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'The Fashion Debates' will die Kreativbranche zum Handeln bewegen

Von Hannah Rafter

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Mode

Die Gesprächsrunde ‚The Fashion Debates’ ist eine Plattform, auf der alle zwei Monate ethische Probleme der Modeindustrie erläutert und diskutiert werden können. In diesem Monat wurde das Thema ‚unbezahlte Arbeit’ angesprochen, das vor allem junge Menschen in der Branche betrifft, die in der Modeindustrie Fuß fassen wollen. Gründerin und Journalistin Olivia Pinnock rief das Veranstaltungsformat ins Leben, um Menschen dazu zu ermutigen, in der Modeindustrie als Aktivisten tätig zu werden. In den vorangegangenen Veranstaltungen ging es um Arbeit in Sweatshops, Rassismus und die Gesundheit von Models.

Beinahe jeder 18 bis 24-jährige überlegt, oder wird dazu ermutigt, ein unbezahltes Praktikum zu absolvieren, um in seiner Karriere in der Modebranche voranzukommen. Natürlich ist diese Option nur für jene möglich, die finanziell von ihrem Elternhaus unterstützt werden. Gerade in teuren Modehauptstädten wir New York, London oder Paris ist diese Praxis für junge Menschen ohne den finanziellen Rückhalt ihrer Eltern kaum machbar. Um die Arbeitsplatzgerechtigkeit in der Branche also weiter voranzutreiben, muss das Thema ‚unbezahlte Praktika’ angesprochen werden.

Was macht unbezahlte Arbeit mit der Modeindustrie?

Das Event fand am Donnerstag den 30. März im Conde Nast College, in London statt. Auf dem Podium versammelten sich Akteure aus der Modeindustrie, Professoren und Studenten. Insbesondere ging es bei dem Gespräch um rechtliche Belange von unbezahlter Arbeit, die negativen Auswirkungen, die unbezahlte Arbeit auf die Karriere haben kann und wie sie die Industrie beeinflusst. Gesprächsteilnehmer waren Matthew Dowling, CEO des The Freelancer Club, Mark Watson, Partner bei der Anwaltskanzlei Fox Williams LLP und Khandiz Joni, Co-Gründerin der Kreativagentur Novel Beings.

Olivia Pinnock eröffnete die Diskussion mit der Frage an das Panel, wann die Modeindustrie begonnen habe, sich auf unbezahlte Arbeit zu stützen. Matthew Dowling war der Ansicht, es hinge damit zusammen, dass junge Menschen sich der Sache oft nicht bewusst wären. „Es kommt von mangelnder Awareness, gerade am Anfang des eigenen Entscheidungswegs. Vor zehn oder 15 Jahren war die Industrie noch anders. Viele Leute wissen einfach nicht, was unbezahlte Arbeit bedeutet und die jungen Menschen kennen ihren Wert nicht.“ Khandiz Joni stimmte zum Teil zu, fand aber, dass die Modeindustrie besonders gesättigt sei und dass es so viele Bewerber für einen Job gebe: „Das Problem ist, dass so viele junge Leute die selben Jobs wollen. Jeder unterbietet den anderen und das tut niemandem gut, auch nicht der Branche selbst.“ Sie sprach über ihre eigenen Erfahrungen: “Vor 15 Jahren kamen viel weniger Bewerber auf einen Job, da war es noch einfacher.“

Pinnock bat Mark Watson um eine rechtliche Einschätzung der Praxis. Watson antwortete darauf, dass es “keine rechtliche Definition des Wortes ‚Praktikant’“ gebe. „Es gibt Angestellter, Arbeiter und Selbständiger. Wenn man ein Praktikant ist und arbeitet, hat man ein Anrecht auf Mindestlohn und Urlaub.“ Er wies darauf hin, dass unbezahlte Arbeit ein falscher Begriff sei, und erklärte dem Publikum, dass HMRC (Her Majesty’s Revenue and Customs - eine britische Steuerbehörde) vor einigen Jahren Modeunternehmen auf dem Radar hatte und sie darauf drängte, den Mindestlohn zu zahlen. Er war der Ansicht, dass eine Gesetzesänderung der Arbeitnehmergesetze lange überfällig sei.

