Liberty-Einkäuferin: „Pastellfarben und neutrale Töne werden für HW23 relevanter”
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Seit seiner Eröffnung im Jahr 1875 ist Liberty im Londoner West End eine der ersten und renommiertesten Adressen für Mode und Luxusgüter aller Art. Das Kaufhaus im Tudor-Stil ist bekannt für seine enge Verbindung zu Kunst und Design sowie für sein hauseigenes Designstudio, in dem die für Liberty typische, eigene Stoffkollektion entworfen wird.
Um herauszufinden, wie das Kaufhaus sein reiches kulturelles Erbe mit Trends, Innovation und Nachhaltigkeit verbindet, hat FashionUnited mit Womenswear-Buying-Managerin Larissa Stange gesprochen. Außerdem verrät die Einkäuferin, wie sie am liebsten neue Marken entdeckt und was die Saison Herbst/Winter 2023 mit sich bringt.
Sie sind Womenswear-Buyer bei Liberty, wie hat sich die Abteilung in den letzten Saisons entwickelt?
In den letzten Jahren hat es viele Veränderungen gegeben – nach der Pandemie haben wir eine Kehrtwende in der Mode erlebt, von extrem leger zu farbenfroh, gewagt und schick. Wir haben eine große Nachfrage nach Anlassmode festgestellt, einige neue Marken lanciert und das Sortiment bestehender Marken entsprechend ausgeweitet. Wo das Reisen wieder in vollem Gange ist, haben wir im letzten Jahr auch Bade- und Freizeitkleidung eingeführt. Generell sehen wir Potenzial bei Casual- und Contemporary-Marken, die die Generation Z ansprechen, sowie bei Designer- und Advanced Contemporary-Marken – diese Bereiche sind also bei uns ebenfalls gewachsen.
Wie lassen Sie das reiche Erbe von Liberty in das Damenmode-Sortiment einfließen?
Wir denken immer zuerst an unsere Kundin, wenn wir das Erbe von Liberty in unsere Order einfließen lassen. Sie hat einen sehr anspruchsvollen Geschmack und kommt zu uns, weil sie einen einzigartigen Look sucht, der trendrelevant ist, aber eine konsistente Richtung hat. Wir setzen in der Regel auf ausgefallenere Stücke, besonders wenn es um Drucke, Farben und Texturen geht.
Liberty ist ein Synonym für Neugier und Entdecken, deshalb legen wir auch großen Wert auf junge und exklusive Marken.
Welche Styles haben 2022 gut funktioniert?
Wir konnten einen großen Erfolg bei Kleidern verzeichnen – Sommer- und Anlassmodelle waren am beliebtesten, mit einem Höhepunkt der Nachfrage im Mai. Auch bei Denim haben wir wieder einen enormen Aufschwung erlebt; weite Passformen sind hier entscheidend. Outerwear ist für uns immer eine starke Kategorie, die Kundin kauft in diesem Bereich eher klassische Marken und Schnitte.
Inflationssorgen, der Krieg in der Ukraine und die Folgen der Pandemie haben die Modeindustrie erschüttert. Haben Sie einen Stimmungsumschwung der Verbraucher:innen in Bezug auf Luxus festgestellt?
Wir haben keinen Rückgang der Nachfrage nach Mode festgestellt, aber es gibt sicherlich einen Trend zum Minimalismus und klassischeren Stücken in den Kollektionen dieser und der nächsten Saison. Modetrends spiegeln in der Regel das aktuelle gesellschaftliche Klima wider. Während wir in den letzten Saisons viel Abendmode und Glitzer und Glamour gesehen haben, erwarte ich, dass die Kund:innen Post-Covid nach eher dezenteren Stücken suchen werden.
Wie entdecken Sie am liebsten neue Trends und Marken?
Ich nutze verschiedene Quellen, um mich über Trends und neue Marken zu informieren – Soziale Medien, Runway-Shows, Lookbooks, Fashion-News und ähnliches, aber am liebsten entdecke ich Kollektionen in Showrooms. Es gibt nichts Besseres, als eine starke Kollektion in der Realität zu sehen, die Schnittführung zu begutachten und ein Gefühl für das Material zu bekommen.
Worauf achten Sie bei einer Marke, damit sie bei Liberty ins Sortiment aufgenommen wird?
Eine Mischung aus Trendrelevanz, wie gut die Marke die Liberty-Kundin anspricht, und ob sie eine Lücke in unserem Sortiment füllt. Der Platz bei Liberty ist im Vergleich zu einigen unserer Konkurrenten sehr viel begrenzter. Wir wollen zwar jede Saison neue Marken einführen, aber wir achten immer darauf, dass diese ein Alleinstellungsmerkmal besitzen.
