Dokumentation beleuchtet dunkle Seite der türkischen Textilindustrie
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Normalerweise denkt man an Asien, vielleicht Osteuropa wenn es um fragwürdige Zustände in der textil- und bekleidungsproduzierenden Industrie geht. Niedrige Löhne, schlechte Behandlung, kaum Gewerkschaftsvertretung, lange Arbeitsstunden und geringe Sicherheitsvorkehrungen. Aber es gibt einen Produktionsstandort vor der Haustür mit ähnlichen Problemen.
In der Arte-Dokumentation „Giftige Jeans - Die dunkle Seite der türkischen Textilindustrie“ informiert der Kultursender über katastrophale Arbeitsbedingungen bei Zulieferbetrieben, gesundheitliche Risiken für die Textil- und Bekleidungsarbeiter:innen und die Umweltverschmutzung durch die Industrie.
Die Türkei ist einer der größten Textilexporteure der Welt und lockt mit der kostengünstigen Produktion vor der Haustür. Nach außen sieht alles gut aus - Kleidung entsteht in hochmodernen, scheinbar vorbildlichen Fabriken, doch die Realität sieht für viele anders aus: Textilarbeiter:innen schuften in Kellerwerkstätten schwarz, zwölf Stunden am Tag und sind dabei gefährlichen Chemikalien schutzlos ausgeliefert.
Arbeitnehmer:innenrechte sind zwar in der Türkei gesetzlich garantiert, werden aber oft ignoriert und behördlich nicht genug kontrolliert. Und sollten Auftraggeber selbst nachhaken, werden Arbeiter:innen oft zum Lügen gezwungen - zu Arbeitsstunden, Bedingungen, Zulagen oder Corona-Zahlungen. Auch um das Zahlen von Abfindungen kommen Arbeitgeber herum, wenn die Arbeiter:innen von selbst kündigen. Diese kooperieren, aus Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes, denn ein schlecht bezahlter Arbeitsplatz ist immer noch besser als gar keiner.
Arbeit, die krank macht
Dabei wird nicht selten auch die eigene Gesundheit aufs Spiel gestellt. Arbeiter:innen sind gerade in Waschfabriken - oft ohne Schutzkleidung - gefährlichen Chemikalien ausgeliefert. „Überall in der Fabrik hingen Schilder, dass man eine Maske tragen sollte, aber sie gaben uns doch nicht mal eine Maske“, berichtet der ehemalige Textilarbeiter Amidou in der Dokumentation.
Der ehemalige Textilarbeiter Bego Demir arbeitete bereits als 15-Jähriger in der Textilindustrie und bleichte Jeans mit der Sandstrahlmethode, die inzwischen verboten ist. Als Folge erkrankte er schwer an Silikose und verlor die Hälfte seiner Lunge. Er leidet auch heute noch unter Atemnot, konnte die Ausbreitung der Krankheit jedoch eindämmen.
„Viele andere hatten nicht so viel Glück“, sagt er und verweist auf die vielen Arbeiter:innen, die an den Folgen des täglichen Kontakts mit gefährlichen Chemikalien gestorben sind.
Er setzt sich seit Jahren für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilbranche ein und warnt auch vor der Umweltbedrohung: „Die Chemikalien, die bei der Herstellung von Textilien verwendet werden, wandern in die Flüsse und zerstören dort jedes Leben. Die Textilindustrie ist einer der größten Wasserverschmutzer der Welt.“
Clean Fashion statt Fast Fashion
Doch ihm geht es nicht nur darum, Missstände aufzuzeigen, sondern auch Verbesserungsvorschläge zu machen und Alternativen aufzuzeigen. Als Mitglied der Clean Fashion Bewegung hat er seine eigene Jeansmarke Bego Jeans gegründet. Diese stellt Jeans mit gebrauchtem Stoff oder Biobaumwolle her und spart so 60 Prozent Wasser, setzt keine Chemikalien ein, generiert 80 Prozent weniger Abfall und ist strikt gegen Kinderarbeit. Die Beschäftigten erhalten rund 40 Prozent höhere Löhne als anderswo und das Unternehmen stellt sicher, dass alle Produzenten entlang der Lieferkette ihren Arbeiter:innen faire Löhne zahlen.
Für Auftraggeber heißt dies, die schwarzen Schafe zu identifizieren und sich auf die Betriebe zu konzentrieren, die ihre Arbeiter:innen fair behandeln und bezahlen, ihre Gesundheit schätzen und die Umwelt schützen. Denn diese gibt es, sie operieren jedoch mit Preismargen, die diese Zustände zulassen. Und wenn dies als „zu teuer“ eingestuft wird, dann liegt das Problem am anderen Ende der Lieferkette.