Polette-CEO über digitale Showrooms und die Expansion nach Deutschland
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„Die Herstellung einer Brille kostet weniger als 10 Euro pro Paar. Warum also 500 Euro bezahlen?“ Das ist das erste, was man sieht, wenn man die Website der niederländischen Brillenmarke Polette öffnet.
Das Unternehmen wurde vor zehn Jahren von Pauline Cousseau und Pierre Wizman gegründet, zwei französischen Expats in China, die schockiert waren, als sie sahen, wie billig Brillen dort waren, und wo viele der größten Marken der Branche ihre Gestelle herstellen.
Im Gegensatz zu traditionellen Optikern, deren physische Läden ähnlich wie die von Modehändlern bestückt sind, verwendet Polette ein Direct-to-Consumer-Modell, bei dem die Kunden online kaufen und die Brille direkt von der Fabrik nach Hause geschickt wird. Dadurch, dass alle Zwischenhändler zwischen Hersteller und Kunden wegfallen, kann das Unternehmen seinen Preis niedrig halten: Eine Brille kostet ab 15 Euro.
Das in den Niederlanden ansässige Unternehmen startete ursprünglich als Webshop, hat aber inzwischen mehrere Showrooms in europäischen Großstädten eröffnet, darunter London, Paris, Amsterdam und Brüssel. Dort können Kunden kostenlose Sehtests erhalten und Brillengestelle begutachten. Das Unternehmen hat außerdem drei neue Städte ausgewählt, in denen es in naher Zukunft Showrooms eröffnen will.
FashionUnited sprach mit Pauline Cousseau, Mitgründerin und Co-CEO von Polette, über die Online-First-Strategie des Unternehmens, die Expansion in neue Märkte inmitten der Pandemie und die Einführung der ersten nachhaltigen Kollektionen.
Können Sie ein wenig über die aktuelle Expansion von Polette erzählen?
Wir sind im September in Spanien mit einer Website gestartet und bereiten uns jetzt darauf vor, in den kommenden Monaten Websites in Deutschland und Italien zu starten. Dann planen wir, unsere vernetzten digitalen Showrooms in Madrid, Mailand und Berlin zu eröffnen.
Wissen Sie, wann diese Showrooms eröffnet werden?
Es ist noch zu früh, das zu sagen, weil die Situation mit Covid sehr kompliziert war. Wir haben kein klares Datum, weil wir nicht wissen, wann die Leute wieder ein normales Leben haben können.
Wie war die Resonanz auf den Start der spanischen Seite?
Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden. Wir sind in Spanien nicht so bekannt - der Markt war nicht sehr groß für uns, aber seit dem Launch der Website dort haben wir gesehen, dass viele unsere Produkte und unsere Marke wirklich mögen.
Der spanische Markt ist nicht einfach: Spanier kaufen weniger online im Vergleich zu anderen Märkten und man kann in Spanien einige Brillen zu sehr günstigen Preisen finden. Deshalb bin ich sehr glücklich über diese ersten Ergebnisse.
Das ist eine ziemlich aggressive Expansionsstrategie zu einer Zeit, in der viele Marken etwas zurückhaltender sind. Was ist die Strategie dahinter?
Die Strategie war ganz einfach: In jeder Krise kann man eine Chance finden. Wir hatten schon immer dieses Geschäftsmodell, komplett online zu verkaufen, direkt von der Fabrik an die Kunden. Also sahen wir in der Pandemie eine gute Wachstumschance für uns, da die Leute nicht mehr wirklich nach draußen gehen können, um einzukaufen.
In diesen Zeiten der Krise, des Zweifels und der Angst ist es das Schlimmste, wenn man sich nicht bewegt. Man muss in Bewegung bleiben, Gelegenheiten wahrnehmen und investieren. Deshalb sind wir sehr dynamisch und aktiv und halten Ausschau nach neuen Möglichkeiten.
Und ein Teil dieser Strategie ist die Eröffnung neuer Showrooms?
Ja. Viele Unternehmen wie Ace & Tate und Jimmy Fairly haben online angefangen und sind dann in den Einzelhandel gegangen. Wir waren und werden immer ein Online-Unternehmen sein. Was ich damit meine, ist, dass wir nicht über stationäre Läden verkaufen - wir haben Showrooms, in die Besucher kommen können, und dann kaufen sie trotzdem online.
Ich glaube, dass die Zukunft online liegt, aber ich glaube auch, dass die Menschen in der Zukunft Zugang zu Orten wie schönen Showrooms haben müssen, in denen sie das Produkt und die Marke erleben können. Deshalb liegt unser Fokus darauf, Showrooms in ganz Europa zu eröffnen und in jeder großen Stadt Flaggschiffe zu haben.
Wie hat sich die Pandemie auf Ihre Showrooms ausgewirkt?
Voriges Jahr haben wir unsere Ausstellungsräume in jedem Land für drei Monate geschlossen, aber kürzlich hat jede europäische Regierung gesagt, dass Optiker eine wesentliche Dienstleistung sind, also konnten wir wieder öffnen. Wir haben maximal fünf bis acht Leute gleichzeitig in den Showrooms.
