„Beim Einkaufen geht es um Passform, nicht um Größe” – Bods-Gründerin Christine Marzano über virtuelle Avatare und sexy Technologie
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Da Retouren aufgrund von falscher Größe und Passform im Onlinehandel ein wichtiges Thema sind, suchen Marken nach innovativen Wegen, um sie zu vermeiden. Das in Los Angeles ansässige Start-up-Unternehmen Bods hofft, diesen Wandel in der Branche durch digitale Passform-Lösungen vorantreiben zu können.
Das Tech-Unternehmen, das im Juni 2021 von dem ehemaligen Dior-Model Christine Marzano gegründet wurde, ermöglicht die Erstellung eines 3D-Avatars von sich selbst, durch das reine Hochladen von Bildern. Die fotorealistischen Darstellungen, die durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz erstellt werden, sollen helfen, bessere Kaufentscheidungen zu treffen, indem sie simulieren, wie Kleidung zum Körper passt.
Im März schloss das Unternehmen eine erfolgreiche Finanzierungsrunde ab, an der sich unter anderem das Model Karlie Kloss und die Rent the Runway-Mitbegründerin Jenny Fleiss beteiligten. Nachdem Bods bereits bei einer virtuellen Kampagne mit dem New Yorker Label Khaite zusammengearbeitet hat, strebt das Unternehmen nun weiteres Wachstum an und hat einige Partnerschaften und Teamerweiterungen im Visier, die in Kürze bekannt gegeben werden sollen.
In einem Gespräch mit FashionUnited sprach Marzano, die CEO von Bods ist, über die Ursprünge des Unternehmens, seinen Platz im Metaverse und warum die Tech-Welt nicht so komplex sein muss, wie sie scheint.
Was hat Sie auf die Idee für Bods gebracht?
Vor der Gründung von Bods habe ich im Bereich Avatare gearbeitet, wo wir fotorealistische digitale 3D-Doppelgänger:innen von Menschen hergestellt haben. Ich war tief in dieser Branche verwurzelt und versuchte zu überlegen, wo diese Art von Technologie über das Spielen hinaus nützlich sein könnte. Mit meinem Hintergrund in der Modebranche versuchte ich herauszufinden, wie ich die Technologie dort nutzen könnte. Schließlich schuf ich 2017 meinen eigenen Avatar, als ich erkannte, wie Marken ihn für Marketingzwecke nutzen konnten.
Ich stellte den Avatar Marken und Modelagenturen vor, die ihre Kollektionen digitalisierten, aber es war noch viel zu früh für sie. Also bin ich zurück ans Zeichenbrett, um darüber nachzudenken, wo die Menschen diese Technologie jetzt wirklich brauchen. Ich begann zu recherchieren, mit welchen Problemen die Modebranche konfrontiert ist, und wie man das digitale Einkaufen verbessern kann. Ich erkannte, dass die Menschen Schwierigkeiten hatten, die richtige Größe oder Passform für ihren Online-Kauf zu finden und fragte mich, wie man Avatare einsetzen könnte, um der Kundschaft diese Informationen zu geben, bevor sie ein Kleidungsstück kaufen.
Da kam mir die Idee – ich wusste, dass sie für die Mode wertvoll sein konnte, und Passform und Styling schienen mir die Bereiche zu sein, in denen es die meisten Probleme beim Online-Shopping gibt. Warum also nicht versuchen, den Menschen diese Visualisierung zu ermöglichen?
Hatten Ihre Erfahrungen als Model einen Einfluss auf die Entwicklung des Unternehmens?
Natürlich. Einmal ein Model, immer ein Model. Man lernt so viele verschiedene Aspekte der Modeindustrie kennen und erfährt, wie sie funktioniert. Ich habe auch als Passform-Model gearbeitet, so dass ich auch diesen Teil des Prozesses mitbekommen habe – wie sie die Größen auf mich und meinen Körper abgestimmt haben. Das mag für manche Leute funktionieren, aber es gab definitiv Leute, denen dieses Kleidungsstück nicht passte. Ich bekam ein ziemlich gutes Verständnis dafür, wie dieser Bereich funktionierte, was ich im Hinterkopf hatte, als ich mir die Probleme des E-Commerce ansah.
Ich erkannte, dass ein Grund dafür, dass diese Artikel nicht passen, die Art und Weise ist, wie sie zu Beginn bemessen werden, oder wie die Größenangaben oder Mustergrößen erstellt werden. Das war sehr wichtig, als wir in der Anfangsphase über das Produkt nachdachten. Ich habe mich gefragt, wie man Menschen dazu bringen kann, sich nicht mehr mit anderen zu vergleichen, sondern ihren eigenen Körper zu betrachten und selbstbewusst Entscheidungen zu treffen, die für sie am besten sind. Ich wollte nicht ein Teil des Problems sein. Ich wollte versuchen, eine Lösung zu schaffen.
