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„Back to the Roots“ mit Working Title - das nachhaltige und plastikfreie Label

Von Barbara Russ

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Mode |INTERVIEW

Die Macher des High-Fashion-Labels Working Title haben schon einige Zeit vor den jüngsten Aufrufen, die Modeindustrie neu zu gestalten, ihre Konsequenzen aus den Unzulänglichkeiten des Systems gezogen. Antonia Goy (AG) und Björn Kubeja (BK) leiteten zusammen das Label Antonia Goy — 2018 zogen die beiden ihr Fazit aus ihren Erfahrungen und begannen, ihr Geschäftsmodell radikal umzustellen. FashionUnited sprach mit den beiden über die Initiative #rewiringfashion, die Probleme der Modebranche und das nachhaltige und plastikfreie Konzept von Working Title mit Made-to-Order.

1. #Rewiringfashion

BK: Wir finden es toll, dass sich so viele Akteure hinter #rewiringfashion stellen und hoffen, dass möglichst viel davon umgesetzt wird. Wir fühlen uns ein bisschen wie der Kanarienvogel in der Kohlegrube, weil wir schon früher als „die Großen“ festgestellt haben, dass es so nicht weitergehen kann. Das war für uns ein großes Glück. Wir haben unsere Schlüsse aus den Problemen der Branche gezogen und sind jetzt vielleicht schon ein Stück weiter als die Branche. Working title basiert von Anfang auf den Werten Design, Sustainability und Diversity und natürlich das der Kunde ein persönliches Erlebnis hat und auch langfristig zufrieden ist.

Über die Initiative #Rewiringfashion

    Die Probleme des Modesystems lagen schon lange auf der Hand. In der aktuellen Situation aber werden sie unausweichlich. Führende Akteure der Branche haben sich nun mit dem Hashtag #Rewiringfashion für einige grundlegende Änderungen der Modeindustrie stark gemacht.

    „Zu den praktischen Problemen, mit denen wir konfrontiert sind, gehören (1) ein Modekalender, der nicht mit dem Endkunden synchronisiert ist, der für die Branchenfachleute unhaltbar und für den Verkauf schädlich ist; (2) ein Modenschauformat, das veraltet ist; und (3) eine Sucht nach Rabatten, die die Käufer dazu bringt, immer wieder mit Abschlägen zu rechnen, was die Rentabilität und den Markenwert für alle entlang der Wertschöpfungskette untergräbt,“, hieß es von den 64 Initiatoren des Aufrufs. Mittlerweile haben sich fast 2.000 weitere Unterzeichner angeschlossen.

2. Überproduktion

AG: Wir wollten keine Überproduktion mehr, deshalb setzen wir bei Working Title auf Made-to-Order. Es ist eine Art „Back to the Roots“ — so wie früher Kleidung gefertigt wurde. Wir bieten private Pre-Order Events für unsere KundInnen und zeigen ihnen die Kollektion als Musterkollektion, wählt sie ein Stück aus, fertigen wir es in ihrer Größe an.

BK: Der Preis, den man auf seine Produkte schreibt, ist in den letzten Jahren immer höher geworden. Das lag daran, dass man diese ganzen Rabatte, die im Handel üblich sind, mit einkalkulieren musste. Wie viele Teile werden zum halben Preis verkauft, wie viele gar nicht? Diese Kosten müssen irgendwie reingeholt werden. Klar muss auch der Einzelhändler an den Verkäufen verdienen, er muss seine laufenden Kosten finanzieren. Wenn deine Kollektion das nicht schafft, wird er sie in Zukunft nicht mehr ordern. Und wir wollen logischerweise auch nicht mit Null rausgehen oder draufzahlen. Also ist unsere Lösung: Keine Überproduktion, keine Rabatte. Ein fairer, fester Preis von Anfang an.

3. Saisons, Rabatte

BK:#Rewiringfashion fordert ja, dass die Modenschau zeitgleich mit dem Verkaufsstart im Laden stattfinden soll. Ich denke, dass ist eine geniale Idee, weil der Endkunde die Schauen über die sozialen Medien natürlich mitbekommt. Mit dem momentanen Rhythmus sind die Kollektionen quasi schon veraltet, wenn sie in die Läden kommen.

