Nepo-Babies oder Mode im Blut? CEOs unter 40 Jahren
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In der Mode dreht sich alles um Beziehungen, doch was, wenn diese nicht erst geknüpft werden müssen, sondern in die Wiege gelegt wurden?
In den letzten Monaten scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass Hollywood nicht nur eine Hochburg für gutes Aussehen, sondern auch für Privilegien ist. Die Debatte, die daraufhin in den sozialen Medien entfacht wurde, ist nicht besonders bahnbrechend, führte allerdings zu der Einführung eines Begriffs, der die Welt seither im Sturm erobert – Nepotism-Baby, oder dessen schicke, twitterreife Abkürzung, das "Nepo-Baby".
Das Internet ist geradezu besessen von berühmten "Nepo-Babys" – besonders von jenen mit bekannten Gesichtszügen und noch bekannteren Nachnamen. Models mit prominenten Eltern wie Gigi und Bella Hadid, Kendall Jenner und Cindy-Crawford-Tochter Kaia Gerber mussten bereits öffentlich Rechenschaft ablegen. In der Modebranche gibt es aber auch eine ganze Brigade von jungen Führungskräften, deren Namen Türen öffneten, schon lange bevor sie mit am Verhandlungstisch saßen.
Nepo-Babies oder die beste Nachfolge?
Während die Debatte um Nepo-Babies meist auf ihren offensichtlichen Privilegien basiert, wird sie in der Führungsriege der Mode ein wenig komplizierter. Wurden die Privilegien den zukünftigen CEOs in die Wiege gelegt oder wurden sie bereits seit Kindesalter bestens darauf vorbereitet, das Familienunternehmen zu übernehmen?
Vor allem wenn Familienmitglieder von Unternehmensgründer:innen noch recht jung – mit weniger als 40 Jahren schon an die Unternehmensspitze aufsteigen – scheint sich diese Frage zu stellen. Auf der Suche nach einer Antwort, könnte ein Blick in die oftmals ähnlichen Lebensläufe der Sprösslinge Aufschluss geben.
Die Arnault-Dynastie
Jedes Imperium braucht Nachfolger:innen, und Bernard Arnault, CEO des Luxuskonglomerats LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton, hat fünf potenzielle Anwärter:innen auf den Thron. Alle fünf Arnault-Kinder, Delphine, Antoine, Alexandre, Frédéric und Jean, sind derzeit in das Familienunternehmen eingebunden, wenn auch in unterschiedlichen Funktionen.
„Von klein auf hat unser Vater uns immer sehr stark einbezogen. Er hat uns immer von der Unternehmensgruppe, seiner Arbeit und seinen Kund:innen erzählt. Wir wurden konsultiert (...). Ich erinnere mich, dass ich im Alter von zehn Jahren mit ihm zum Modehaus Dior ging“, erinnert sich Delphine Arnault in Élodie Andriots Buch "Patronnes - Tête-à-tête avec les numéros unes" (dt. Chefinnen – im Gespräch mit Frauen an der Spitze) zurück. Sie selbst wurde kürzlich zur Dior-Couture-Geschäftsführerin ernannt.
Alexandre Arnault
Bernard Arnaults Bestreben, seine Kinder schon früh in das Familienunternehmen zu integrieren, wird noch deutlicher, wenn man die Karrieren seiner drei jüngsten Söhne unter die Lupe nimmt. Alexandre Arnault machte zum ersten Mal Schlagzeilen, als er mit nur 24 Jahren zum Co-CEO des deutschen Reisegepäckunternehmens Rimowa ernannt wurde, nachdem LVMH 80 Prozent des Unternehmens erwarb.
Laut Business of Fashion war es Alexandre, der nicht nur als Erster das Potenzial der Traditionsmarke aus Köln erkannte, sondern auch Eigentümer Richard Morszeck aufsuchte. Heute, im Alter von 30 Jahren, ist Alexandre Executive Vice President of Product and Communication bei Tiffany & Co, der bisher größten Akquisition des Konglomerats. Unter seiner Führung hat der Luxusjuwelier mit prominenten Persönlichkeiten wie Jay-Z, Beyonce und Blackpinks Rosé zusammengearbeitet und kürzlich eine viel diskutierte Sneaker-Kollaboration mit Nike auf den Markt gebracht – mit der Alexandre bei einem Spiel der Basketballmannschaft New York Knicks stolz auflief.
Frédéric Arnault
Nicht viele können von sich behaupten, nur zwei Jahre nach ihrem Universitätsabschluss an der Spitze einer globalen Luxusmarke zu stehen. Für Frédéric Arnault, der im September 2018 sein Studium in angewandter und Computer-Mathematik am renommierten École Polytechnique abschloss, ist dies jedoch Realität. Laut seinem LinkedIn-Profil absolvierte der heute 28-Jährige während seines Studiums Sommerpraktika bei dem Online-Konzern Facebook und der Unternehmensberatung McKinsey, – demselben Unternehmen, bei dem seine Halbschwester Delphine Jahre zuvor gearbeitet hatte.
In seinem letzten Studienjahr wechselte er schließlich zur Schweizer Luxusuhrenmarke Tag Heuer und wurde mit den Smartwatch-Aktivitäten des Unternehmens betraut. Der Sprössling von Bernard Arnault wurde von Anfang an auf den Chefsessel vorbereitet. Geschäftsführer Stéphane Bianchi bereitete ihn auf die Rolle vor – ein Schritt, der im Juni 2020 Früchte trug, als Bianchi die Zügel an den damals 25-jährigen Frédéric Arnault übergab und selbst an die Spitze der Uhren- und Schmucksparte von LVMH rückte.
Jean Arnault
Noch hat es sich Jean Arnault nicht im Chefsessel bequem gemacht, doch der jüngste Arnault ist auf dem besten Weg, in die Fußstapfen seiner Geschwister zu treten. Er verfügt über zwei Master-Abschlüsse, einen in Maschinenbau vom Imperial College in London und einen in Finanzmathematik vom Massachusetts Institute of Technology. Nachdem er sein Studium im Sommer 2021 beendet hatte, wurde er zum Director of Marketing and Development of Watches bei Louis Vuitton ernannt – der gleichen Marke, bei der er laut seinem LinkedIn-Profil 2017 zwei Monate lang als Mitarbeiter im Verkauf gearbeitet hatte. „Ich war Student in London, als Frédéric bei Tag Heuer zu arbeiten begann“, sagte Jean im Gespräch mit der Financial Times und schrieb seine Leidenschaft für Uhren seinem älteren Bruder Frédéric zu. „Wir haben eine enge Beziehung zueinander, und er fing an, mit mir über die neuen Uhren und all die verschiedenen Dinge zu sprechen, an denen er arbeitete. Ich war fasziniert.“
Marc O’Polo: Wie der Vater so der Sohn
Als Werner Böck 1987 über 40 Prozent von Marc O’Polos schwedischer Muttergesellschaft erwarb, steckte sein Sohn Maximilian noch in den Kinderschuhen. Zehn Jahre später wurde Böck Senior Mehrheitseigentümer der Marke, die heute unter der Leitung seines Sohnes in Stephanskirchen angesiedelt ist. Mit noch nicht einmal 35 Jahren blickt Maximilian Böck bereits auf fast zwei Jahre im Chefsessel des Familienunternehmens zurück.
Auf seine Rolle wurde er durchaus vorbereitet: Nach einer Ausbildung als Trainee für Buying und Retail beim Düsseldorfer Bekleidungshändler Peek & Cloppenburg arbeitete Böck Junior dort als Einkäufer, bevor er ins Familienunternehmen wechselte. Er bekleidete erst die Position des Director Retail bei Marc O’Polo, bevor er zum Chief Retail Officer und CO-CEO neben Dieter Holzer ernannt wurde. Letzteres sollte ihn auf seine spätere Rolle als alleiniger Geschäftsführer vorbereiten. Mit seinem Sohn an der Spitze könne die langfristige und aktuell erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens im Sinne der Familie in der Zukunft sichergestellt werde, kommentierte Werner Böck die Ankündigung des Führungswechsels 2020 und bewies damit, dass das Geschäft auch in diesem Fall Familiensache ist.
Prada-Spross und Rennfahrer
Die Zukunft des italienischen Prada Group liegt in den Händen von Lorenzo Bertelli, Sohn von Designerin Miuccia Prada und ihrem Ehemann Patrizio Bertelli, mit dem sie sich jahrelang den Geschäftsführerposten teilte. Miuccia Prada selbst übernahm das familiengeführte Unternehmen 1978, nun ist ihr Sohn an der Reihe. Der ältere der beiden Prada-Sprösslinge machte bislang vor allem Schlagzeilen als Rennfahrer, ist allerdings bereits seit 2015 Teil des Familienunternehmens, damals noch als Mitglied des Verwaltungsrates, in der Zwischenzeit als Marketing Director und Head of Corporate Social Responsibility.
Sein Aufgabenbereich könnte sich allerdings schon bald vergrößern, denn der im Dezember berufene CEO Andrea Guerra soll Bertelli auf seine Zeit im Chefsessel des elterlichen Unternehmens vorbereiten. Die Eltern des 34-Jährigen, der Philosophie an der Universität von San Raffaele in Mailand studierte, machen um dessen Zukunft im Familienunternehmen keinen Hehl. „Wir werden älter, mein Mann und ich, und so versuchen wir, die Zukunft für unseren Sohn und für das Unternehmen zu organisieren”, so Prada in einem Interview mit Vogue Business Anfang des Jahres.