Welche Marken oder Designer:innen möchten Sie 2023 einführen?
Wir haben einige aufregende Launches geplant: Aufgrund der großen Nachfrage werden wir Rick Owens, JW Anderson und Cecilie Bahnsen auf unserer Designer-Etage und Hunza G und Alemais auf der Contemporary-Etage einführen. Alle werden im Frühjahr ausgeliefert. Der Rest des Jahres ist noch in Planung, aber wir möchten auch ein bis zwei weniger etablierte Marken hinzufügen.
Wir werden auch die Ready-to-Wear-Eigenmarke von Liberty ausbauen und ein breiteres Angebot an Kleidern, Blusen und Resort-Modellen einführen. Und zu guter Letzt freuen wir uns darauf, im Frühjahr den Bereich Bridal mit einer Reihe bestehender zeitgenössischer Marken und mit einem Schwerpunkt auf standesamtlichen Trauungen und Zweitkleidern einzuführen.
Nachhaltigkeit ist in der Mode ein zentrales Thema geworden. Wie wird bei Liberty umweltfreundliches und faires Design gefördert?
Eine unserer wichtigsten Maßnahmen ist es, Overstocking zu vermeiden. Wir neigen dazu, sehr nachfrageorientiert einzukaufen, um sicherzustellen, dass wir am Ende jeder Saison so wenig wie möglich auf Lager haben.
Was das Sortiment anbelangt, so haben wir eine große Designer-Vintage-Abteilung, für die wir bekannt sind. Wir achten immer darauf, dass wir eine gute Auswahl an nachhaltig orientierten Marken haben, die von Jahr zu Jahr wächst. Es ist ein sehr komplexes Thema, das auf viele Arten angegangen werden kann, aber zu den Marken, die sich bemühen, die Probleme anzugehen, gehören zum Beispiel Aje, The Meaning Well oder Citizens of Humanity.
Wie sieht es mit der Liberty-Eigenmarke aus?
Was unsere eigenen Liberty-Stoffe betrifft, die von Marken auf der ganzen Welt verwendet werden, sowie unsere eigene Marke Liberty London, so nehmen wir unsere Verpflichtung zu einer verantwortungsvollen Produktion ernst. Wir setzen uns intensiv dafür ein, Gemeinschaften, in denen Baumwolle angebaut wird, zu unterstützen und gleichzeitig die Umwelt zu schützen und zu regenerieren, unter anderem durch die Better Cotton Initiative.
Auf welche Trendthemen setzen Sie für Herbst/Winter 2023?
Für Pre-Fall zeichnet sich definitiv ein „Summer Glam“-Trend ab – viel Satin, Pailletten und andere luxuriöse Stoffe für Kleider, Sets und Tailoring, die sich perfekt für sommerliche Anlässe eignen.
Generell sind Essentials mit Twist und gehobene Kleidungsstücke der Schwerpunkt der nächsten Saison – oversized Shirts, bodenlange, maßgeschneiderte Mäntel, Etuikleider und Hosen mit weitem Bein. Die Farbpalette wird deutlich softer: Nachdem einige Saisons lang kräftige und satte Farben die Trends dominiert haben, werden Pastellfarben und neutrale Töne für Herbst-Winter 2023 relevanter.
Was sind die wichtigsten Materialien für die kommende Saison?
Denim, Denim, Denim! Ein wichtiges Thema, von dem ich erwarte, dass es von verschiedenen Marken in allen Preisklassen aufgegriffen wird. Ich rechne mit mehr Head-to-Toe-Looks, Y2K-Inspirationen und Patchwork-Styles.
Bei den Prints werden in der nächsten Saison verwischte, von Aquarellen inspirierte Prints, Wildblumendrucke und großflächige Platzdrucke – oft in Edelsteinfarben – im Vordergrund stehen.
Trendprognosen zufolge werden die Themen Outdoor und Utility immer wichtiger. Beobachten Sie das auch?
Outdoor ist kein Trend, auf den wir besonders setzen, aber wir bemerken definitiv Einflüsse in den Kollektionen – für die nächste Saison sehen wir eine ganze Reihe von Waldgrün-, Braun- und Beigetönen. Utility ist definitiv etwas, das wir sehr häufig beobachten, vor allem in Form von Cargos und Utility-Shirts.
Was sind Ihre Must-haves für HW23?
Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten, da die Key-Items von den wichtigsten Laufstegshows bestimmt werden, aber meine persönlichen Must-Haves sind ein Maxi-Jeansrock und ein Oversized-Shirt.
Dieses Interview wurde in schriftlicher Form geführt.