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Corona in China bringt globale Gefahren

Von DPA

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Shanghai, China | Foto: Markus Winkler / Pexels

Bei Volkswagen, Audi, BMW und Tesla in China stehen Werke still. Zig-Millionen Menschen dürfen ihre Wohnungen nicht verlassen. Der Corona-Lockdown in Shanghai bremst den Umschlag im größten Hafen der Welt. Schon die Lastwagen fehlen. Der Frachtverkehr im größten Produktionsland der Erde geht spürbar zurück. "Wenn China einen Schluckauf bekommt, haben wir alle eine schwere Erkältung anderswo in der Welt der Lieferketten", warnt der Vorsitzende der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke.

China trage zu einem Viertel des globalen Wachstums bei. Jedes Produkt habe "etwas von China" in sich. "Wenn Chinas Lieferketten einen Schlag abbekommen, wirkt sich das sicher auf Verfügbarkeit, Preise, Auswahl und so weiter aus", sagt Wuttke. "China ist wichtig." Er fürchtet, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft jetzt mit ihrer schlimmsten Corona-Welle seit Pandemie-Beginn vor zwei Jahren zurückfällt, während der Rest der Welt zur Normalität aufbricht.

Seit dem traumatischen Ausbruch in Wuhan in Zentralchina, wo Ende 2019 die ersten Infektionen entdeckt wurden, verfolgt China recht erfolgreich eine strikte Null-Covid-Strategie. Mit Ausgangssperren, Massentests, Kontaktverfolgung und Zwangsquarantäne konnte das Virus eingefangen werden, so dass Alltag und Wirtschaft normal liefen. Aber mit der Ankunft von Omikron und der sich schnell verbreitenden BA.2-Variante wird die "Null-Toleranz" auf eine harte Probe gestellt.

"Shanghai bekämpft einen neuen Covid-Feind mit alten Waffen", titelt das renommierte chinesische Wirtschaftsmagazin "Caixin". Die Maßnahmen hätten ihre Wirksamkeit verloren. Tag für Tag werden höhere Zahlen an Neuinfektionen gemeldet - die meisten zudem asymptomatisch. Jeder Infizierte muss in China in Quarantäne. Zehntausende Feldbetten werden in Messehallen aufgebaut, die gar nicht groß genug sein können. Die wochenlangen Ausgangssperren in Shanghai oder im Nordosten in Shenyang oder der Provinz Jilin sind auf unbestimmte Zeit verlängert, ohne dass die Fälle im Land bisher zurückgehen.

Shanghai, das 26 Millionen Einwohner zählende Wirtschafts- und Finanzzentrum Chinas, gleicht einer "Geisterstadt". Zwar wird beteuert, der Hafenbetrieb laufe "normal", aber Unternehmen schätzen den Rückgang des Umschlags auf 40 Prozent. Auch wenn der benachbarte Hafen in Ningbo einen Teil auffängt, dürften es noch minus 15 bis 20 Prozent sein. Das Nadelöhr ist vor allem an Land: Lastwagenfahrer wollen nicht nach Shanghai fahren. Sie brauchen Genehmigungen, müssen Corona-Tests machen und fürchten Quarantäne bei der Rückkehr.

Landesweit gibt es Transportprobleme. "Die Versorgung über Provinzgrenzen hinweg ist sehr schwierig", berichtet Christoph Schrempp von der EU-Kammervertretung in Tianjin. "Lastwagen werden nicht reingelassen, oder Fahrer müssen gewechselt werden." Der tägliche Firmenbetrieb werde "im wesentlichen unplanbar und unvorhersehbar". 40 Prozent der deutschen Unternehmen in China berichten, dass ihre Beschaffungsketten unterbrochen oder schwer gestört sind. Der Exportweg nach Europa ist für ein Drittel stark betroffen oder ganz abgerissen. Auch 86 Prozent der amerikanischen Hersteller in China berichten von Störungen ihrer Zulieferketten.

Wegen des Lockdowns fehlt es auch an Bodenpersonal für Shanghais Flughäfen Pudong und Hongqiao, die nur noch begrenzt Fracht abwickeln. Ohnehin gibt es immer weniger internationale Flüge. Seit zwei Jahren hat sich China vom Ausland abgeschottet. Wer es trotzdem ins Land schafft, muss drei Wochen in Quarantäne. Umgekehrt hat ein Exodus eingesetzt: Die Zahl der ausländischen Manager und Experten hat sich nach groben Schätzungen bis vergangenen Sommer schon halbiert - und dürfte sich bis diesen Sommer noch mal halbieren.

Die Null-Covid-Politik "hat uns in der Vergangenheit sicher gehalten", räumt der für Südchina zuständige EU-Wirtschaftsvertreter Klaus Zenkel ein. "Die gleiche Politik würgt uns jetzt die Luft ab." Doch ein Strategiewechsel ist nicht in Sicht. Die Kosten wären auch hoch: Wollte China plötzlich wie andere Länder "mit dem Virus leben", würde das unterentwickelte Gesundheitssystem zusammenbrechen. Es müsste mit Zehntausenden oder Hunderttausenden Toten gerechnet werden, je nach Schätzung. Chinesische Experten warnen vor einer "Katastrophe" und einer "teuflischen Situation".

China steckt in einem Dilemma: Dem Milliardenvolk fehlt es an natürlicher Immunität, da es bisher kaum Erkrankungen gegeben hat. Die chinesischen Impfstoffe gelten als nicht so wirksam wie die westlichen Vakzine, die aber in China immer noch nicht zugelassen sind. Zwar ist die Impfrate im internationalen Vergleich hoch, aber Zig-Millionen ältere Chinesen sind nicht oder unzureichend geimpft.

"Chinas Festhalten an seiner bisherigen Covid-Strategie hat auch mit dem politischen Narrativ der chinesischen Führung zu tun, die Pandemie besser als andere Länder zu meistern", sagt Max Zenglein vom China-Institut Merics in Berlin. Deswegen rechnen Beobachter nicht so schnell mit einer Kehrtwende. Erst recht nicht vor dem Parteitag im Herbst, auf dem sich Staats- und Parteichef Xi Jinping für eine dritte Amtszeit oder auch länger bestätigen lassen will.

Es geht der Partei bei der Frage zwischen "Koexistenz mit dem Virus" und Chinas Weg der "dynamischen Säuberung" auch um sehr viel mehr: "Die Wahl ist an der Oberfläche ein Wettbewerb der Ideen, Strategien und Methoden im Kampf gegen die Pandemie", schreibt das Parteiblatt "Shenzhen Tequbao". "Aber in Wirklichkeit ist es eine Schlacht zwischen Systemen, nationaler Stärke, Regierungsfähigkeit und selbst zwischen Zivilisationen." (dpa)

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