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Vorbestellung – das Modell der Zukunft?

Von Julia Garel

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Mode

Die Mode ist heute digitaler denn je. Um Kleidungsstücke zu verkaufen, setzen viele Marken nicht mehr auf physischen Läden, sondern auf Worte und Bilder. So starten einige Modemarken die Produktion erst nach dem Kauf des Kunden – sie setzen auf ein Preorder-Modell. Diese Marken, zu denen Réuni, Asphalt oder Circle Sportswear gehören, nennen sich DNVB, Digital Native Vertical Brands. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie die Vorbestellungen zum Eckpfeiler ihres Geschäftsplans gemacht haben.

Um die Probleme, Vorteile und (seltenen) Nachteile des Preorder-Modells besser zu verstehen, befragte FashionUnited diejenigen, die es praktizieren.

Partizipative Finanzierungsplattformen

Wenn sie ein Produkt in Vorbestellung anbieten wollen, nutzen Modemarken meist eine partizipative Finanzierungsplattform – die sich an Unternehmen, aber auch an Einzelpersonen, Verbände und Gemeinschaften richtet. Dies erleichtert ihnen die Verwaltung der Zahlungen und gibt neu eingeführten Labels zusätzlich Sichtbarkeit.

Um zu verstehen, wie das System konkret funktioniert, erläuterte Bastien Hullessen, Gründer der Mantelmarke Atelier Loden, die Schritte per E-Mail: „Ich definiere eine Mindestanzahl von Mänteln, die erreicht werden muss, damit meine Lieferanten einer Produktionsaufnahme zustimmen. Meine Kunden bestellen ihre maßgeschneiderten Mäntel auf der Crowdfunding-Plattform Ulule. Ich setze mich dann per E-Mail mit ihnen in Verbindung, um ihre Wahl der Anpassung zu bestätigen (die Ulule-Plattform lässt bei der Bestellung nicht so viele Auswahlmöglichkeiten zu, wie er anbietet). Sie zahlen per Kreditkarte oder Paypal an Ulule, das den Betrag dann bis zum Ende der Vorbestellungszeitraums blockiert. Wenn genug Vorbestellungen erreicht sind, wird die Zahlung freigegeben und die Produktion aufgenommen. Andernfalls wird den Kunden ihr Geld vollständig rückerstattet. Sobald die Mäntel hergestellt sind, versende ich sie."

Auf der Vorbestell-Website von Ulule beginnt die Geschichte dieses Systems mit der Denim-Marke 1083, die 2013 eine der ersten großen Vorverkaufskampagnen einleitete. „Dank dieser Kampagne konnte Gründer Thomas Huriez einen umfassenden Markttest durchführen und eine der Nachfrage angepasste Produktion auf den Markt bringen", sagt Annika Schlüter, Projektleiterin für Mode und Design bei Ulule, per E-Mail: „Seit der Einführung des perfekten Pullovers der Marke Asphalte auf Ulule im Jahr 2016 können wir sagen, dass die Preorder für alle Arten von Projekten auf Ulule immer demokratischer geworden ist. So entstehen jedes Jahr neue Trends. Zum Beispiel können wir sehen, dass 2018 bei Ulule hauptsächlich das Jahr der modischen Schuhe war (Caval, Ubac, Belledonne, N'go), 2019 war das Jahr der Menstruationsunterhosen (Réjeanne, Blooming, My Holy, Lily Basic, Peachday). Dieses Jahr beobachten wir bei verschiedensten Projekten Innovationen auf der Ebene der Materialien, wie vegane oder Recyclingmaterialien. Ulule ist daher ein echter Trendspot und ein Inkubator für Projekte mit Wirkung.”

Gegenwärtig verfügt die Plattform über rund 20 Preorder-Projekte im Bereich Mode und Accessoires, wobei jeden Tag neue Projekte hinzukommen.

„Die Gesundheitskrise wirkt sich positiv auf Projektstarts und Mitwirkende aus", stellt Annika Schlüter fest. „Der August zum Beispiel war zuvor nie ein dynamischerer Monat auf der Plattform, sowohl was die Markteinführung als auch die Mittelbeschaffung betrifft." Die neuen, verantwortungsvolleren Arten von Konsum scheinen in vollem Gange zu sein.

Eine kurze Preorder-Dauer und keine Lagerbestände

Die meisten Unternehmen, die Preorder-Projekte tätigen, kommunizieren ökologische und verantwortungsvolle Ziele: "der Wunsch, das derzeitige Modell umzukehren" (Circle Sportswear), "die Verteidigung einer neuen Art und Weise, Kleidung zu kreieren, herzustellen und zu kaufen" (Réuni), "die Vermeidung von Abfall" (Atelier Loden). Da alles, was produziert wird, auch garantiert gekauft wird, ermöglicht die Vorbestellung die Vermeidung von Überproduktion. Darüber hinaus wird auch die Anzahl der Modelle reduziert, die nur in Schnitt- oder Farbdetails variieren. Aus der Sicht der Lagerhaltung ist es eine Möglichkeit, Bestandsprobleme und die Verwaltung nicht verkaufter Artikel zu vermeiden – ein Ärgernis, das viele Modehändler nach dem ersten Lockdown besonders stark traf.

Außerdem wird die Einführung vorbestellter Teile nicht durch den Saisonkalender der Branche bestimmt. Wie Drops, ein Ansatz, der sich in den letzten Jahren weit verbreitet hat, werden Stücke auf einer Charge-für-Charge-Basis verkauft, wenn die Marke den Zeitpunkt für richtig hält. Sichtbarkeit wird durch Social Media und gut vorbereitete Kampagnen erreicht.

