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Marc Bohan: Ein Modeschöpfer der alten Garde

Von Jule Scott

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Archivbild, Juli 1988: Das französische Model Inès de La Fressange (l.) und der französische Designer von Christian Dior Marc Bohan (r.). Bild: AFP Pierre Guillaud / AFP

Der Designer Marc Bohan, der am vergangenen Freitag im Alter von 97 Jahren verstarb, ist etwas gelungen, von dem die meisten Designer:innen heutzutage nur träumen können. Fast drei Jahrzehnte lang leitete er das französische Luxusmodehaus Dior – länger als selbst dessen Gründer und Namensgeber Christian Dior. FashionUnited lässt seine außergewöhnliche Karriere bei Dior Revue passieren.

Vom Lückenfüller zum längsten Kreativdirektor aller Zeiten

Seine Zeit bei Dior begann Bohan 1958 als Teil des Designteams des Maisons. Nur zwei Jahre später sollte er in die Rolle des Head Couturiers für Dior schlüpfen, galt jedoch lediglich als Lückenfüller, denn noch sollte keiner ahnen, dass er das Modehaus erst nach fast 30 Jahren wieder verlassen würde. Der damals 34 sollte die Position eigentlich lediglich für Yves Saint Laurent warmhalten, der Dior seiner Zeit leitete, allerdings während des algerischen Unabhängigkeitskrieges von der französischen Armee einberufen wurde. Nach einem Nervenzusammenbruch in der Armee kehrte dieser jedoch nie zu Dior zurück. So wurde Bohans Vertrag dem Branchenmagazin Women’s Wear Daily zufolge von einem temporären zu einem permanenten.

An der Spitze von Dior erlebte Bohan den Wandel der Zeit und bestand dennoch auf zeitlose Designs, ohne dabei jedoch den Zeitgeist und die sich verändernden Wünsche der Frauen aus den Augen zu verlieren. Die Frau und damit die Kundin stand ohnehin für ihn im Mittelpunkt. „Ich mache Kleider für echte Frauen, nicht für mich selbst, nicht für Schaufensterpuppen und nicht für Modemagazine“, sagte er in einem Interview mit WWD anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums bei Dior. „Die abstrakten Kreationen überlasse ich gerne anderen.“

Kleidung für echte Frauen in einer sich wandelnden Zeit

Während in der Mode nichts so beständig ist wie der Wandel, blieb der Stil von Bohan über all die Jahre bei Dior konstant. Er kreierte feminine Kleidung, nicht gerade subversiv, wenn nicht sogar etwas konservativ, die besonders bei seinen wohlhabenden Kundinnen sehr gut ankam. Die Schneiderkunst stand im Zentrum dessen, was Bohan kreierte und auch das Erbe von Christian Dior selbst vergaß der Designer keineswegs. Genau wie Dior betonte auch Bohan in seinen Entwürfen die Weiblichkeit und so waren auch Elemente, wie schmale Taillen, weite Röcke und maßgeschneiderte Jacken, die an den ikonischen "New Look" von Christian Dior erinnerten, keine Seltenheit.

Zumindest bis der Designer 1961 den “Slim Look” eingeführte. In Anlehnung an die aufkommende Mod-Kultur verlieh Bohan Dior einen neuen, modernen Stil. "Die Silhouette ist geschmeidig, schlank, die Schultern sind natürlich, die Taille fließend, die Hüften sind sehr flach”, so die damalige Pressemitteilung zur Kollektion, wie es dem von Dior veröffentlichten Buch “Dior by Marc Bohan – A Look at Dior’s Rich History” verrät. Die sich ständig verändernde Modelandschaft navigierte Bohan von diesem Zeitpunkt an mit Finesse. Mit seinen modernen, humorvollen Entwürfen gewann er ein neues Publikum für sich, während er gleichzeitig dafür sorgte, dass seine treuen Kundinnen in klassischen Silhouetten Halt fanden.

Die zweite Hälfte seiner illustren und langen Karriere bei Dior widmet Bohan sich der Kunst, einer Inspirationsquelle, die nur zu häufig in die Mode einfließt. Eine prägende Gestalt in dieser Zeit war vor allem die Künstlerin Niki de Saint Phalle, die einst als Dior-Model arbeitete, bevor sie zu Bohans Muse wurde. Das diese Zusammenarbeit Jahre später erneut Früchte auf dem Laufsteg von Dior tragen würde, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen. Doch für Diors Frühjahr/Sommer 2018 Show blickte die amtierende Kreativdirektorin Maria Grazia Chiuri zurück ins Archiv.

„Meine Kindheit und Jugend wurde von den Kreationen von Marc Bohan für Dior begleitet. Er war ein großer Innovator, dem es gelang, ein charismatisches Haus wie Dior mit der ganzen Vitalität der sechziger Jahre zu erfüllen und den Zeitgeist voll und ganz widerzuspiegeln”, so die Designerin in einem Beitrag der Marke auf Instagram. „Als ich zu Dior kam, habe ich seine Arbeit intensiv studiert, und er hat mich zu vielen Kollektionen inspiriert, darunter eine mit der feministischen Künstlerin Niki de Saint Phalle, die eine seiner besten Freundinnen war.“

Übernahme durch LVMH und der Abschied von Bohan

Das Anfang vom Ende der Zeit des Designers bei Dior ist schwer zu datieren, doch ein Zusammenhang mit der Übernahme der Textilgruppe Boussac, der Dior zu diesem Zeitpunkt gehörte, durch den Luxusgüterkonglomerat LVMH in 1984 liegt nahe.

Fünf Jahre später übernahm der italienische Designer Gianfranco Ferré für Bohan – einen Wechsel, den die Zeitung The Times vor allem dem angeblich ausbleibenden Erfolg der Ready-to-Wear-Kollektionen des Modehauses zuschreibt. Bohan habe Dior als die Nummer Eins unter für Couture-Kleidung und Made-to-order-Stücken etabliert, doch seine Ready-to-Wear-Entwürfe waren nie von demselben Erfolg gekrönt. Ein Schicksal, das wohl einigen derzeitigen Designer:innen durchaus bekannt vorkommen könnte.

Unterm Strich war Bohan ein Designer der alten Garde. Kleidung kam vor Publicity und Couture vor Ready-to-Wear. Obwohl er außerhalb von Modekreisen letztlich weitgehend unbekannt war, überdauerten seine Entwürfe endlose Modezyklen, und auch wenn er diese vielleicht nicht definiert hat, hat er es auch niemals zugelassen, dass sie ihn definieren. Das mag seiner Zeit einfacher gewesen sein, denn Bohan arbeitete in einer Ära, bevor Mode zur Massenunterhaltung wurde und als man von Designer:innen noch erstklassige Schneiderkunst und keine grandiosen Visionen erwartete – doch es wirft die Frage auf, ob es nicht an der Zeit ist, dass sich die Modebranche wieder auf ihren Ursprung besinnt.

Dior
Marc Bohan