Welchen weiteren Nutzen können Menschen und Marken aus dieser Technologie ziehen?
Beim Kauf von Kleidung geht es um die Passform, nicht um die Größe. Unsere Software und Erfahrung gibt den Menschen die Möglichkeit, die Passform zu visualisieren. Die Passform ist subjektiv – sie unterscheidet sich von Person zu Person, von Alter zu Kultur, von allem. Es kommt oft vor, dass Menschen Kleidung zurückgeben, nicht weil sie nicht die richtige Größe hat, sondern weil die Passform einfach nicht ihren Vorstellungen entspricht. Was wir der Kundschaft wirklich bieten, ist eine Visualisierung mit genauen Maßen, die sowohl künstliche Intelligenz als auch Spieltechnologie nutzt. Wir geben ihnen die Möglichkeit, die Passform zu bestimmen, die für sie sehr verwirrend sein kann und oft von Marke zu Marke variiert.
Hilft dieses Erlebnis den Marken auch dabei, unnötige Retouren zu vermeiden?
Absolut. Je mehr Informationen die Kundschaft hat, desto fundierter sind ihre Kaufentscheidungen. Viele Frauen kaufen beim Einkaufen zwei oder drei Exemplare desselben Artikels in verschiedenen Größen, um sie zu Hause anzuprobieren und dann zu entscheiden, welches sie zurückgeben möchten. Das ist keine gute Art, einzukaufen. Wenn Sie den Menschen die Informationen geben, die sie brauchen, um die Entscheidung zu treffen, einen Artikel zu kaufen, der ihnen passt, oder ihn gar nicht erst kaufen, ist das für die Marken billiger, als wenn sie etwas kaufen und es dann zurückgeben. Es ist auch besser für die Umwelt, weil Sie das Kleidungsstück nicht hin- und herschicken müssen. Außerdem werden diese anprobierten Kleidungsstücke oft nicht weiterverkauft, sondern entsorgt oder verbrannt. Ich bin mir nicht sicher, ob die Menschen das verstehen. Wenn sie im Vorfeld eine bessere Entscheidung getroffen haben, tragen sie ihren Teil dazu bei, dass Mode nicht so schreckliche Auswirkungen auf die Erde hat.
Im Moment arbeiten Sie hauptsächlich mit Luxusmarken zusammen. Hoffen Sie, das Konzept auf andere Segmente auszuweiten?
Das Ziel ist es, alle Arten von Marken abzudecken – vom Luxus bis hin zum Massenmarkt. Wir beginnen mit dem Luxussegment, denn wenn Sie beweisen können, dass das Konzept funktioniert, wo es die anspruchsvollsten Augen und die höchsten Preise gibt, dann lässt sich auch beweisen, dass es anderswo funktioniert.
Wie kam ihre Zusammenarbeit mit Khaite an?
Unsere Daten zeigen, dass wir die Summe des Warenkorbs erhöht haben und die Besucher:innen länger auf der Website geblieben sind – wir haben also die Verweildauer um ein Vielfaches erhöht. Wir haben auch die Anzahl der Produkte erhöht, mit denen die Kund:innen interagierten, so dass sie ihren Look zum Beispiel mit einer Tasche oder Schuhen ergänzten. Sie kamen mit mehr Produkten in Berührung, als wenn sie nur ein normales Einkaufserlebnis gehabt hätten. Besonders interessant an der Partnerschaft mit Khaite war, dass das Unternehmen nach der Implementierung unseres Systems seine gesamte Größentabelle überarbeitet hat, als es feststellte, dass die Tabelle auf seiner Website falsch war. Das ist großartig.
Eine Kundin, die im Rollstuhl saß, hat uns über Instagram geschrieben, nachdem sie das Khaite-Erlebnis genutzt hatte. Sie sagte, es sei eines der coolsten Erlebnisse, das sie je digital genutzt habe, und wollte wissen, wann es auf andere Marken ausgeweitet würde. Sie fand es erstaunlich, dass sie sehen konnte, wie ein Kleidungsstück an ihrem Körper aussah, ohne in den Laden gehen zu müssen, was ihrer Aussage nach normalerweise ein riesiger Aufwand ist, zu dem sie oft mit jemandem gehen muss. Das ermöglichte es ihr, selbst einzukaufen und Entscheidungen zu treffen – was ich sehr ermutigend fand.
Wie stellen Sie sich den Platz von Bods im Metaverse vor und wie stehen Sie zu diesem sich schnell entwickelnden Bereich?
