Schmeiß die Formalwear aus dem Fenster: Der Office Punk regiert die Arbeitswelt
Wird geladen...
Über die Ankunft der Generation Z in der Arbeitswelt wird seit Jahren teils heftig diskutiert. Während sich die meisten Forscher:innen und Studien bis dato dem Arbeitsethos der willensstarken Generation widmeten, wurde deren modischen Affinitäten fürs Büro bislang nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Und dabei ist es kaum vorstellbar, dass die überaus ausdrucksstarke Generation, die mit klassischen Unternehmensstrukturen und Konformität bricht, dies nicht auch optisch zum Ausdruck bringen wird.
Insbesondere in den Sozialen Medien, in denen bereits das “Quiet Quitting”, also die Idee, als Arbeitende nicht über das eigene Limit hinauszugehen, angepriesen wird und TikTok-Videos mit umgewandelter Unternehemnssprache wie “Bitte zögern Sie mich zu kontaktieren” täglich viral gehen, erspähen die Expert:innen des Trendforschungsinstituts Fashion Snoops derzeit einen modischen Wandel und prophezeien einen neuen, für das Büro (un)geeigenten Microtrend, den Office Punk.
Gen Z bricht mit Berufsbekleidung und erfindet sie neu
Noch hat der Office-Punk-Trend, wie er von den Trendforscher:innen bei Fashion Snoops getauft wurde, keinen offiziellen ‘Internet-Namen’ und daher auch noch keinen entsprechenden Hashtag in den Sozialen Medien. Doch genau dort wird der Stil bereits propagiert. Auch wenn der Trend auf den Laufstegen geboren wurde, die junge Generation – getrieben von den weitreichenden und scheinbar unaufhörsamen ökologischen, ökonomischen und sozialen Krisen dieser Welt, – die den Trend aufblühen lassen.
„Die Generation Z steht unter dem Einfluss der 'Poly Krise', die eine Haltung der kollektiven Angst begünstigt“, sagte Trendanalyst Péter Kecskés. „Infolgedessen tauchen Elemente rebellischer Subkulturen wie Punk und Grunge in der Mainstream-Kultur wieder auf.“ Aus diesen Gefühlen und den ästhetischen Strömungen heraus entsteht Office Punk, ein Trend, der wie der Name bereits erahnen lässt, gegen stereotypische Arbeitskleidung rebelliert und diese umfunktioniert. Kaum verwunderlich also, dass der Trend auch auf dem Laufsteg der Bachelor-Abschlusskollektion des Institut Français de la Mode (IfM) die Vorherrschaft übernommen hat. Doch auch Designer:innen wie das Berliner-Duo hinter Richert Beil oder die von drei Brüdern in Hommage an ihren Vater gegründete Marke Namesake machen sich den Trend zu eigen.
Ganz auf die Markenzeichen des klassischen Bürolooks verzichtet die Gen Z auch ohne interesse an einem klassischen “9-to-5-Job” nicht, vielmehr drückt sie dieser ihren eigenen Stempel auf. Oxford-Shirt und Krawatte sind zwar kein Muss mehr, werden aber aufgrund ihrer Optik und der damit einhergehenden Konnotationen dennoch gerne verwendet. „Die Ästhetik des Office Punk ist geprägt von einer Mischung aus Anspielungen auf Bürokleidung und Punk-Stil", erklärt der Fashion-Snoop-Trendexperte.
Office Punkt lehnt nicht nur Konventionen ab, wie es bereits die namensgebende Punk-Bewegung der 1970er Jahre tat, sondern leiht sich auch Elemente und die Do-it-Yourself-Mentalität des Stils, der ebenfalls als Reaktion auf politische und soziale Missstände der damaligen Zeit aufblühte. „Bei der Jugend dominiert nach wie vor das DIY-Design, aber inmitten all des Chaos und der Katharsis bewegen wir uns weg von niedlichen Häkelarbeiten und Oma-Strick und hin zu einer härteren, punkigeren Dekonstruktion, die rohe Säume, Risse und Nieten populär macht", so Kecskés weiter.
Beste Beispiele hierfür liefern die Designer:innen Dilara Findikoglu und David Koma bei der Londoner Modewoche. Während Komas Design aus Vinyl-Hose zur Krawatte und hochgeschlossenem Hemd gerade noch adrett genug ist, um vielleicht sogar im Büro zu punkten, unterstreicht Findikoglus subversive Schuluniform den Punk im Namen des Trends.
Büro–Elemente treffen auf Punk-Attitüde
Optisch setzt Office Punk auf altbekannte Tricks und kombiniert klassische Stücke mit unkonventionellen, unerwarteten und teils konträren Elementen. „Es geht um einen Bleistiftrock in Nadelstreifen mit einem Fetisch-BH aus Leder oder ein Button-Down-Hemd aus Leder mit einer maßgeschneiderten Anzughose", fasst Kecskés die Grundlagen des Trends zusammen. Harmonisch sei die Kombination, die von “Höhen und Tiefen des Stils” bestimmt werde, vor allem dann, wenn es sich dabei um Stücke in einer aufeinander abgestimmten Farbpalette handelt.
Bei den Schlüsselelementen des Stils handelt es sich um Kleidung, die in vielen Büros tagtäglich getragen wird. Krawatten, Button-downs, Blazer, Bleistiftröcke oder Bundfaltenhosen gehören auch beim Office Punk zur guten Schule, doch diese Stücke werden sowohl durch ihre Materialwahl als auch danke der dazugehörigen Punk-Attitüde neuentdeckte. Der Trendanalyst betont, dass das Interesse an den Looks des Office Punks durch widersprüchliche Kombinationen von Materialien und Kleidungsstücken geweckt wird.
„Mit Office Punk wagen wir das Unerwartete mit maßgeschneiderten Hosen aus hochglänzendem Leder oder spannenden Oberteilen aus Nadelstreifenstoffen, die man sonst nur in der traditionellen Schneiderei sieht", erklärt er. „Es geht darum, die Regeln aus dem Fenster zu werfen und mit unseren Designentscheidungen rebellisch zu sein - eine Haltung, die ganz im Sinne der Gen Z ist.”
In seiner mildesten Form ist Office Punk eine jugendhafte Annäherung an die Schneiderkunst, während der Stil im extremsten Fall schon fast eine modische Systemkritik darstellt. Einige Designer:innen wagen sich auch an das Thema, nähern sich diesem Teils aber gezielt langsam an. Insbesondere Kombinationen von Hemden mit Krawatte zum Kapuzenpullover wie bei dem französischen Designer und ANDAM-Preis-Gewinner LGN Louis Gabriel Nouchi oder Pencilskirt mit zerzausten Haaren, sichtbarer Strumpfhose und Cardigan bei Miu Miu sind einfache Einstiegs Kombinationen in den Trend, die sich vielleicht sogar tatsächlich im Office sehen lassen könnten – zumindest an einem “Casual Friday”.