SS24: Leinwandheld:innen, Sportstars und TikTok-Phänomene als Goldgrube für Marken
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Während die Frühjahrssaison im vergangenen Jahr von medienwirksamen Momenten und spektakulären Inszenierungen geprägt war, standen für Frühjahr/Sommer 2024 Designer-Debüts und Starpower auf dem Programm. Virale Effekthascherei geriet in dieser Saison erstmals wieder in Vergessenheit, vielmehr konzentrierten sich Marken auf eine Starbesetzung – sowohl in der Front Row als auch auf den Laufstegen.
Inwiefern sich dieser Strategiewechsel auf die Strahlkraft der Modehäuser in den Sozialen Medien auswirkte, hat die PR- und Imageagentur Karla Otto nun in einem Report analysiert.
Streikende Schauspieler:innen als Goldgrube?
Laut der Influencer:innen-Marketing-Plattform Lefty, mit der Karla Otto für den Report zusammenarbeitete, generierte die Frühjahr/Sommer Saison 2024 einen Earned Media Value (EMV) von mehr als 829 Millionen US-Dollar (783.18 Millionen Euro). Dies entspricht einer Steigerung von 50 Prozent im Vergleich zu SS23. Insbesondere die Videoplattform TikTok, oder besser gesagt der #TikTokFashion wuchs in dieser Saison von 1,5 Milliarden auf insgesamt 9,5 Milliarden Views. Anders als noch im vergangenen Jahr konnten sich die Designer:innen allerdings nicht auf Topmodel Bella Hadid als Treiberin des EMVs verlassen – das Model war in dieser Saison krankheitsbedingt nicht mit von der Partie – fanden jedoch in Athletin:innen, Leinwandheld:innen und TokTok-Phänomenen lukrative Alternativen.
Earned Media Value:
- Um die herausragendsten Schauen dieser Saison zu definieren, analysierte die Lefty und Karla Otto Instagram-Posts und TikTok-Videos von Influencenden mit mehr als 10.000 Follower:innen. Hierbei betrachtete die Plattform, insbesondere die jeweiligen Impressionen und das Engagement der Fashion-Week-Postings der Influencer:innen. Daraufhin berechnete Lefty das sogenannte Earned Media Value (EMV) der jeweiligen Beiträge beziehungsweise der Brands. Earned Media Value, ist ein Schlüsselindikator für Brands und Influencenden, um die Wirkung ihrer Veröffentlichung nachzuvollziehen. Als Teil des Reports definiert Lefty das Earned Media Value als das Äquivalent der Werbeausgaben, die eine Marke normalerweise für die gewonnenen Impressionen tätigen müsste. Für Instagram und TikTok wurde hierbei mit einem Preis von 100 US-Dollar (93 Euro) pro Cost-per-Mille (CPM), auch Tausend-Kontakt-Preis (TKP) genannt, kalkuliert.
Von den 200 Marken, die im Rahmen des Reports analysiert wurden, entschieden sich 189 für die Präsenz von Schauspieler:innen als Teil ihrer Marketingstrategie. Laut Thomas Repelski, Mitbegründer und CEO von Lefty, ist ein Grund für die starke Präsenz von Schauspieler:innen auf der Fashion Week der anhaltende SAG-AFTRA-Streik in Hollywood, von dem Modemarken nun zu profitieren scheinen. Hochkarätige Persönlichkeiten trugen insgesamt 610 Millionen US-Dollar zum gesamten EMV der Saison bei. Unter ihnen erzielten Schauspieler:innen mit 450.000 US-Dollar (um die 423.067 Euro) pro Person den höchsten durchschnittlichen EMV.
Allerdings erwies sich das mit Spannung erwartete Debüt von Designer Sabato De Sarno bei Gucci trotz des ganzen Rummels und der mit Stars wie Jessica Chastain, Ryan Gosling und Paul Mescal besetzten Front Row nur als die zweitgrößte Show während der Mailänder Modewoche. Am Ende des Tages belegte das Florentiner Modehaus lediglich den fünften Platz der medienwirksamsten Marken der gesamten Saison. Gucci und seine Bridgarde von Stars erwirtschaftete einen EMV von 35,4 Millionen US-Dollar und wuchs damit im Vergleich zum Vorjahr um über 139 Prozent, konnte jedoch weder Prada noch Dior das Wasser reichen.
