"Smarte Textilien: Innovationstreiber für die textilverarbeitende Industrie "
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Der Textilkunde der Zukunft wandelt sich. Getrieben durch die zunehmende Digitalisierung kauft er keine Textilien, sondern Technologie und erwartet individuell angepasste und nach den eigenen Vorlieben gestaltete Produkte.
Die von der Trendstudie „Textilkunden 2026“ in Aussicht gestellte neue Welt zeigt sich auf den kommenden Ausgaben der Techtextil und Texprocess, den internationalen Leitmessen für technische Textilien sowie für die Bekleidungs- und textilverarbeitende Industrie.
In Textilien und Bekleidung integrierte Technologie ist kein neues Phänomen. Die Entwicklung so genannter smarter Textilien hat aber in den letzten Jahren rasant an Fahrt aufgenommen. Die Digitalisierung beschleunigt den Prozess weiter. Sie ermöglicht vollkommen neuartige Konzepte und zukunftsweisende Anwendungen in unterschiedlichsten Feldern. Dr. Hartmut Strese, Bereichsleiter Administratives Projektmanagement in der VDI/VDE-IT Innovation + Technik in Berlin, kennt diverse Beispiele: „Intelligente Kleidung, die den Ernährungszustand und den Wasserhaushalt älterer Menschen ständig überwacht, erleichtert die Arbeit in der Altenpflege. Im Bausektor bedeuten clevere Textilien, die zur Schneelastmessung auf Dächern eingesetzt werden, mehr Sicherheit für die Gebäudenutzung. Und smarte Deichabdeckungen können Überflutungen verhindern, wenn sie frühzeitig Schwachstellen melden.“ Die smarten, textilbasierten Lösungen jenseits der Modeindustrie bieten hochpreisigen Fertigungsländern Wachstumschancen. „Der niedrige Energieverbrauch erweist sich dabei als zusätzlicher Innovationstreiber“, weiß Dr. Strese.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit treibt Entwicklungen voran
„Für jedes Unternehmen, das sich mit smarten Produkten auf der Basis von intelligenten Textilien beschäftigt, sind die Techtextil und Texprocess Pflichtveranstaltungen“, meint Dr.-Ing. Yves-Simon Gloy, Bereichsleiter Textilmaschinenbau und Produktionstechnologie am Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen. „Auf den Messen sind alle wichtigen Anbieter vertreten, die sich mit der Fertigung und Erforschung von Wearable Electronics beschäftigen.“ Hier zeigen unter anderem Maschinenbauer, Textilproduzenten, Komponentenhersteller und IT-Unternehmen den neusten Stand der „smarten“ Technik und Technologien zu deren Verarbeitung. Forschungseinrichtungen stellen Ergebnisse ihrer Institute aus und präsentieren Lösungen für die Umsetzung innovativer Ideen in funktionsfähige Artikel. „Ziel muss ein in Serie herstellbares Produkt sein“, fasst Dr.-Ing. Gloy zusammen. „In der Konzeptionsphase müssen daher die optimalen Produktionstechniken ausgewählt und bei Bedarf mit modernen Technologien wie etwa dem 3D-Druck kombiniert werden. Die interdisziplinären Forschungsinstitute bieten diese besondere Kompetenz und bringen dadurch Projekte wie den cleveren Sitzbezug für bessere Rückengesundheit zur Marktreife.“
Bild: E-Textil mit integrierten LEDs / Quelle: Forster Rohner Textile Innovations
E-Textilien – ein Feld mit noch unbegrenzten Möglichkeiten
Als wichtige Markttreiber für das Feld der smarten Textilien sieht Sabine Gimpel, Leiterin des Forschungsmarketings im Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland (Greiz), insbesondere das Gesundheitswesen und den Wellness-Markt: „Textilintegrierte Sensoren ermöglichen neuartige medizinische Anwendungen. In Oberbekleidung können sie Vitalparameter messen und dadurch einen Beitrag zu einer umfassenden Krankenbetreuung leisten. Drucksensoren wiederum können in der Dekubitusvorsorge genutzt werden und dadurch Folgebehandlungen und -kosten vermeiden. Der Nutzen, den smarte Textilien stiften können, ist enorm.“ Daher sieht sie die spezialisierten Forschungsinstitute und Systementwickler mit einer steigenden Zahl innovativer Produktideen konfrontiert. „Clevere textile Lösungen eröffnen in unterschiedlichsten Branchen neue Märkte. In diesem jungen Gebiet müssen aber noch diverse Rahmenbedingungen – etwa standardisierte Prüfmethoden – geschaffen werden“.
Mit der Sticknadel zum smarten Textil
Elektronische Textilien bieten ein enormes Anwendungsspektrum, das von der Bekleidung bis zu Lösungen für den Bausektor reicht. Die Verschiedenartigkeit der Produkte und deren spezifisches Anforderungsprofil muss sich aber nicht notwendigerweise auf den Entwicklungszeitraum auswirken. „Manche Kundenvisionen lassen sich innerhalb weniger Tage in textile Komponenten übertragen“, berichtet Dr. Jan Zimmermann von Forster Rohner Textile Innovations in St. Gallen. Das Unternehmen erarbeitet auf Grundlage der Stickerei textilbasierte, funktionale Lösungen für unterschiedlichste Branchen. „Für unsere Technologie stehen etwa einhundert leitfähige Materialien zur Verfügung, die sich für die Fertigung von E-Textilien eignen. Hiermit lassen sich Antennenstrukturen, heizende oder leuchtende Komponenten sowie Sensorsysteme, die Feuchtigkeit oder Temperatur messen, für serienreife Wearables realisieren.“ Von den textilen E-Komponenten bis zum Endprodukt kann trotzdem viel Zeit verstreichen – etwa, weil beim Kunden entsprechendes Knowhow fehlt oder Unsicherheit bezüglich der anzuwendenden Normen herrscht. „Dann empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit weiteren Spezialisten“, rät Zimmermann.
Designprozess und Technologie gehören zusammen
In Textilien integrierte Funktionen wie Heizen, Leuchten und Kommunikation haben das Entwicklungsstadium hinter sich gelassen. Sie arbeiten zuverlässig und erfüllen alle Anforderungen an einen unkomplizierten Gebrauch. Trotzdem sind auf dem Weg zu einer breiten Markteinführung noch immer nicht alle Hürden genommen. „Die aktuellen Stückzahlen der für die Integration in Bekleidung benötigten Elektronik rechtfertigen noch nicht Investitionen in automatisierte Fertigungsprozesse. Im Vergleich zu massenhaft gefertigten Consumer-Electronics sind die Kosten von Wearables daher noch deutlich höher“, fasst Andreas Röpert, Geschäftsführer von Interactive Wear in Starnberg, seine Erfahrungen zusammen. „Wenn die Losgrößen jedoch deutlich steigen, sind durch die Skalierung der Produktion erhebliche Kostensenkungen möglich. Smarte Produkte werden unseres Erachtens in 2020-2030 ihren Nischenmarkt verlassen und deutlich an Präsenz gewinnen.“ Allerdings erfordert die Entwicklung intelligenter Produkte neue Designkompetenzen: „Die Technologie wird Teil des Gesamtkonzepts. Die Funktionen und die Stromversorgung, der Datentransfer und die Anbindung an Apps müssen von Anbeginn in die Kreation einbezogen werden.
Smarte Textilien sind einer der Schwerpunkte der Techtextil, der Internationalen Leitmesse für technische Textilien und Vliesstoffe, vom 9. bis 12. Mai in Frankfurt am Main. Parallel zur Techtextil zeigt die Texprocess, Leitmesse für die Verarbeitung textiler und flexibler Materialien, die neuesten Verarbeitungstechnologien für die Bekleidungsindustrie.
Homepage Bild: Multifunktionale Jacke / Quelle: Messe Frankfurt Exhibition GmbH
BU: Smarte Textilien und deren Verarbeitung zeigen die Techtextil und die Texprocess vom 9. Bis 12. Mai 2017 in Frankfurt/Main.