Annika Schlüter erklärt: „Die Kampagne ermöglicht ein kommunikatives Highlight. Die Vorbestelldauer ist zeitlich begrenzt, was eine zusätzliche Motivation für die "Zögernden" ist, schnell teilzunehmen und für die Medien und Influencer, darüber zu sprechen (sie bieten ihren Lesern also interessante Angebote)".

Bei Réuni, der jungen Marke des Podcasters Adrien Garcia, bleibt die Verkaufsseite auf der Website nicht lange aktiv: "zwischen einer Woche und einem Monat", sagt der Gründer in einer E-Mail an FashionUnited. Bei Circle Sportswear, einer Marke für technische Sportbekleidung, dauert die Kampagne (Fotos, Videos, Muster zum Anprobieren) ihrerseits etwa zwanzig Tage.

Um diese kurze Zeit in einen effektiven Verkauf zu verwandeln, wird die Produkteinführung oft von einem Sonderpreis begleitet. Dies ist insbesondere bei Réuni der Fall, wo der Mantel im Vorverkauf zum Preis von 395 Euro verkauft wurde und dann später auf 455 Euro stieg. Der Bestand ist inzwischen ausverkauft, "mehr als 300 von 500 verfügbaren Mänteln wurden in weniger als 2 Stunden verkauft", vertraut Adrien Garcia an. Das Stück, "der größten Luxushäuser würdig", wurde zu einem Preis mit einem unschlagbaren Verhältnis von Qualität/Ethik/Preis angeboten, denn dank des Fehlens von Zwischenhändlern kann die Marke "das ganze Jahr über angemessene Gewinnspannen und faire Preise anwenden".

Eine personalisierte Kommunikation

Auch die Nachsorge ist wichtig: Wenn das Modell nicht ganz passt (zu lang oder nicht gebogen genug), vertraut Bastien Hullessen an, dass es ausreicht, ihn zu kontaktieren, und er kümmert sich um eventuelle Änderungen. Die Kommunikation zwischen der Marke und ihrem Kunden blüht noch mehr auf, wenn sie das Produkt gemeinsam entwerfen. Dies gilt insbesondere für Asphalte (eine Konfektionsmarke für Männer), Circle Sportswear und Réuni. Zu diesem Thema sagt Adrien Garcia: „Das Co-Creation-System und die Tatsache, dass wir in direktem Kontakt mit unseren Kunden stehen, bedeutet, dass wir perfekt auf ihre Bedürfnisse eingehen können. Die Kommunikation während des gesamten Herstellungsprozesses spielt eine wichtige Rolle. Wir nehmen unsere Kunden mit hinter die Kulissen. Dieses Teilen, diese Transparenz schafft eine starke Verbindung. Am Ende sind sie Teil des Teams".

Verbesserungen

Die Wartezeit zwischen der Bestellung und dem Erhalt des Produkts variiert im Allgemeinen zwischen einem oder zwei Monaten. "Wir arbeiten daran, sie zu reduzieren", sagt Adrien Garcia. Er fügt hinzu: „Kleidung herzustellen ist keine exakte Wissenschaft. Wir sind nie sicher vor einer Störung in der Produktionskette, vor einer Verzögerung bei einem Lieferanten. Wir haben jetzt beschlossen, die Produktion von Stoff oder Rohmaterial vor der Vorbestellung aufzunehmen, um die Wartezeit und die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass die von unseren Lieferanten angekündigten Termine nicht eingehalten werden."

Aber zur Frage des Wartens meint Circle Sportswear: „Eigentlich ist das Modell interessant, denn wenn man es mit dem klassischen Einzelhandelsmodell vergleicht, werden die Winterkollektionen ab September gezeigt und zwei bis drei Monate später geliefert." Unter diesem Gesichtspunkt wird also die Zeitspanne zwischen der öffentlichen Präsentation des Produkts und seiner Aufnahme durch den Kunden mit dem Vorbestellmodell verkürzt.

Bastien Hullessen weist seinerseits auf einige Schwierigkeiten hin. „Die Nachteile, die ich identifiziere, sind vor allem die Kosten, die sich auf acht Prozent des eingenommenen Betrags belaufen. Darüber hinaus habe ich keine völlige Freiheit bei der Gestaltung meiner Verkaufsseite auf Ulule, weshalb viele Projekte mit einem ausgeklügelten ästhetischen Universum nur in Bildern präsentiert werden, um vom Grundlayout wegzukommen. Zu guter Letzt sammeln die Betreiber der Website die Daten, im Gegensatz zu meiner eigenen Website, wo ich mehr Flexibilität hätte."

Das Modell mag nicht perfekt sein, aber die Vorteile scheinen zu überwiegen. Jede der befragten Marken will es langfristig beibehalten.

Das Coronavirus hat die Anbieter der Preorder-Projekte nicht verschont. In einer langen Botschaft, die Réuni in seinem Blog veröffentlicht hat, erzählt die Marke von ihren Rückschlägen (Absagen von Shootings, verschobene Drops) und behält den ehrlichen Ton bei, der sicherlich zu ihrem Erfolg beigetragen hat. Ihr Erfolg beweist, dass Preorder-Modelle begehrlich sein können, und zeigt auch, dass die Konsumentin im Zeitalter der sofortigen Wunscherfüllung endlich bereit ist zu warten, wenn sie weiss, dass das Stück es wert ist.

Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ

Foto: Website Réuni, von Benoît Auguste.

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