Teilweise haben selbst Einkäufer keinen Überblick mehr, welche Saison sie gerade kaufen. Wie soll da der Kunde den Durchblick behalten? Wenn die Saisons so unübersichtlich für die Kunden sind, ist es auch logisch, dass sie kein Problem damit haben, die Ware aus der letzten Saison zum halben Preis zu kaufen. Das Teil ist genauso schön und eben schon um die Hälfte reduziert. Deshalb haben wir beschlossen, dass der Preis von vornherein niedriger sein kann, wenn man keine Rabatte einplant - beziehungsweise erst dann, wenn wirklich nur noch Reststücke übrig sind. Und das geht unserer Meinung nach nur dann, wenn man keine Überproduktion hat.

AG: Wir haben keine Lust mehr, die Preise nach kürzester Zeit im Einzelhandel um 50 Prozent reduziert zu sehen. Wir setzen daher auf eine intersaisonale ‚Wardrobing‘-Strategie. Die Kunden kaufen weniger Teile, dafür aber mit einer längeren Lebensdauer und sie kommen in jeder Saison wieder, weil sie wissen, sie bekommen ein neues Teil, das zu dem passt, was sie schon haben. In dieser Saison vielleicht eine Bluse, in der nächsten eine Hose und dann ein Mantel, und alles passt zueinander und perfekt zu ihrem Körper. Und die Kunden fühlen sich auch nicht vor den Kopf gestoßen, weil das, was sie gekauft haben kurze Zeit später um die Hälfte reduziert ist. Damit erreicht man bestimmt nicht jeden, aber das muss auch gar nicht sein.

4. Fast vs. Slow Fashion

BK: Machen wir es den Fast Fashion Ketten als Branche doch nicht ganz so einfach. Wenn der Zeitunterschied zwischen Show und Auslieferung nicht so lange wäre, hätten die Fast Fashion-Ketten nicht so viel Zeit, die gezeigten Designs zu kopieren. Die Fast Fashion könnte nicht so billig sein, wenn sie diesen Designprozess selbst bezahlen müsste. So könnte die High- und Premium Fashion es auch vermeiden, sich von der Fast Fashion derartig treiben zu lassen.

AG: Mit unserer Made-to-Order-Strategie haben wir gute Erfahrungen gemacht. Natürlich dauert es länger, bis die Kundin das Stück bekommt. Trotzdem ist unser Feedback bisher super und die Kundinnen freuen sich, wenn das bestellte Teil bei ihnen ankommt. Wir suchen noch nach einer technologischen Lösung, die eine echte Individualisierung zum fairen Preis in kürzerer Zeit möglich macht. Daran arbeiten wir gerade und sind im Gespräch mit verschiedenen Anbietern.

Händler: Profil zeigen

AG: Man erreicht nichts Neues, wenn man nichts Neues ausprobiert. Ich würde mir wünschen, dass die Händler Nischenprodukten zukünftig öfter eine Plattform geben. Man kann zum Beispiel über Kooperationen nachdenken, zusammen mit Designern kreative Lösungen finden, die profitabel für beide Seiten sind. Klar braucht man ein paar große Marken als Zugpferde, aber die Kunden wollen auch mit Neuem überrascht werden. Wir sehen hier großes Potential für beide Seiten und würden uns über einen offenen Austausch freuen.

BK: Die Innenstädte sind zu großen Teilen leider austauschbar geworden. Ich würde mir von Händlern wünschen, nicht den einfachen Weg einzuschlagen und das gesamte Risiko auf die Marken abzuwälzen. Der Designer macht sich Gedanken über Designs, über Nachhaltigkeit, richtet Schauen aus, macht PR und am Ende zählt für den Händler nur der Preis, das ist schade.

Auch für den Handel kann eine Bereinigung der Saisons und Schauen viel bringen. Wenn die Einkäufer nicht ständig auf Reisen sind, können sie sich viel besser auf den Verkauf konzentrieren - gerade bei kleineren Läden, wo der Händler selbst auf der Fläche steht.

Shopping Experience

BK: Das Ziel von uns allen ist es doch, dass der Endkunde das beste Shoppingerlebnis hat. Der Kunde soll sich wohlfühlen. Also müssen wir als Designer und als Händler überlegen, was die KundInnen wirklich wollen. Wir fragen uns: Wie gestaltet man in Zukunft Kollektionen? Es geht darum, Aktualität und Langlebigkeit zusammenzubringen. Die Kundin will mit neuen Designs immer wieder neu getriggert werden, aber gleichzeitig nicht das Gefühl haben, dass Teile schnell wieder ‚dated‘ sind.

AG: Wir müssen uns alle gegenseitig helfen, damit der Endkunde am Ende das beste Einkaufserlebnis hat.

Bilder: Working Title Website

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