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Branche in Alarmstimmung: Krise im EU-Modehandel spitzt sich weiter zu

Von Reinhold Koehler

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Der Modehandel im Euroraum steckt seit vielen Monaten in der wohl größten Krise seiner Geschichte: Während die Mieten in den stark frequentierten Shoppingregionen der Innenstädte exorbitant ansteigen und zugleich immer mehr internationale Wettbewerber auf den Markt drängen, fallen die Absatzzahlen der niedergelassenen Modehändler immer weiter ins Bodenlose.

Trotzdem hatte sich zum Jahresbeginn so etwas wie vorsichtiger Optimismus in der Branche breitgemacht, denn viele dachten, so schlimm wie 2016 kann es eigentlich nicht noch einmal werden. Schließlich hatten noch immer viele Händler nicht begriffen, dass der Umsatzrückgang nicht auf das schlechte Wetter, sondern in erster Linie auf eine hausgemachte Systemkrise zurückzuführen ist.

Eine Krise, die vor allem durch drei Faktoren ausgelöst wurde und durch diese weiterhin befeuert wird: dem Siegeszug der Fast Fashion, dem Ausbau des Onlinegeschäfts und der Verdrängung kleiner Händler durch Marken-Flagship-Stores. Für alle drei Entwicklungen ist die Modeindustrie selbst verantwortlich.

Der Modeberg ist der neue Butterberg

Die Krise des stationären Modehandels ist mittlerweile längst bei den Herstellern angekommen. Zwar verweisen die Unternehmen auf Nachfrage oftmals auf ihr prosperierendes Onlinegeschäft, müssen zugleich jedoch zugeben, dass die dort erzielten Umsatzerlöse die enormen Rückgänge auf der Fläche nicht annähernd kompensieren können. Die Folge: Auch die Konzerne klagen über stets rückläufige Ordern und können sich bereits machen regionalen Showroom nicht mehr leisten.

Dabei reagieren die betroffenen Unternehmen sehr unterschiedlich auf die sich zuspitzende Krise auf dem Textilmarkt: Während sich die einen neu auf ihren Markenkern fokussieren, ihr üppiges Angebot ausdünnen und die Frequenzen reduzieren, werfen andere immer mehr Produkte in immer kürzeren Zeitabständen auf den Markt, um Verluste durch Masse zu kompensieren. Die Folge: Immer mehr Textilien erreichen erst gar nicht den Verbraucher sondern werden direkt nach der Produktion entsorgt. Der Modeberg ist so in den letzten Jahren zum neuen Butterberg geworden – zu einem Symbol westlicher Dekandenz und Umweltverschmutzung.

Immer mehr Kunden wenden sich daher von der Massenmode ab und setzen auf Qualität und Langlebigkeit. Auch der Anspruch, mittels eines individuellen Stils aus der Masse der Discount-Modekunden herauszuragen, setzt sich immer stärker durch.

Trotzdem haben es gerade kleine Labels schwer, sich am Markt zu etablieren und dort nachhaltig zu behaupten. Selbst die stark gehypten Öko- und Nachhaltigkeits-Labels kommen kaum auf einen grünen Zweig, da mittlerweile auch die Großanbieter wie H&M, Zara oder C&A nachhaltige Produktlinien anbieten. Zwar können diese Mini-Sparten höchstens als Greenwashing-Versuch gesehen werden, gekauft werden die Produkte trotzdem – natürlich besonders günstig, weil sie von den satten Gewinnen aus der Fast Fashion querfinanziert werden.

Letztendlich steht die Textilbranche nach wie vor vor einer Richtungsentscheidung: Entweder sie orientiert sich an den Stärken, die sie groß gemacht hat und setzt auf Kreativität, Qualität und Progressivität und wird sich ihrer sozialen und umwelttechnischen Verantwortung bewusst oder sie übernimmt schrittweise die Rolle, die die Erdölindustrie in den vergangenen Jahrzehnten innehatte. Dort war in der Vergangenheit nämlich eine ähnliche Entwicklung zu beobachten: Erst verschwanden die freien Tankstellen, dann die Markenvielfalt. Die beiden Felder Umwelt und Soziales werden schließlich dafür sorgen, dass Tankstellen schon bald ganz verschwunden sein werden.

Foto: Michael Möller / pixelio.de

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