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Einmalzahlung, Preisbremse, Sparanreiz: Vorschläge der Kommission

Von DPA

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Foto: Pixabay

Hohe Gaspreise setzen vielen Haushalten und Firmen zu. Eine Expertenkommission der Regierung hat einen Entlastungsvorschlag gemacht. Am Zug ist nun die Ampel-Koalition.

Die Heizperiode hat begonnen, vielen Gaskunden flattern schon Briefe über horrende Preiserhöhungen ins Haus. Die Bundesregierung will gegensteuern, damit Haushalte und Unternehmen nicht überfordert werden. Eine von der Regierung eingesetzte Expertenkommission legte am Montag Vorschläge mit einem Entlastungsvolumen von rund 90 Milliarden Euro vor. Das Ziel: «Sicher durch den Winter». Die Maßnahmen sollen ein zentraler Teil des von der Ampel-Koalition angekündigten «Abwehrschirms» mit einem Volumen von bis zu 200 Milliarden Euro sein. Die Bundesregierung verspricht eine zügige Umsetzung.

Was sind Kernpunkte des Vorschlags?

Die dramatisch gestiegenen Preise für Erdgas drohten in erheblichem Ausmaß die finanzielle Leistungsfähigkeit privater Haushalte und Unternehmen zu überfordern, heißt es in dem Bericht der Kommission mit Vertretern aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft. Vorgeschlagen wird ein zweistufiges Modell.

Um private Gaskunden und kleine Firmen schnell zu entlasten, sollen sie im Dezember eine Einmalzahlung erhalten. Von Januar an soll es eine Preisbremse für Industrieunternehmen geben, möglichst ab März, sonst ab April für private Haushalte und kleine Unternehmen. Zugleich aber sollen Sparanreize erhalten bleiben. Wegen ausbleibender russischer Gaslieferungen droht im Winter Gasmangel. Die Versorgungssicherheit sei gefährdet, so dass massiv Erdgas eingespart werden müsse, heißt es im Bericht.

Wie soll die Einmalzahlung funktionieren?

Um «extreme» Belastungen von Gas- und Fernwärmekunden abzufangen, sollen private Haushalte und kleine Firmen als Gaskunden im Dezember eine Einmalzahlung bekommen - und zwar auf Basis des Verbrauchs, welcher der Abschlagszahlung aus September 2022 zugrunde gelegt wurde. Das soll diejenigen betreffen, die direkt Kunden bei einem Versorger sind. Man habe bewusst einen Bezugspunkt in der Vergangenheit gewählt, damit Verbraucher ihren Konsum nun nicht hochtreiben, um mehr Unterstützung zu erhalten, erklärte dazu die «Wirtschaftsweise» und Co-Vorsitzende der Kommission, Veronika Grimm.

«Diese Einmalzahlung dient als finanzielle Brücke bis zur regulären Einführung der Gaspreisbremse», steht im Bericht. Nach Berechnungen des Vergleichsportals Verivox liegt die durchschnittliche Abschlagszahlung für ein Einfamilienhaus derzeit bei rund 342 Euro. Übernehme der Staat eine Rate, würden die jährlichen Kosten von 4108 Euro auf 3766 Euro sinken, was einer Entlastung von rund 8 Prozent entspreche.

Der Staat soll die Abschläge übernehmen, die Versorger sollen das Geld erstattet bekommen. Bei zentral beheizten Mietshäusern soll die Gutschrift vom Vermieter auf die Mieter umgelegt werden, im Zuge der Nebenkostenabrechnung. Teilweise seien Abschläge für Mieter noch gar nicht gestiegen, der Vermieter erfahre aber schon höhere Gaspreise. Die Zahlung solle «Liquiditätsprobleme» von Vermieter adressieren.

Wie soll die Preisbremse für private Verbraucher aussehen?

