den sie gemodelt hatte, ein digital verändertes Laufstegfoto von ihr auf seine Instagram-Seite hochgeladen hatte. Das Problem? Man hatte das Bild von Wu so stark bearbeitet, dass sie als Weiße dargestellt wurde. Erschwerend kam hinzu, dass Wu auf die Bilder der Modenschau angewiesen war, um ihre Bekanntheit in der Branche zu steigern – sie war von dem Designer:innen nicht einmal bezahlt worden. Jetzt war sie nicht mehr wiederzuerkennen.
Kann man geistiges Eigentum schützen?
Rechtlich gesehen haben Models wie Wu in solchen Situationen nur wenige Möglichkeiten. Das Urheberrecht an einem Bild liegt in der Regel bei den Fotograf:innen, und folglich haben auch nur die Fotograf:innen Anspruch auf Rechtsmittel nach den Gesetzen zum Schutz des geistigen Eigentums, wenn das Werk ohne Genehmigung verändert wird. Die Models haben im Allgemeinen kein Mitspracherecht. Die Fotograf:innen haben auch die Kontrolle über den Verkauf der Bilder – sie entscheiden, ob die Fotos verkauft und anschließend in Datensätzen zum Trainieren und Reproduzieren von KI verwendet werden können.
Auf diese Weise kommen auch Modemarken ungestraft damit davon, das Abbild eines Models zu verwenden, um einen fast identischen „KI-Zwilling“ zu schaffen. Diese können dann für weitere Kampagnen und Werbemaßnahmen verwendet werden, ohne dass den Models eine zusätzliche Vergütung gezahlt wird, und oft auch ohne ihr Wissen. Abgesehen von dem offensichtlichen Problem, dass die KI den Models, die für ihr Einkommen traditionell auf solche Kampagnen angewiesen sind, Arbeit wegnimmt, wirft die Praxis der Replikation und Vervielfältigung des Bildes einer Person unangenehme ethische Fragen auf.
Es sind ethische Fragen, die im Mittelpunkt des wachsenden Unbehagens der Verbraucher:innen stehen, insbesondere wegen der mangelnden Klarheit darüber, wie KI in Design und Marketing eingesetzt wird. Die Modemarke Selkie, die sich selbst als „Slow Fashion“-Unternehmen vermarktet, geriet in diesem Jahr in den sozialen Medien in die Kritik, als bekannt wurde, dass sie KI zur Unterstützung bei der Gestaltung von Kollektionen einsetzt. Und da die Erstellung eines KI-Bildes so viel Energie verbraucht wie das Aufladen eines Smartphones, lässt sich dies nur schwer mit der Botschaft der Nachhaltigkeit vereinbaren.
Levi's sah sich einer ähnlichen Kritik ausgesetzt, als das Unternehmen im vergangenen Jahr Pläne für den Einsatz von KI ankündigte, um Models mit unterschiedlichen Körpertypen und Hautfarben zu erstellen. Die Kritiker:innen waren verärgert darüber, dass der Jeansriese, anstatt eine Gruppe von Models mit unterschiedlichen Hautfarben zu bezahlen, stattdessen künstliche Models kreierte. Andere wiesen darauf hin, dass der Zweck des Einsatzes von Fotomodellen darin besteht, zu sehen, wie Kleidung auf einem echten menschlichen Körper sitzt – etwas, das unmöglich zu erreichen ist, egal wie genau die Technologie zu sein behauptet.
Welche Auswirkungen hat die KI auf Designer:innen?
Auch Modedesigner:innen und Künstler:innen haben mit den Folgen der Umstellung auf generative KI in der Branche zu kämpfen. Klagen gegen die Modeeinzelhandelsplattform Shein machen die Frustration von Künstler:innen deutlich, die behaupten, dass ihre Arbeiten von geheimen Algorithmen kopiert und vervielfältigt werden, die zum Auslesen von Daten entwickelt wurden. Dies, so wird behauptet, hilft Shein, Trends zu erkennen und Kopien beliebter Designs zu erstellen.
Klagen wegen Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums sind in der Modebranche zwar nichts Neues, aber der Einsatz von KI zum Trainieren von Algorithmen und zur Reproduktion beliebter Designs hat ein ohnehin schon problematisches Thema für Designer:innen noch komplizierter gemacht.
Aufgrund der Geschwindigkeit, mit der sich die generative KI entwickelt hat, hatten die Rechtssysteme Mühe, mit den Fragen des geistigen Eigentums und den ethischen Problemen, die sich ergeben haben, Schritt zu halten. Doch endlich kommt Bewegung in die Sache, zumindest in Europa. Das europäische Gesetz über künstliche Intelligenz, das am 1. August in Kraft getreten ist, verpflichtet Marken, die in der EU tätig sind, KI-generierte Inhalte klar zu kennzeichnen, damit die Kunden wissen, dass KI eingesetzt wurde. Das Gesetz schreibt auch die Offenlegung von Trainingsdaten vor, die zur Entwicklung von KI-Systemen verwendet werden. Theoretisch wird dies Marken davon abhalten, urheberrechtlich geschützte Bilder und Designs ohne Zustimmung des Eigentümers zu verwenden.
Für Models bleibt die juristische Landschaft jedoch düster, und nur die Zeit wird zeigen, ob KI den Beruf auslöschen wird oder ob die Gegenreaktion der Verbraucher:innen und der Wunsch nach einer Verbindung zu etwas „Echtem“ triumphieren werden.
Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.com