Ein Jahr Auszeit: Sebastian Janus, ex-Foot Locker, im Interview
Wird geladen...
Sabbatjahr, langer Urlaub oder ganz Aussteigen? Welcher Unternehmer träumt nicht ab und zu davon, gerade wenn er oder sie mal wieder in einer nicht enden wollenden Telefonkonferenz festsitzt. Laut der Organisation sabbatjahr.org sind es etwa 70 Prozent aller deutschen Berufstätigen, die diesen Schritt erwägen. Dennoch wagen es wenige Arbeitnehmer letztendlich - zum einen, weil erst 10-20 Prozent der Unternehmen diese Möglichkeit bieten, zum anderen muss viel geplant und überlegt werden (besonders, wenn es um Familie und Freunde geht) und da fehlt vielen dann doch der nötige Mut.
FashionUnited hat vor einer Woche über den Finanzchef des Foot Locker e-Commerce-Geschäfts in Europa, Sebastian Janus, berichtet. Dieser hat die Entscheidung getroffen, seine sichere Position bei Foot Locker aufzugeben und ein Jahr um die Welt zu reisen. Grund genug für FashionUnited, mehr über seine Beweggründe und Pläne herauszufinden.
Herr Janus, fangen wir mit der Frage an, die sich als erstes stellt - wie kommt ein erfolgreicher Unternehmer dazu, sich ein Jahr Auszeit vom Geschäftsleben zu nehmen und sich für den NGO-Sektor zu entscheiden?
Man weiss nicht, was in einem Jahr ist. Ich habe derzeit viele Ideen im Kopf, die ich hoffe auf der Reise sinnvoll verbinden zu können. Mit ist sehr wichtig, dass sich mein Kopf wieder weitet. Zudem möchte ich neue Kulturen und neue Menschen kennenlernen. Und vom ganzen Unternehmensalltag Abstand nehmen, von Telefonkonzerenfen um neun Uhr abends, die in den letzten 4-5 Jahren zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Es gibt auch andere Dige, die wichtig sind im Leben. Ich möchte Geschichten erleben, die ich einmal meinen Kindern erzählen kann. Diese Geschichten kann ich nicht abends im Büro erleben.
Das hört sich sehr spannend an. Gab es einen konkreten Auslöser für diesen Schritt? Was hat Sie dazu bewogen, doch nicht nur einen Urlaub zu planen, sondern etwas Längeres?
Ich habe tatsächlich vor Jahren eine Liste erstellt, was ich in den nächsten zehn Jahren unbedingt machen möchte. Und ein Punkt darauf war eben eine Weltreise. Dann kam ein Moment Anfang Mai hinzu, als ich mit meiner Freundin auf Ibiza im Urlaub war. Ich hatte eine Telefonkonferenz und habe den Anruf bei 35 Grad im Auto entgegengenommen. Es ging eigentlich um nichts Wichtiges, nur um langweilige Unternehmenskennzahlen. Das war so ein Moment, da habe ich mich gefragt 'Ist es das, was du für den Rest deines Lebens machen möchtest?'
Dann habe ich überlegt, ob ich nur eine Auszeit nehme, einen Sabbatical. Aber ich kenne mich, ich wäre trotzdem noch mit dem Unternehmen verbunden gewesen. Deshalb habe ich mich entschlossen zu kündigen. Insgesamt aus der Komfortzone herauszugehen. Das Materielle hinter sich zu lassen und nur einen Rucksack zuhaben. Das ist der Reiz, man weiß nicht, was einen erwartet. Ich hätte auch ein Jahr Urlaub machen können, aber es gibt wichtigere Herausforderungen. Ich wollte etwas für die Seele tun. Ich strebe nach einem guten Leben und mit diesen Entscheidungen glaube ich, dass ich diesem Ziel einen Schritt näherkomme.
Wann startet Ihre Weltreise?
Am Samstag [dem 26. August 2017, Anm. d. R.] geht es los. In Südostasien fangen wir an. Ursprünglich war nur ein Urlaub in Thailand geplant, aber aus diesem Urlaub wurde eine Weltreise. Nach Thailand folgen Myanmbar, Malaysia, Hongkong, die Philippinen, Australien, Neuseeland und dann Südamerika.
Was genau werden Sie machen?