Wie Sie sich vorstellen können, sind diese Orte nicht wie sonst, was traurig zu sehen ist. Viele von ihnen wurden während der Lockdowns wirklich hart getroffen, aber wir haben Showrooms in sehr trendigen Lagen gewählt und wir haben dort treue Besucher. Also sehen wir schon jetzt Kunden, die vor unseren Showrooms Schlange stehen, um wieder das Polette-Erlebnis zu bekommen.
Sie haben Ihren Londoner Showroom jetzt vor fast genau einem Jahr eröffnet. Wie ist es seither in Großbritannien gelaufen?
Ich kann nicht auf die Zahlen einzelner Märkte eingehen, aber wir sind mit unserer Leistung in Großbritannien zufrieden. Viele Leute aus der Branche haben uns immer gesagt, dass das Geschäft in London und Großbritannien entweder richtig gut läuft oder scheitert - es gibt keinen Mittelweg. Als wir unseren Laden in der Oxford Street eröffneten, war die Veranstaltung überfüllt. Wir hatten auch eine Menge Influencer, die mit uns zusammenarbeiteten. Wir hatten wirklich einen tollen Start.
Ein paar Wochen später kam dann der erste Lockdown, also ging die Aktivität runter. Es ist frustrierend, weil wir das Gefühl haben, verloren zu haben, was wir vor einem Jahr bereits aufgebaut hatten. Aber es ist immer noch ein sehr guter Markt und die Leute dort mögen unsere Marke und die Preise.
Und wie geht es Ihren größten Märkten Frankreich und Belgien?
Beide Märkte sind sehr gut gelaufen. Die Leute dort schätzen uns und lieben die Marke und wir sehen ein stetiges Wachstum, also keine Beschwerden.
Und Ihr Heimatmarkt, die Niederlande?
Die Niederlande sind ein großartiger Ort, um eine Marke zu entwickeln. Unser erster Showroom wurde 2016 eröffnet und wir haben festgestellt, dass die Besucher Schlange stehen und viel mehr Niederländer unsere Marke kennen. Die Niederländer lieben erschwingliche Produkte, aber sie müssen auch auf die Qualität und den Service vertrauen können, womit wir sie überzeugen konnten.
Im November 2020 haben Sie Ihre erste nachhaltige Kollektion aus Öko-Acetat auf den Markt gebracht. Können Sie mir ein wenig darüber erzählen?
Wir haben letztes Jahr unsere Öko-Acetat-Brillen auf den Markt gebracht, die zu 61 Prozent biobasiert sind. Sie werden aus Pflanzensamen hergestellt und enthalten weniger als ein Prozent DEP [Anm. d. Red.: Diethylphthalat]. Die Rahmen können bereits nach 150 Tagen zu 60 Prozent biologisch abgebut werden. Wir arbeiten derzeit daran, sie zu 100 Prozent biologisch abbaubar zu machen.
Wir haben auch eine Recycling-Kollektion auf den Markt gebracht, die aus den Verschnitten und Resten von Acetat hergestellt wurde. Ich bin sehr stolz auf diese Kollektion, weil wir wirklich kämpfen mussten, um dieses nachhaltige Produkt mit Hilfe unserer Produzenten und Fabriken zu kreieren. Ich bin sehr stolz auf das Team, das für dieses Projekt verantwortlich ist, und auf ihre Leistung.
Wir sind die erste Marke, die das gemacht hat und wir hatten keine großen Investoren im Rücken, aber wir haben es geschafft. Darauf bin ich sehr stolz.
Haben Sie weitere Nachhaltigkeitsziele für die Zukunft?
Wir wollen bis zum nächsten Jahr komplett nachhaltig sein. Das bedeutet nicht nur unsere Rahmen, sondern auch unser Zubehör, die Verpackung, alles. Ich denke, Nachhaltigkeit ist im Moment einer der stärksten Werte unseres Unternehmens.
Was planen Sie für die nächsten Jahre?
Wir wollen der Marktführer in der Brillenindustrie sein. Wir haben große Expansionspläne in der Zukunft. Im Moment konzentrieren wir uns stark auf Innovationen. Wir haben zum Beispiel bereits eine App mit einer virtuellen Anprobefunktion für die Rahmen. Wir wollen die Funktionen weiterentwickeln, damit wir ein funktionierendes System haben, das es den Besuchern und Kunden ermöglicht, völlig unabhängig auf der Website navigieren und Zugang zu allen Informationen erhalten zu können, die sie benötigen, und dann zu kaufen. Kunden haben die Tendenz, sich und ihre Art des Konsums zu ändern, deshalb wollen wir unser Angebot ständig verbessern.
Wenn Sie auf zehn Jahre Polette zurückblicken, gibt es da besondere Highlights?
Die Eröffnung eines Showrooms in Paris war für mich sehr emotional. Ich bin Französin und einen Showroom an dem Ort zu haben, den ich als kleines Mädchen mit großen funkelnden Augen betrachtete, war eine Riesensache für mich. In London war es dasselbe. Ich konnte nicht glauben, dass ein französisches Mädchen vom Lande einen Showroom in der Oxford Street eröffnet hatte. Meine Familie und Freunde bei der Eröffnung zu sehen, das war ein sehr stolzer Moment.
Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ
Headerbild: Polette