Die Großhandelspreise beim Gas sind immens gestiegen. Eine Kilowattstunde Gas kostet laut Kommissionsbericht im Mittel derzeit 28,3 Cent für Neukunden - vor einem Jahr waren es 6,8 Cent. Private Verbraucher und Unternehmen müssten weiter mit deutlich steigenden Gas- und Fernwärmepreisen rechnen, heißt es. «Der Preisanstieg besitzt erhebliche soziale Sprengkraft.»

Deswegen soll es nun staatliche Zuschüsse für private Haushalte und kleine Firmen geben - die kompletten Preissteigerungen sollten aber nicht abgefedert werden, wie die Kommission klarmachte. Industriepräsident Siegfried Russwurm als Co-Vorsitzender sprach von einem «new normal», dieses werde deutlich über dem Preisniveau vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, aber auch deutlich unter den aktuellen Preisen liegen.

Es soll weiter Anreize zum Sparen geben, sprich: Wer im Winter weniger heizt, zahlt weniger. Die Kommission hält es für erforderlich, dass in Deutschland mindestens 20 Prozent Gas eingespart wird.

Konkret soll es ein Grundkontingent von 12 Cent pro Kilowattstunde geben - und zwar für 80 Prozent des Verbrauchs, der der Abschlagszahlung aus dem September 2022 zugrunde gelegt wurde. Oberhalb dieser Verbrauchsmenge soll der vertraglich vereinbarte Arbeitspreis gelten, es könnte also für diesen Rest je nach Vertrag sehr teuer werden. Die Gas- und Wärmepreisbremse sollte laut Kommission zum 1. März 2023 kommen, spätestens zum April, und sie sollte frühestens Ende April 2024 enden. Es soll eine Obergrenze für den subventionierten Grundverbrauch von Haushalten geben. Für Fernwärmekunden soll es einen fixen Preis von 9,5 Cent pro Kilowattstunde für ein Grundkontingent von 80 Prozent geben.

Laut Verivox würden bei einer Deckelung des Basisverbrauchs auf 80 Prozent bei einer Familie mit einem Gasverbrauch von 20 000 Kilowattstunden die Kosten um 33 Prozent sinken. Energieexperte Thorsten Storck sagte: «Die Gaspreisbremse kann für eine deutliche Entlastung der Haushalte sorgen und die Heizkostenexplosion abdämpfen. Dennoch stehen die Haushalte vor einem sehr teuren Winter, denn der Großteil der Entlastung greift erst ab nächstem März.»

Der Mieterbund kommentierte, das geplante Grundkontingent werde Mieterhaushalte spürbar entlasten. Dass die Deckelung aus organisatorischen Gründen erst ab März 2023 greifen könne, sei aber ein Wermutstropfen.

Ist das gerecht?

Die Vorschläge stießen auf Kritik, vor allem weil sie nach dem «Prinzip Gießkanne» funktionierten. Kommissionsmitglied und Verdi-Chef Frank Werneke kritisierte in einem Sondervotum, das vorgeschlagene Modell der Gaspreisbremse sei nicht ausreichend sozial ausbalanciert. «Durch das Modell wird eine Zwei-Zimmer-Wohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool. Deshalb brauchen wir für ein gerechteres Modell zusätzliche soziale Haltelinien.»

In der Kommission wurde auf den großen zeitlichen Druck verwiesen. «Wenn wir schnell sein wollten, mussten wir jetzt Gießkanne anwenden», sagte der Co-Vorsitzende Michael Vassiliadis, Chef der Energiegewerkschaft IG BCE. Es sei angestrebt worden, das Instrument nach finanzieller Stärke auszugestalten. Das gehe aber nicht. Die Versorger wüssten nicht, ob hinter einem Anschluss eine Villa oder ein Mehrfamilienhaus sei.

Um Ungerechtigkeiten abzufedern, soll der Rabatt bei der Preisbremse in der Einkommenssteuererklärung als geldwerter Vorteil angeben werden. Dabei sollen möglichst hohe Freibeträge gelten. Eine Veranlagungspflicht entstehe alleine durch den Rabatt aber nicht.