Es geht um wohltätige Arbeit. Ich habe lokale, kleinere Organisationen anvisiert. Zunächst geht es mit einem Elefantencamp in Thailand los, wo wir uns um misshandelte Elefanten kümmern werden. Da starten wir. In Laos werden wir dann an einer English School arbeiten. Nicht unterrichten, aber Vorlesen, und Small Talk mit den Kindern machen. Auf den Philippinen werden wir auf einer Reisfarm arbeiten. Was uns dort genau erwartet, weiß ich nicht, da ich noch nie auf einer solchen Farm war, aber wir werden dort mithelfen und richtig mitarbeiten. Dann auf den Fiji-Inseln werden wir in Kindergärten arbeiten. Mit Kindern spielen. Wir wollen noch mehr machen, aber das ist bis jetzt noch nicht genau geplant.
War es relativ einfach, diese Organisationen zu finden?
Ja, ich muss sagen, dass es heutzutage gute Seiten gibt. Ich habe The NGO List benutzt. Dort können sich lokale NGOs ein Profil erstellen und so wird man auf sie aufmerksam.
Sie waren viele Jahre in der Sportartikelindustrie tätig, was werden Sie vermissen?
Es sind immer die Leute, mit denen man zusammengearbeitet hat. Ich habe so viele Karrieren gesehen. Engagierte, motivierte Leute. Die schönen Themen der letzten Jahre. Mein eigenens Unternehmen zu gründen, eigene Iden umzusetzen, das war das Schönste der letzten 13 Jahre.
Wie kamen Sie zur Sportartikelindustrie?
Das war teils Zufall, teils habe ich mich dafür entschieden. Nach dem Abi habe ich mich mit einem Freund selbstständig gemacht. Wir haben Artikel verschiedener Anbieter über verschiedene Plattformen günstig verkauft. Dann kam RunnersPoint und wir haben größere Mengen einkauft und über eBay & Amazon verkauft. Damit wurden wir zum wichtigen Abschleusungskanal für Runners Point und gründeten unser eigenes Unternehmen. Dies war so erfoglreich, dass Runners Point uns fragte, ob wir es zu 75 Prozent verkaufen und weiterleiten wollten. Eigentlich wollten wir das nicht, sahen aber viel Potenzial in diesem Vorschlag. Ich wurde dann CFO für den E-Commerce-Bereich. Dieser wuchs stark an und erreichte knapp 30 Millionen Euro Umsatz und wir hatten 140 Mitarbeiter. Dann kam Foot Locker und ich war in 11 Ländern tätig und für alle Websites verantwortlich.
Ich bin Foot Locker sehr dankbar, denn ich habe viel gelernt und bin viel um die Welt gereist; es war eine tolle Zeit. Aber ich musste auch ständig erreichbar sein, Politik betreiben und zudem habe ich zu sehr in der Komfortzone gelebt. Ich glaube, dass persönliches Wachstum und ein Leben in der Komfortzone nie gleichzeitig existieren können.
Wie waren die Reaktionen unter Ihren Kollegen, als Sie von Ihrer Entscheidung hörten?
Die waren geteilt. Von Personen über mir habe ich gehört, dass es schade ist, um das große Talent. 'Du kannst noch hier große Karriere machen' habe ich gehört. Aber mir hat auch mal jemand gesagt, 'Achte darauf, dass deine Karrierleiter an der richtigen Wand steht und nicht an der falschen'. Und da möchte ich sichergehen, dass dies der Fall ist. Wenn ich weiter bei Foot Locker bliebe, dann würde ich sicher weiter aufsteigen und ich habe das Beispiel von Personen vor mir, die schon seit 20/30 Jahren dabei sind. Dort sehe ich mich aber nicht; ich setze andere Prioritäten. Von den Leuten unter mir habe ich viele Mitarbeiter selbst eingestellt, gefördert und gecoacht. Die finden es schade, da sie mich gerne weiter als Vorgesetzten gehabt hätten.
Und das ist ja sicher ein schönes Gefühl. Glauben Sie, Sie werden auch Nachahmer finden? Vielleicht nicht sofort, aber in ein paar Jahren?
Sicher. Nachahmer wird es auf jeden Fall geben. Man muss Mut haben, diesen Schritt zu gehen. Am Ende gehört auch etwas Glück dazu. Diese Mischung aus Mut und Glück führt dann hoffentlich zu etwas Sinnvollem.
Foto: Sebastian Janus