Bugatti: Familientradition seit 1947
Familientradition wird im Hause Brinkmann groß geschrieben. Das Bekleidungsunternehmen aus Herford, das heute als Bugatti Holding Brinkmann GmbH & Co. KG bekannt ist, wurde 1947 von Friedrich Wilhelm Brinkmann gegründet. Das Motto des Gründers lautete "Getrennt marschieren, vereint planen" und seine Maxime wird heute in zweiter und dritter Generation weitergeführt. 1986 übernahmen die beiden Brüder Wolfgang und Klaus Brinkmann die Geschäftsführung von ihrem Vater Friedrich Wilhelm, seit 2015 führen sie das Unternehmen – zu dem Bugatti, Eduard Dressler, Wilvorst und Pikeur gehören – gemeinsam mit ihren Söhnen Markus und Julius Brinkmann.
Markus Brinkmann und sein Vater Wolfgang führen die Bereiche Produktion, Personal, IT, Controlling und Finanzen, während Julius und Vater Klaus Brinkmann die Bereiche Vertrieb, Qualität, Produktmanagement und Marketing verantworten. Erste Schritte im Familienunternehmen und den dazugehörenden Marken gingen die beiden Brinkmann-Cousins bereits lange bevor sie an die Spitze aufrückten. Markus Brinkmann stieg 2009, mit knapp 28, als Trainee in das Familienunternehmen ein. Julius, der drei Jahre jünger ist als sein Cousin, absolvierte im selben Jahr ein Traineeprogramm bei Eduard Dressler in Großostheim. Beide sind seit 2012 Vorstandsmitglieder von Bugatti.
Marta Ortega Pérez: Die Fast-Fashion-Erbin
Marta Ortega Pérez arbeitete 15 Jahre lang bei Inditex, dem Fast-Fashion-Imperium ihres Vaters Amancio Ortega, bevor die heute 39-jährige vergangenen April den Vorsitz des Verwaltungsrates des spanischen Textilkonzerns übernahm. Es ist ihre erste offizielle Position bei Inditex, zuvor war sie immer dort aktiv, wo das Unternehmen sie am meisten brauchte – auch auf der Verkaufsfläche –, erklärte Ortega Pérez in einem seltenen Interview mit dem Wall Street Journal 2021.
Auch ohne offiziellen Titel war es Ortega Pérez, die das Markenimage von Zara in den vergangenen Jahren maßgeblich veränderte. Unter ihrer Leitung entstanden Kampagnen mit renommierten Kreativen, die der Modekette einen Premium-Anstrich verliehen, noch bevor eine “Premium”-Kollektion eingeführt wurde. „Ich lebe und atme dieses Unternehmen seit meiner Kindheit (...)”, so Ortega Pérez in einer Mitteilung von Inditex im November 2021. „Ich habe immer gesagt, dass ich mein Leben dem Aufbau des Erbes meiner Eltern widmen würde, indem ich in die Zukunft blicke, aber aus der Vergangenheit lerne und dem Unternehmen, unseren Aktionären und Kunden dort diene, wo ich am meisten gebraucht werde.”
Erfolgsgarant Abstammung?
Dies ist lediglich ein Auszug an besonders jungen CEOs aus dem Führungskräfte-Register bekannter Modedynastien, in denen der Staffelstab in Familienhand verblieben ist. Familienmitglieder von Modehäusern wie Missoni oder Versace und von Stylistinnen wie Carine Roitfeld könnten sich problemlos in die lange Liste einreihen. Viele auf den ersten Blick nicht ganz so glamouröse Modeimperien wie Peek & Cloppenburg, die Otto Gruppe und C&A befinden sich ebenfalls fest in Familienhand, doch das nicht immer ohne Probleme.Manchmal möchte der Nachwuchs einen eigenen Weg einschlagen, und nicht alle versuchen, ihre Nachfolge innerhalb der Familie zu regeln.
François-Henri Pinault, CEO des Luxusmodekonzerns Kering, gilt heute als Bernard Arnaults und somit LVMHs größter Konkurrent. Er war einst selbst gerade einmal 23 Jahre alt, als er 1987 in die Firma seines Vaters, François Pinault, einstieg. 2005 trat er letztendlich in die Fußstapfen seines Vaters und taufte die Gruppe einige Jahre später in Kering um. Im Vergleich zum Arnault-Klan, ist bis dato keines der Kinder von Pinault Teil der Gruppe und seine potentielle Nachfolge ist somit noch gänzlich offen.
Auch Bekleidungsmarken wie S.Oliver und Marc Cain versuchen ihr Glück mit Kandidaten außerhalb der Familie – fernab von möglichen Nepo-Babies. Sowohl in Rottendorf als auch in Bodelshausen sind die Zügel heute wieder in Gründerhand und sind Paradebeispiele dafür, dass die Nachfolge nicht immer reibungslos verläuft – weder im Familienkreis, noch außerhalb der eigenen Sippe.