“Ist die Modebranche jetzt zu teuer, um sich einen Job dort leisten zu können und was können Studenten tun, um ein Praktikum zu bekommen?”, fragte Pinnock. Das Panel war sich einig, dass die Studenten sich auf so viele bezahlte Praktika wie möglich bewerben sollten. Zahlt es sich jemals aus, einen unbezahlten Job anzunehmen? „Wer sich unter Wert verkauft, wird immer unter seinem Wert bleiben“, fand Khandiz Joni und Matthew Dowling erinnerte das Publikum: „Wenn jemand mit Deiner Zeit Geld verdient, solltest du dafür bezahlt werden.“ Watson betonte auch, wie wichtig es sei, dass jedes Unternehmen eine Unternehmensstruktur für Praktika etabliere. “Ihr solltet wissen, was von Euch erwartet wird und das Unternehmen sollte wissen, was Ihr Euch von dem Praktikum erwartet.”

Wer trägt die Verantwortung?

Pinnock sagte, dass die Wahrnehmung der Branche, nämlich dass es dort eine Menge Geld gebe, mit der Realität im Widerspruchstehe: Gerade einmal zwei Prozent der Modebranche seien reich, die übrigen 98 Prozent kämen gerade so über die Runden. Das sei insbesondere deshalb schade, weil die Industrie stark von jungen Kreativen abhänge. Dowling stimmte ihr zu und fügt hinzu: „Die Modeindustrie wird als glamourös wahrgenommen und die Leute denken, wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer. Ein Wandel ist erst möglich, wenn alle gemeinsam nein zu unbezahlter Arbeit sagen. Die Modeindustrie läuft Gefahr, einige unglaublich kreative Leute zu verlieren.“ Alle waren sich einig, dass die harte Realität der unbezahlten Arbeit und Praktika nur jenen nutze, die ohnehin schon reich seien und jene benachteilige, die es sich nicht leisten können, unter diesen Bedingungen zu arbeiten. Mark Watson sieht die Industrie in der Verantwortung. Von dort müsse der Wandel kommen, die Industrie müsse endlich dazu gezwungen werden, Veränderungen anzustreben. „Kreatives Talent hat einen Wert und dieser wird aktuell nicht geschätzt, ausgehöhlt und missverstanden“, so Dowling.

Der Abend endete mit verschiedenen Geschichten von Studenten, die sich miteinander austauschten. Eine Publikumsmeldung hinterfragte, ob Universitäten genug täten, ihre Studenten zu unterstützen. Eine andere Studentin aus Nordengland sagte, es sei ihr nicht möglich, ein unbezahltes Praktikum anzutreten, da sie dafür eine Wohnung in London bräuchte — eine Unmöglichkeit ohne Gehalt. Eine andere sagte, sie habe schon ein paar unbezahlte Praktika absolviert und werde dies auch weiter tun, wenn es sein müsste. Die Frage des Abends war jedoch: „Sollte man das tun müssen?“ Viele der jungen Leute, die an der Diskussion teilnahmen, fühlten sich ohnmächtig, waren sich aber einig, dass sie sich künftig noch stärker als Influencer sehen müssten, die Arbeitgeber, Politiker und die Medien unter Druck setzen, an der Praxis etwas zu verändern – das Motto des Abends war schließlich ‚Let’s make unpaid work so last season!’

Von Hannah Rafter, Gründerin und Chefredakteurin von The Intern 247, einer Website, die Einblicke in das wirkliche Arbeitsleben in der Modeindustrie liefert. @theintern247 theintern247.com

Bilder: Hannah Rafter for FashionUnited

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