Die fünf stärksten Marken der Frühjahr/Sommersaison 2024
- Dior: 57,1 Millionen US-Dollar (53,7 Millionen Euro); Wachstum von 1,6 Prozent im Vorjahresvergleich (SS23)
- Prada: 50,8 Millionen US-Dollar (47,8 Millionen Euro); Wachstum von 70,4 Prozent im Vorjahresvergleich (SS23)
- Louis Vuitton:44,9 Millionen US-Dollar (42,2 Millionen Euro); Wachstum von 156 Prozent im Vorjahresvergleich (SS23)
- Schiaparelli: 41,1 Millionen US-Dollar (38,6 Millionen Euro); kein Vorjahreswert
- Gucci: 35,4 Millionen US-Dollar (33,3 Millionen Euro); Wachstum von 139 Prozent im Vorjahresvergleich (SS23)
Tatsächlich könnte die geteilte Aufmerksamkeit auf verschiedene Talente in diesem Fall “gegen” Gucci gearbeitet haben, denn während der starke Fokus auf eine Person zwar ein Risiko birgt, kann die Strategie bei der richtigen Wahl durchaus die ersehnte Aufmerksamkeit erzeugen. Paradebeispiel dafür war der Auftritt der US-amerikanischen Schauspielerin Zendaya bei der SS24-Show der Pariser Luxusmarke. Bilder der Louis-Vuitton-Markenbotschafterin fluteten nicht nur die Sozialen Medien, sondern brachten auch ein EMV von 15,3 Millionen US-Dollar ein. Damit verantwortete sie 39 Prozent des gesamten Medienvolumen der Marke.
Neben namhaften Persönlichkeiten wie Zendaya war auch die Präsenz asiatischer Schauspieler:innen signifikant. Unter den fünf Schauspieler:innen, die während der SS24-Modewochen die meiste Aufmerksamkeit auf sich zogen, stammen drei aus Asien. Marken profitieren zunehmend von der Bekanntheit der Talente, insbesondere ihrer bemerkenswert hohen Engagement-Raten auf den Sozialen Medien und der überaus treuen Anhängerschaft. Ferner heißt es in dem Bericht, dass der Luxusmarkt in Südostasien zwischen 2023 und 2027 voraussichtlich um 10,25 Prozent wachsen wird und sich die Region damit zu einem neuen Spielplatz und einer Chance für Marken entwickelt.
Dior hat diese Chance bereits erkannt und sich in dieser Saison erneut den ersten Platz in der Rangliste der medienwirksamsten Marken gesichert. Das französische Modehaus verzeichnete einen EMV von 57,1 Millionen US-Dollar (53,7 Millionen Euro), allerdings lediglich ein relativ geringes Wachstum von 1,6 Prozent im Vorjahresvergleich (SS23). Grund dafür könnte die bereits seit einigen Saisons etablierte Influencer:innen und Markenbotschafter:innen-Strategie der Marke sein. Dabei setzt Dior schon seit geraumer Zeit auf koreanische Popstars und verschiedene TikTok- und Instagram-Größen. In dieser Saison waren es allerdings besonders die aufstrebenden thailändischen Schauspieler Nattawin Wattanagitiphat (9, 7 Millionen US-Dollar in EMV) und Mile Phakphum Romsaithon (7,2 Millionen US-Dollar in EMV) die alle Blicke auf sich zogen.
Reality-TV-Star Kylie Jenner konnte in dieser Saison allerdings keiner das Wasser reichen. Die 26-jährige war zu Gast bei Schiaparelli und Acne Studios – zwei kurze Auftritte, die insgesamt ein EMV von 22,6 Millionen US-Dollar generierten.
Die fünf wichtigsten Persönlichkeiten der Frühjahr/Sommersaison 2024 (auf Instagram)
- Kylie Jenner: 22,6 Millionen US-Dollar (21,3 Millionen Euro)
- Zendaya: 15,3 Millionen US-Dollar (14,4 Millionen Euro)
- Enhypen (Band):11,1Millionen US-Dollar (10,4 Millionen Euro)
- Nattawin Wattanagitiphat: 9,7 Millionen US-Dollar (38,6 Millionen Euro)
- Momo: 8,2 Millionen US-Dollar (7,7 Millionen Euro)
TikTok-Phänomene und athletische Meisterleistungen
Die Modebranche hat in dieser Saison außerdem einen starken Verbündeten im Sport gefunden. Über die Grenzen der Herrenmode hinaus machen sich Marken zunehmend die Anziehungskraft von Athlet:innen aus unterschiedlichen Sportarten zunutze, um ihre Front Rows zu schmücken. Dieser strategische Schritt erweitert nicht nur den Kreis der Talente, sondern lockt auch ein breites und vielfältiges Publikum an, so Karla Otto.
Im Frühjahr/Sommer 2024 hat der Trend zur Zusammenarbeit zwischen Modemarken und Sportler:innen jedoch einen neuen Höhepunkt erreicht, denn ganze 35 Marken haben sich mit insgesamt 68 Sportlerinnen und Sportlern zusammengetan. Diese Kollaborationen führten zu einem gesamt EMV von 14,2 Millionen US-Dollar (etwa 13,4 Millionen Euro).
Im Mittelpunkt dieser Verschmelzung von Sport und Mode stehen David und Victoria Beckham. Ihre neue Dokumentationsserie, die während der Londoner Modewoche vorgestellt wurde, hat sie in neue Höhen kultureller Relevanz katapultiert. Diese Dokumentation führte nicht nur zu einem sprunghaften Anstieg des EMVs der Saison SS24, sondern festigte auch David Beckhams Status als relevantester Sportler der Saison. Er erzielte einen EMV von 6,5 Millionen US-Dollar.
Die fünf wichtigsten Sportler:innen der Frühjahr/Sommersaison 2024 (auf Instagram)
- David Beckham: 6,5 Millionen US-Dollar (6.11 Millionen Euro)
- Liz Cambage:931.000 US-Dollar (875.000 Euro)
- Achraf Hakimi:892.000 US-Dollar (839.000 Euro)
- Son Heung-min: 761.000 US-Dollar (715.000 Euro)
- Bukayo Saka: 544.000US-Dollar (511.000 Euro)
In einem nahtlosen Übergang von einem Popkultur-Phänomen zum nächsten. Nirgendwo ist der Einfluss von populärer Kultur deutlicher als auf TikTok. Der Hashtag #TikTokFashion hat zuletzt in einem einzigen Monat 9,5 Milliarden Videoaufrufe verzeichnete und damit TikTok zufolge die Aufrufe der HW23-Saison um das 2,4-fache übertroffen.
Modehäuser haben den boomenden TikTok-Trend schnell erkannt und sich zu Nutze gemacht. Gucci beispielsweise kollaborierte im Vorfeld der Show gezielt mit der Social-Media-Koryphäe Amelia Dimoldenberg, die für ihre "Chicken Shop Dates" bekannt ist, ein Video-Format , bei dem sie Prominente interviewt. Dazu gehörte auch ein Gespräch mit der Influencerin Emma Chamberlain,die ihrerseits bereits prestigeträchtige Veranstaltungen wie die Met Gala moderiert hat.
Der Aufstieg von Sabrina Bahsoon, auch bekannt als "Tube Girl", eine der jüngsten TikTok-Sensationen, ist ein weiteres Beispiel für den weitreichenden Einfluss von TikTok. Bahsoon wurde auf den Sozialen Medien für kurze Videos bekannt, in denen Sie sich beim tanzen in der vollen Londoner U-Bahn filmt. Ihre Präsenz hat sich nun über die digitalen Plattformen hinaus ausgeweitet. Die tanzende Influencer war bei verschiedenen Shows in New York und Paris zu Gast gewesen. Ihr Einfluss geht über die Bildschirme der Nutzer:innen hinaus und hat über TikTok und Instagram einen EMV von 1,6 Millionen US-Dollar (1,5 Millionen Euro) erzielt und dabei mehr als eine Million Impressionen für die Marken generiert.