Purismus im Börsensaal: René Storck eröffnet Frankfurt Fashion Week
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Die Frankfurter Fashion Week begann am Sonntagabend – eröffnet durch Réne Storcks Resort-Kollektion 2023, die in der Frankfurter Börse gezeigt wurde.
Der gebürtige Frankfurter gründete 2003 sein gleichnamiges Label. Handwerklich mit einer Schneiderlehre gerüstet, begann der Designer seine Visionen nach und nach umsetzen. Es ging immer um “höchste Qualität und nur in Deutschland zu verarbeiten und zu produzieren”, sagt der Designer als er auf seinen Werdegang zurück blickt. Lange werden die Fäden abseits der Öffentlichkeit gezogen, die Maßanfertigungen entstehen im Atelier des Designers. Einige Jahre später folgt der Einstieg in die Frankfurter Modeszene: Storck eröffnet seinen erstes und einziges Flaggschiff – nur zwei Türen von dem Atelier entfernt.
Die letzte Show des Designers fand vor dreieinhalb Jahren statt. „Für uns war klar: mit unseren kleinen Strukturen hätte der Aufwand unter Corona-Bedingungen zu präsentieren einfach zu viel Kraft und Energie genommen, um uns auf das Kreative zu konzentrieren.” Storck sieht dennoch Positives in der Zwangspause, denn die letzten zwei Jahre haben es dem Designer und seinem Team ermöglicht, in die Tiefe zu gehen und zu recherchieren. „Wir konnten Dinge überdenken und auch mal liegen lassen – das wird man sicher heute Abend sehen”, sagt Storck kurz vor der Show gegenüber FashionUnited. „Ich freue mich heute Abend zu zeigen, wo wir stehen – auch inhaltlich”.
Ein Zusammenkommen von Wirtschaft, Politik und Mode
In der Mainmetropole ist es heiß am Sonntagabend, das sandsteinfarbene Gebäude der Börse flimmert in der Hitze, Gäste warten in dem Bogengang davor. Backstage ist es ruhig – in einem großem Saal mit hohen Decken und Kristallglas-Leuchten werden die letzten Vorkehrungen getroffen. Zwischen den Models, Make-up-Tischen und silbernen Kleiderstangen steht Storck in einem weißen Hemd, schwarzer Hose und ledernen Loafers.
Der Designer erzählt FashionUnited von der Bedeutsamkeit der Kulisse: „Ich kämpfe schon lange dafür zu vermitteln, dass Kreativität und Modedesign echte Wirtschaftsfaktoren sind und dass starke Designer mit starken Visionen eine große Bereicherung für die Wirtschaft sind.”
Die Börse als Sinnbild für den globalen Handel mit der emotionalen Energie eines Defilees aufzuladen, soll verdeutlichen, dass Mode ein starkes wirtschaftliches Potential hat, das in Deutschland noch nicht genügend wahrgenommen wird und das es zu fördern gilt. Durch die Show in der Börse zeigen Storck und der Fashion Council Germany, bei dem Storck Mitglied ist und durch den die Show ermöglicht wurde, was möglich ist, wenn sich Branchen verbinden. Frankfurts Rolle ist dabei klar: die Stadt beherbergt “ein sehr mode-aktives, international informiertes und visuell geschultes Publikum, das mit hohem Anspruch an ihren Garderoben arbeitet. Das macht Frankfurt besonders”, so Storck.
Trotz seiner starken Vision, arbeitet der Designer ohne Leitmotive. „Es ist eine reine Vision – ein visueller Gedanke”, sagt Storck. Seine Vision orientiert sich dabei an der Bedeutsamkeit der Kulisse und an der Symbolkraft der Verbindung von Wirtschaft und Mode – Musik, Kleidung und Atmosphäre zeichnet sich vor seinem inneren Auge ab. Auch bei dieser Kollektion bleibt Storck seinem Ansatz treu: Konzentration auf harmonische Proportionen, hochwertige Materialien, anspruchsvolle Schnitttechnik.
Die Show wurde von einem kleinen Team aus Spezialisten ermöglicht: Schuhmacher, Täschner, Schneidereien, die auf bestimmte Qualitäten spezialisiert sind. Storck selbst ist am meisten in der Schnittentwicklung involviert – für ihn ist die Entwicklung an der Schneiderpuppe “die unmittelbare Kreation”.
Minimalistische Opulenz
Der Handelssaal der Börse füllt sich. Das walnussfarbene Parkett steht im Gegensatz zu den schwarzen Rechnern, die dicht an dicht in Halbkreisen aufgestellt sind. Im Hintergrund: Anzeigetafeln mit Aktienkursen und Wertpapierinformation. An den schwarzvertäfelten Wänden hängen weiße Röhren, die den Saal in ein gleißendes Neonlicht tauchen. Es ist taghell. Aus den Lautsprechern strömt ein Rauschen, dann ertönt ‘Cornfield Chase’ von Hans Zimmer, bekannt aus dem Film Interstellar. Die ersten Models erscheinen. Sie gehen langsam, mit schleppenden Schritten. Stumm, etwas ferngesteuert. Nur ihre Ledersandalen machen Geräusche auf dem Parkett.
Das Sinnbild der Börse spiegelt sich deutlich in den 30 Looks der Kollektion wieder: klare Linien, fließende Silhouetten und eine kühle Eleganz. Die Schnitte wirken kalkuliert und kontrolliert – ähnlich der Wertpapiere, die hier tagein tagaus gehandelt werden. Die Silhouetten sind geradlinig, aber dennoch körperumspielend, die Formen sind würdevoll. Eine leichte Opulenz schwingt in den minimalistischen Designs mit. Die Farben sind gedeckt, die Looks tonal zusammengestellt. Weiß mit Creme, Schwarz mit dunklem Grau, ein paar Mal sind olivfarbene und marineblaue Stücke untergemischt.
Hosen und lange Röcke aus Webstoff und Leder werden mit Oberteilen aus Kaschmir kombiniert, weiße Hemdkragen blitzen unter dunklen Mänteln hervor. Die Formalität klassischer Stoffhosen bricht mit dem funktionalen Charakter von beschichteten Jacken, ausgestellte Röcke harmonisieren mit dem Purismus durchgeknöpfter Hemden.
Sparsam aber umso sorgfältiger eingesetzte Accessoires runden die Looks ab – Brieftaschen, die in der Hand gehalten werden oder um die Hüfte geschlungen sind, unterstreichen den Business-Look, einige Models tragen rechteckige Umhängetaschen. Ein schwarzes Hemd wirkt, als sei ein Schlips in das Revers integriert worden – stilistische Andeutung nimmt bei Storck neue Formen an.
Einige Looks zeigen Kleider, die sich für eine Abendgarderobe mit Understatement eignen. „Die haben wir in dieser Form noch nie gezeigt – es ist das erste Mal, dass wir solche Couture-inspirierten Kleider zeigen”, sagt Storck kurz vor der Show.
Nachdem das letzte Model hinter den weißen Türen verschwunden ist, macht Storck seine Runde. Der Applaus nimmt ab, die Musik vertönt. Doch für Storck geht es weiter: die Pre-Order ist eröffnet. Im November kommen die Looks in das Frankfurter Geschäft, nur wenige hundert Meter von der Börse entfernt. Ab Oktober wird die Kollektion im Onlineshop, der derzeit noch in Vorbereitung ist, und bei ausgewählten Handelspartnern erhältlich sein.