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Sourcing-Trend FW24/25: Nostalgische Erbstücke, 3D-Stoffe und ungeschliffenes Design

Von Jule Scott

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Mode

(v.l.n.r.) Acne Studios, Diesel, Bode. Bild: Spotlight Launchmetrics

Während die Ordersaison für FS24 sich gerade dem Ende zuneigt, steht die nächste Saison bereits in den Startlöchern. In einem Webinar des Trendforschungsinstituts Fashion Snoops und Informa Markets Fashion gab Trendexpertin Nia Silva erste Einblicke in die kulturellen Signale, die Verbraucher:innenstimmung und die vier aufkommenden Designästhetiken, die Beschaffungstrends für FW 24/25 prägen werden.

Sentimental – eine nostalgische Reise in die Vergangenheit

Die erste von Silva vorgestellte Designästhetik für Herbst/Winter 24/25 nennt sich Sentimental. Im Mittelpunkt dieses Themas stehen die namensgebende Sentimentalität und die Kunst des Handwerks. Sentimental bietet eine nostalgische und doch moderne Sichtweise, um traditionelles Design und Stoffe als moderne Erbstücke neues Leben einzuhauchen.

Silva begründet die nostalgische Sentimentalität mit zwei grundlegende kulturellen Signalen, wie die Beschaffungsexpertin es bezeichnet. „Die erste ist Craft Care, die die Handwerks- und Wellness-Bewegung als eine neue Sichtweise auf Design hervorhebt”. So werden die Bereiche Handwerk und Wellness miteinander verwoben und ein neuartiger Designansatz eingeführt, der in der Achtsamkeit des Handwerks und dem therapeutischen Akt der Wiederherstellung Trost findet.

Bode Menswear SS24 Bild: Spotlight Launchmetrics

Das zweite Signal, Mythical Meaning, fordert dazu auf, sich auf die Weisheit vergangener Epochen zu besinnen und sich in alten Praktiken zu verankern, um die Unsicherheiten der Gegenwart zu bewältigen. „Mehr denn je besinnen sich die Marken auf die Ursprünge ihrer Produkte, angefangen bei den Rohstoffen, die mit Hilfe alter, regenerativer landwirtschaftlicher Praktiken gewonnen werden, bis hin zur Einbeziehung altbewährter handwerklicher Techniken und Stofflichkeiten, die dem Sortiment einen besonderen Charme verleihen können", so Silva. „Das Ziel ist es, etwas von dem Reichtum, den Fähigkeiten und dem Denken der Vergangenheit zu übernehmen, um einen Weg in die Zukunft des Designs zu ebnen.”

Übersetzt in Materialien drückt sich Sentimental vor allem in kunsthandwerklich hergestellten Stoffen und Vintage-Stücken aus. Eine Hauptaugenmerk liegt auf dem, was die Materialexpertin als "Krimskrams" bezeichnete: „Upcycled-Stoffe, wiederverwertete Metalle und alte Verzierungen, die wie kleine Vignetten aus der Vergangenheit oder eine bedeutungsvolle Geschichte in die Stoffe eingewoben werden.”

Bode Menswear SS24 Bild: Spotlight Launchmetrics

Webtechniken zeigen taktile Kunstfertigkeit durch verwobene Fäden mit unterschiedlichen Texturen und die Verwendung von ethisch geernteter Seide, regenerativen Baumwollfasern und unverfälschter, chemiefreier Wolle rückt zudem die Nachhaltigkeit in den Fokus.

Sentimental beschäftigt sich mit Oberflächen, die eine reiche Vielfalt an Texturen aufweisen und Epochen und Kulturen vermischen, um innovative, altehrwürdige Techniken zu schaffen. Die Oberflächen werden durch das bewusste Einbeziehen von Abnutzungserscheinungen und Ausfransungen hervorgehoben und stellen eine greifbare Verbindung zur Geschichte her, die sowohl für Denim als auch bei Wollstoffen zum Einsatz kommt. Der Schwerpunkt auf handwerklichem Können im Design erstreckt sich auch auf Reparaturtechniken wie Flicken, Nähen und Stopfen bei Strickwaren, die archivierten Materialien neues Leben einhauchen.

Die Farbgebung der Designästhetik “fühlt sich fast wie ein Fenster zur Seele oder wie eine Schatulle mit wertvollen Erbstücken an”, so die Expertin. Konkret bedeutet das den Einsatz familiärer und heimlicher warmer Farben, von kräftigen Waldtönen über butterige Cremes bis hin zu dunklen, gesättigten Rottönen.