Was ist für die Industrie geplant?

Viele Unternehmen stünden durch die hohen Preissteigerungen unter massivem Kosten- und Wettbewerbsdruck, sagte Industriepräsident Russwurm. «Für eine große und weiterwachsende Zahl von Betrieben ist die Bedrohung existenziell.» Auch für die Industrie solle gelten: Entlasten und zugleich weiterhin Sparanreize setzen.

Die Gaspreisbremse für Industrieverbraucher soll zum 1. Januar in Kraft treten. Das subventionierte Kontingent solle 70 Prozent des Verbrauches des Jahres 2021 betragen - und zwar zu einem Beschaffungspreis von 7 Cent pro Kilowattstunde. Dazu kommen unter anderem noch Abgaben, Umlagen und Steuern, so dass am Ende wie bei den privaten Haushalten ein Endkundenpreis von 12 Cent erreicht werden soll. Eine Mengen-Obergrenze soll es nicht geben. Ein Unternehmen soll die geförderte Gasmenge für seine Zwecke nutzen oder am Markt verwerten können. Die Subvention soll über den jeweiligen Gaslieferanten organisiert werden, den der Staat mit den notwendigen Finanzmitteln ausstatten soll.

Für wen soll es Härtefall-Regelungen geben?

Von Anfang Januar bis Ende Februar soll es Hilfsfonds zum Schutz von Mietern und Eigentümern geben, wie die Kommission schreibt. Zum einen soll es eine zinslose Liquiditätshilfe für die Vermieter und Wohnungsunternehmen geben, die für Ihre Mieter bei extremen Preissteigerungen für Gas und Fernwärme in Vorleistung gehen wollen - sowie zum anderen für Mieter, die trotz der Entlastungen durch die steigenden Kosten weiterhin finanziell stark überfordert sind.

Der Hilfsfonds soll auch gelten für Mieter und Eigentümer, die schon länger von Preissteigerungen betroffen sind. Diese Hilfen sollen so lange bestehen, bis die von der Bundesregierung geplante Ausweitung des Wohngelds wirkt. Einen Hilfsfonds schlägt die Kommission auch für soziale Dienstleister wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen vor.

Auch für die Industrie sind Härtefall-Regelungen im Bericht der Kommission vorgesehen, genannt werden Liquiditätshilfen, Bürgschaften, Zuschüsse und Kredite.

Wie geht es nun weiter?

Nun ist die Bundesregierung dran. Offen ist, ob sie den Vorschlag eins zu eins übernimmt. Grünen-Chef Omid Nouripour hat angedeutet, dass die Ampel-Koalition noch in dieser Woche Konsequenzen aus dem Vorschlag der Expertenkommission zur Gaspreisbremse ziehen will.

Auch die EU-Kommission dürfte aus wettbewerbsrechtlichen Gründen ein wichtiges Wort mitreden. Die Experten-Kommission selbst arbeitet weiter an einem Abschlussbericht, unter anderem sollen noch offene Fragen geklärt werden. Daneben geht es auch darum, Optionen zur Abfederung der Preisentwicklung auf europäischer Ebene zu prüfen. Die endgültigen Arbeitsergebnisse sollen bis Ende des Monats vorliegen.

Daneben hat die Kommission die Bundesregierung aufgefordert, wichtige Punkte zu klären. Der beste Entlastungs-Mechanismus wäre es, private Haushalte und Unternehmen durch «sozial-differenzierte Direktzahlungen» zu entlasten, wie es im Bericht heißt. Ein solches Vorgehen sei aber derzeit nicht möglich, da es keine entsprechende staatliche Infrastruktur gebe. Die gesetzlichen Grundlagen dafür sollten so schnell wie möglich geschaffen und umgesetzt werden.(dpa)