Ich glaube fest an das Metaverse. Im Moment haben wir keine Ahnung, wie es aussehen wird, aber wir haben eine Menge Ideen. Wir wissen noch nicht, wie es aussehen wird, aber ich bin mir sicher, dass wir digitale Repräsentationen von uns selbst haben werden und dass wir auf rein digitale Weise parallel zur realen Welt interagieren werden. Bods wurde mit diesem Ziel vor Augen entwickelt. Wir können alles, was wir in 3D erstellen, exportieren, egal ob es sich um die Avatare oder die Kleidungsstücke in der Erfahrung handelt.
Wir unterscheiden uns von denjenigen, die ausschließlich im Bereich der digitalen Mode arbeiten, dadurch, dass wir mehr Web 2.5 sind – wir sind eine Brücke, die die Menschen zum Web3 führt. Heute trägt jeder echte Kleidung, aber werden die Menschen in Zukunft digitale Kleidung tragen? Ja, davon sind wir überzeugt. Wir wollen ein Teil davon sein, indem wir den Menschen diese Möglichkeit bieten. In der Zwischenzeit schaffen Rücksendungen, schlecht sitzende Kleidung, Fehlkäufe und die Tatsache, dass sich so vieles beim Einkaufen ins Internet verlagert hat, ein echtes Bedürfnis, das gelöst werden muss. Wenn Sie diese Probleme für ihre Kundschaft lösen können, anstatt sich nur an die Early Adopters zu wenden, und sie dazu bringen, Ihnen als Marke zu vertrauen, werden sie Sie auf dem Weg zur digitalen Mode begleiten. Das ist wertvoll.
Viele Menschen mögen Mode, weil sie schön ist – besonders Luxusmode, die so hochwertig hergestellt und einzigartig ist. Wenn ich über das Metaverse nachdenke oder darüber, wo die Mode in der Zukunft sein wird, glaube ich nicht, dass die Idee darin besteht, das, was wir in Bezug auf die Handwerkskunst bereits erreicht haben, um der Technik willen zu verschlechtern. Es sollte genauso schön oder sogar besser sein, denn wir haben nicht die gleichen Beschränkungen wie in der realen Welt. Sie müssen sich nicht an irgendwelche Regeln halten, aber Sie können es trotzdem hochwertig gestalten und darauf wollen wir uns konzentrieren. Wir versuchen also, die Technik fast unsichtbar zu machen und die Kund:innen mit Dingen interagieren zu lassen, die sexy, anspruchsvoll und einfach zu bedienen sind.
Wie war es für Sie, nach Ihrer erfolgreichen Finanzierungsrunde eine so starke Unterstützung von einer Reihe namhafter weiblicher Investoren zu erhalten?
Das ist fantastisch. Als weibliche Gründerin ist es wirklich großartig zu sehen, dass andere Frauen einen unterstützen, die auch in ihrem eigenen Bereich erfolgreich waren. Ich habe auch großartige männliche Investoren, die mich unterstützen, aber es war wirklich aufregend, viele starke Frauen am Tisch zu haben, vor allem, weil es anfangs nicht so viele Investorinnen gab.
Wie sehen Ihre Pläne aus, wenn die Finanzierungsrunde abgeschlossen ist?
Wir haben einiges in Arbeit. Wir werden mit einigen neuen Marken zusammenarbeiten und das Team vergrößern. Dafür haben wir einen großen Teil der Investition vorgesehen. Wir testen auch intern mit einigen großen Marken. Das Interessante an einer vollständigen E-Commerce-Implementierung im Gegensatz zu einer einmaligen Marketingkampagne ist, dass es sich um eine große Sache handelt, die die Zustimmung aus verschiedenen Teilen des Unternehmens erfordert. Viele metaverse-ähnliche Experiences befassen sich nur mit dem Marketing, aber für eine vollständige Implementierung braucht es alle Abteilungen, was letztendlich gut ist, weil es bedeutet, dass alle an Bord sind und an die Sache glauben.
Haben Sie einen Rat für Leute, die in diesen Bereich einsteigen wollen?
Oft denken die Leute, dass sie nicht in bestimmte Branchen einsteigen können, aber ich habe auch nicht in der Tech-Branche gearbeitet. Ich bin durch Zufall in diese Branche hineingeraten und habe dann meine Erfahrungen als Modell genutzt, was es mir ermöglicht hat, in diesem Bereich ziemlich einzigartig zu sein. Kleine Änderungen, die wir am Produkt vorgenommen haben – wie der Avatar aussieht, wie er steht, was er als Unterwäsche trägt – habe ich aufgrund meines eigenen Verständnisses vorgenommen. Diese kleinen Dinge bewirkten, dass die Menschen auf unsere Lösung emotional reagierten. Ich habe herausgefunden, dass man seine Erfahrungen nutzen und so viel wie möglich aus verschiedenen Bereichen lernen muss und dass die wahre Magie an der Schnittstelle dieser Dinge liegt.
Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ.