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BabyOne: „Der Lockdown war ein Digitalisierungs-Booster“

Von Regina Henkel

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Business|INTERVIEW

Die Corona Krise hat auch vor der jüngsten Zielgruppe nicht Halt gemacht: Dem Babymarkt. Weil hier noch viel stationär gekauft wird, haben die Ladenschließungen die Branche hart getroffen. Anna Weber und Jan-Willem Weischer treten Ende dieses Jahres in die Fußstapfen ihrer Eltern und übernehmen die Unternehmensnachfolge bei der Franchise-Fachmarktkette BabyOne aus Münster. Das inhabergeführte Familienunternehmen betreibt 43 eigene Fachmärkte, 61 Standorte werden von insgesamt 26 Franchisenehmern geführt. 2009 startete das Unternehmen einen eigenen Onlineshop als digitales Schaufenster der Fachmärkte. Seit Ende 2019 sind alle lokalen Handelspartner mit ihrem Sortiment im „Ship-from-Store-Modell“ an den BabyOne Onlineshop angebunden. Im Interview sprechen die beiden über die wirtschaftliche Situation nach dem Lockdown, wie sich der Blick auf die Digitalisierung in der Krise gewandelt hat und über nachhaltige Produkte.

Drei Monate Corona-Krise: Wie sieht Ihre aktuelle wirtschaftliche Situation aus?

Jan Weischer: Sehr gut und solide. Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir über eine gute Eigenkapitalquote verfügen. Wir sind in der Vergangenheit stetig organisch gewachsen. Weniger als fünf Prozent Wachstumsrate waren es in den letzten Jahren selten.

Wie hat sich das durch die Ladenschließungen verändert?

Weischer: Im Jahr 2019 haben wir einen Umsatz von 235 Millionen Euro erwirtschaftet. Bei viereinhalb Wochen Shutdown und geschlossenen BabyOne Geschäften rechnen wir mit rund einem Zwölftel weniger Umsatz in diesem Jahr. Unsere Stammkunden haben zwar vermehrt in unserem Onlineshop gekauft, dadurch konnten unsere Geschäfte in der Notsituation zumindest online Umsatz realisieren. Auch haben wir online viele Neukunden erreicht. Doch man muss realistisch bleiben: 90 Prozent des Umsatzes machen wir aktuell immer noch stationär.

Anna Weber: Vor Corona sind wir von einem Wachstum in 2020 von zehn Prozent ausgegangen. Natürlich ist es klar, dass diese Wachstumsrate bei Umsatzverlust von fast 90 Prozent über einen Zeitraum von über einem Monat nicht mehr haltbar ist. Doch wir sind optimistisch, dass wir Ende des Jahres keinen großen Verlust erwarten und nicht unternehmerisch gefährdet werden.

Was war die größte Herausforderung im Lockdown für Sie und Ihre Filialpartner?

Weber: Ganz klar die Tatsache, stationär von einem Tag auf den anderen Null Euro Umsatz zu machen! Gerade am Anfang, als noch nicht abzusehen war, wie lange dieser Shutdown dauern würde, gab es natürlich auch Existenzängste. Das war auch für unsere Franchisenehmer sehr ungewohnt und daher eine sehr besorgniserregende Situation.

Welche Learnings können Sie aus dem Lockdown ziehen?

Weber: Eine für uns essentielle Erfahrung aus dem Lockdown und der Wiedereröffnung ist, dass unsere Kunden trotz Infektionsgefahren, Abstandsregeln und Maskenpflicht wiederkommen! Wir können uns also auf die Frequenz im Laden verlassen, denn unseren Kunden ist es wichtig, weiterhin stationär einkaufen zu können und vor Ort eine exzellente Beratung zu erhalten.

Sie beschäftigen 110 Mitarbeiter in der Zentrale in Münster. Welche Auswirkungen hatte die Corona-Krise auf die Mitarbeiter?

Weber: Für etwa 50 Prozent der Mitarbeiter mussten wir Kurzarbeit anmelden. Sowohl die Filialen als auch die Zentrale in Münster waren davon betroffen. Die Mitarbeiter im Bereich E-Commerce und Controlling haben zur Liquiditätssicherung komplett durchgearbeitet. Auch Mitarbeiter in den Filialen konnten wir dank unseres Online-Vertriebsmodells „Ship-from-Store“, digitaler Liveberatung auf Instagram und unseren zusätzlichen Live-Chats in unserem Onlineshop weiterbeschäftigen.

Der Wettbewerbsdruck im Handel ist groß, zum einen die großen Babyfachmärkte mit Konzernstruktur wie Babywalz, auf der anderen Seite Amazon, der auch immer mehr Nischen besetzt. Mit welcher Strategie wollen Sie sich behaupten?

Weischer: Unser USP ist unsere hohe Beratungskompetenz, die wir von der Fläche aus auch online immer besser abbilden möchten. Das können Unternehmen wie Amazon oder auch große Online-Player aus unserem Bereich nicht auf diese Weise leisten. Unsere stärksten Wettbewerber sind online aktuell besser als wir, doch wir sind stationärer Marktführer in der DACH-Region. Diese Ausgangsposition sehen wir sehr positiv und wollen unser Omnichannel-Konzept nun stetig auf allen Kanälen voranbringen und ausbauen.

Wie wichtig ist das Online-Geschäft für Ihre Läden und wie reagieren Ihre Franchise-Nehmer auf den Onlineshop?

Weischer: Anfänglich gab es seitens unserer Franchisepartner natürlich auch Skepsis. Der Onlineshop startete 2009 als “digitales Schaufenster” und wurde ursprünglich als Konkurrenz gesehen. Es bestand die Angst, einen Teil des stationären Umsatzes an Online zu verlieren. Das haben wir sehr ernst genommen und gemeinsam mit unseren Partnern in einem wirklich großen und zeitintensiven Projekt ein neues E-Commerce-System entwickelt und eingeführt.