Immersive – Natur trifft auf Technologie

Während sich Sentimental mit der Vergangenheit beschäftigte, ist die zweite Desingästhetik, Immersive, eine Verschmelzung von Naturschauspielen und Spitzentechnologie. Im Zentrum steht die Natur, doch sie wird durch ein hochauflösendes Objektiv mit leuchtenden digitalen Farben und 3D-Texturen abgebildet.

Web-3, eines der kulturellen Signale, die diese Ästhetik heraufbeschwört, ist derzeit in aller Munde und daher ist es auch kaum verwunderlich, dass auch Sourcing-Trends davon inspiriert werden. Dazu kommt Made to Morph, ein auf Veränderung basiertes Signal, das Silva als Antwort auf die wirtschaftliche und ökologische Instabilität bezeichnet. Dieses richtet sich insbesondere an all jene, die Produkte suchen, die sich an jede Situation anpassen, was in hochsensiblen, funktionellen Materialien resultiert.

Acne Studios Menswear SS24 Bild: Spotlight Launchmetrics

Immersive Materialien zeichnen sich durch eine äußerst vielfältige Auswahl an Garntexturen und Pigmenten aus, die natürlichen und virtuellen Ökosystemen ähneln. Färbungen stehen im Mittelpunkt, wobei Prozesse nachhaltige und dennoch kommerziell verwertbare Ergebnisse bieten, so die Expertin. Biobasierte Alternativen, Pelzimitate und lebendige Drucke vermitteln die Faszination der natürlichen Welt.

Oberflächen provozieren eine hyper-stimulierende Erfahrung, indem sie mikroskopische Feinheiten nachahmen und taktiles Design aufweisen. Glänzende Materialien, wie Pailletten, schillernde Bänder und reflektierende Aufdrucke dominieren das Gesamtbild, und wärmeempfindliche, wandelbare Oberflächen treten ebenfalls in den Vordergrund.

Acne Studios Menswear SS24 Bild: Spotlight Launchmetrics

Die Natur wird in grellen Farbtönen repräsentiert und erinnert an mikroskopische Imitationen der natürlichen Umgebung. Warme sowie kräftige Grün-, Rosa- und Blau-Töne evozieren eine himmlische und doch herbe Sicht auf die Realität und schaffen einen Übergang der Jahreszeiten.

Chaos – Ungewissheit und ungeschliffenes Design

Chaos ist die jüngste und emotionsgeladenste der vier Designästhetiken für HW24/25. Chaos zelebriert die Möglichkeiten, die sich aus Ungewissheit ergeben, und fordert dazu auf, sich auf ein ungeschliffenes Design einzulassen, das konventionelle Grenzen sprengt. Diese Ästhetik schöpft Inspiration aus dem aktuellen Klima politischer Unruhen, kultureller Polarisierung, des Klimawandels und wirtschaftlicher Ungewissheit und drängt darauf, die Schönheit im Unvollkommenen zu finden.

„Wir suchen nach Texturen, die brechen, nach aschfahlen Mustern, nach fragmentierten Konstruktionen, nach dem Unvollkommenen, nach brutalistischen Formen und nach industrieller Handwerkskunst, um das Design für die Zukunft zu inspirieren", erklärte Silva.

Eines der wichtigsten kulturellen Signale ist das wachsende Misstrauen der jüngeren Verbraucher:innen gegenüber Hierarchien und Institutionen, die Anti-Establishment-Bewegung. Die Verbraucher:innen fordern mehr Transparenz und Ehrlichkeit in der Lieferkette, gerechte Arbeitspraktiken und die Nutzung von Ressourcen, um ökologische und soziale Ungleichgewichte auszugleichen. Hinzu kommt ein Signal, das von Silva als Brutal Ambiguity bezeichnet wird. Das Signal wirft die Frage auf, wie man Unsicherheit als Chance für Innovation nutzen kann und fordert Unternehmen heraus, sich an den ständigen Wandel anzupassen und Innovation und Widerstandsfähigkeit zu fördern.

Der Puffer Boot von Rains x Zellerfeld. Bild: Rains

Die Materialien der Chaos-Ästhetik zeichnen sich durch eine industrieähnliche Präzision aus und entsprechen der post-pandemischen Mentalität für alles gerüstet zu sein. Innovationen wie Nadelstanzen und 3D-Druck sorgen für leichtere und widerstandsfähigere Ergebnisse. Rundstrickwaren, werden beispielsweise aus regenerierten Abfallfasern hergestellt und sind sowohl nachhaltig als auch langlebig und entwickeln hochfunktionelle Garne wie beispielsweise Aramidfasern, werden zum Schutz vor extremen Bedingungen entwickelt.

Oberflächen sind aus recycelten Materialien und mit Lasercut-Texturen versehen, die der Taktilität eine raue Note verleihen. Abgenutzte Denims und technische Beflockung verbessern Grip und Flexibilität, während die thermoplastische Formgebung die Strukturen so verändert, dass sie zumindest optisch Schutz vor unvorhersehbaren Elementen bieten.

„Wenn wir uns die Chaos-Ästhetik zu eigen machen, finden wir Befreiung in der Unvollkommenheit, eine kühne Abkehr vom traditionellen Design und eine Feier der Innovation und Widerstandsfähigkeit angesichts der Ungewissheit, fasst Silva den Trend zusammen.

Diesel Resort 2024 Bild: Spotlight Launchmetrics

Die Farbpalette spiegelt die Dramatik und Energie der Umwelt wider, mit intensiven, feurigen Rot- und Orangetönen neben dunklen, erdigen Farbtönen. Im Mittelpunkt der Palette stehen sanftere Neutraltöne, die durch helle Farbtöne ergänzt werden und ein "Gefühl von natürlichem Optimismus" vermitteln.

Fragility – starke Verletzlichkeit

Die letzte Designästhetik, Fragility , ist eine Abkehr von den bisherigen Trends, aber gleichermaßen relevant, so Silva. Mit zartem und weichem Design, dass keineswegs mit Schwäche verwechselt werden darf, zelebriert Fragility die Unvollkommenheit und unterstreicht das Gefühl der Verletzlichkeit neben der Widerstandsfähigkeit. Wellness steht im Mittelpunkt, nährt und tröstet mit einer Auswahl an Stoffen und Oberflächen.

Jacquemus SS23 Bild: Spotlight Launchmetrics

Zu den kulturellen Signalen gehört die Divine Feminine-Bewegung, die pflegende und intuitive Qualitäten betont und die Unternehmen dazu drängt, soziale und ökologische Verantwortung in den Vordergrund zu stellen. „Die Anerkennung vermeintlich weiblicher Eigenschaften wie Intuition, Fürsorge und emotionale Intelligenz sind hier von entscheidender Bedeutung", kommentierte die Expertin den zurückhaltenden Trend. „Inspiriert von der Sorge, die uns allen innewohnt, drängen die Bewegungen der Weiblichkeit die Unternehmen dazu, durch sozial- und umweltverträgliche Beschaffungs- und Produktionsmethoden zu besseren Hüter:innnen der Welt zu werden."

Das Signal Comfort of Solitude spiegelt eine wachsende Wertschätzung für Ruhe, Erholung und Introspektion wider, die auch in Praktiken wie Meditation oder dem digitalen Minimalismus und der Verzicht auf ständiges Online-Sein präsent sind. Verbraucher:innen wählen hierbei vermehrt wellnessorientierte Produktkategorien wie Loungewear, Activewear und Wäsche.

Jacquemus SS24 in Paris. Bild: Jacquemus

Zerbrechliche Oberflächen definieren die Handwerkskunst mit hoch detaillierten Techniken und langsamen Prozessen. Fein durchdachte Metallstiche und Beschichtungen schmücken Oberflächen mit schlichter Eleganz und Glanz. Oberflächenbehandlungen ohne Wasser und Farbstoffe gewinnen weiter an Bedeutung und fördern umweltfreundliche Herstellungsverfahren. Bei Schuhen und Accessoires werden Stollen und Krawatten zu üppigen Ansammlungen geformt, während Steppungen mit leichteren und weniger ausgeprägten Stichen und Applikationen für Ruhe sorgen.

Die Farbpalette für Fragility strahlt einen zarten Ausdruck von Stärke und Subtilität aus, mit leichten, leuchtenden Neutraltönen und satten Naturtönen. Schattige Mitteltöne erden das ganze Spektrum und erfüllen den Wunsch der Verbraucher:innen nach Stoffen, die “Geist, Körper und Seele nähren”.

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