Wie sieht das neue E-Commerce-Modell konkret aus?

Weber: Wir haben den Großteil unserer Logistik komplett auf “Ship-from-Store” umgestellt, das heißt alle unsere Handelspartner sind an unseren Onlineshop angebunden und partizipieren vom Umsatz. So werden Online-Bestellungen auch aus unseren regionalen Läden versendet – wenn sie dort vorrätig sind. Bestellungen werden seitdem immer von dem Partner ausgeführt, der erstens den kompletten Warenkorb ausliefern kann und zweitens am wenigsten weit von der Lieferadresse entfernt ist.

Weischer: Damit ist der Onlineshop für unsere Franchisepartner kein Konkurrent mehr, sondern ein gern gesehener Neukundenlieferant. Während des Lockdowns waren wir alle sehr froh, dieses System schon vor Monaten etabliert zu haben und so Online-Umsätze auch direkt von den Flächen realisieren zu können. Erfreulich war dabei, dass sich unsere Franchisepartner nun binnen kürzester Zeit viel intensiver mit dem E-Commerce auseinandergesetzt haben und zum Teil echte SEO- oder Google-Experten geworden sind.

Welche konkreten Veränderungen haben Sie bereits angestoßen beziehungsweise im Unternehmen umgesetzt?

Weber: Unser Ziel ist es, dass unsere Teams performanceorientiert nach vorgegebenen KPIs arbeiten, die ganz transparent für jeden Mitarbeiter definiert sind. Um dies zu erreichen, übergeben wir viel Verantwortung an die Mitarbeiter und setzen damit erste Ideen von „New Work“ und „Ownership“ bei uns um. Das funktioniert aber nicht auf Knopfdruck. Es ist immens wichtig, dass wir den Veränderungsprozess vorleben und permanent Beispiele zeigen, an denen sich unsere Mitarbeiter orientieren können.

Und auf den Digitalisierungsprozess bezogen?

Weischer: Wir haben uns konkrete Wachstumsziele gesetzt und sehr genau überlegt, wie unser Omnichannel-Konzept aussehen soll – auch konkrete Zahlen haben wir dazu formuliert. Um wirklich jeden Mitarbeiter zu erreichen und unsere Idee zu erklären, haben wir ein Buch „Abenteuer Zukunft“ erstellt, gedruckt und allen zur Verfügung gestellt.

Hat Corona den Digitalisierungsprozess beschleunigt?

Weischer: Unsere Stärke, die Beratung, haben wir von heute auf morgen ins Netz gebracht. In unserem Online-Chat haben wir 400 bis 500 Gespräche geführt – pro Tag. In Hoch-Zeiten waren es sogar mehr. Zusätzlich haben wir über Instagram Live-Sprechstunden und -Beratungen angeboten, die stark frequentiert wurden. Wir konnten viele wertvolle Erfahrungen sammeln und das hat die Digitalkompetenz unserer Franchisenehmer extrem gestärkt.

Weber: Der Corona-bedingte Lockdown war für uns ein regelrechter „Digitalisierungs-Booster“. Initiativen und Projekte, die wir erst in einigen Monaten gestartet hätten, ziehen wir jetzt vor, zum Beispiel eine noch stärkere Kundenzentrierung und digitale Beratungsmöglichkeiten haben absolute Priorität bekommen.

Wie sieht die Zukunft aus, wie gehen Sie aus der Krise heraus und welchen Weg werden Sie einschlagen?

Weischer: Wir werden investieren, besonders in die Bereiche E-Commerce, IT und Customer Services. Den größten Block werden dabei Investitionen in Personal darstellen. Wir brauchen neue Mitarbeiter, um uns weiter in Richtung Omnichannel entwickeln zu können. Wir werden sicherlich auf der einen Seite noch kostenbewusster handeln müssen. Aber eines ist auch klar: Wir halten an unserem Expansionskurs fest, denn Investitionen in Zukunftsfähigkeit war noch nie so relevant wie jetzt.

Weber: Dank unseres Krisenmanagements ist die Verbindung zu unseren Partnern und Franchisenehmern noch viel intensiver geworden. Es hat sich manifestiert, dass wir ein Familienunternehmen sind, das sich durch eine starke Gemeinschaft auszeichnet. Und wir haben alle gemeinsam gelernt, dass der Weg zum Omnichannel-Händler ist für Babyone genau der richtige ist.

Was kaufen die Kunden jetzt? Wie hat sich beispielsweise das Segment Nachhaltigkeit im Bereich Babyfashion entwickelt?

Weischer: Wir haben den Anteil an Textilien aus Bio-Baumwolle in den letzten Saisons deutlich ausgebaut: Im Vergleich zu Frühjahr-/Sommersaison 2019 führen wir dieses Jahr circa 40 Prozent mehr Wareneinheiten „organic cotton“ im Sortiment. Den Umsatz konnten wir in diesem Segment um circa 100 Prozent steigern. Unseren Kunden ist dieses Thema sehr wichtig. Das werden wir auch in Zukunft in der Kuration unseres Sortiments stark berücksichtigen.

Hat Corona die Nachfrage diesbezüglich verändert?

Weber: Insgesamt haben wir bei BabyOne im Textilbereich eine positive Entwicklung. Der Umsatzanteil Textil hat sich seit der Öffnung der Läden im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Da aber die Entwicklung der Bio-Baumwoll-Artikel auch vor Corona positiv war, ist es schwierig zu sagen, ob die Corona-Krise ausschlaggebend für die erhöhte Nachfrage nach Nachhaltigkeitstextilien ist. Das müssen wir weiter beobachten.

Foto: BabyOne

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