ESG in der Mode (2): EU-Gesetzesinitiativen zum „Greenwashing“
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Insbesondere im Modesektor erwarten Verbrauchende von Unternehmen, dass sie den Druck auf Primärrohstoffe, Wasser und Treibhausgasemissionen reduzieren. Neben der Wiederverwendung oder Wiederverwertbarkeit von Rohstoffen ist der Modesektor auch beim Waschen von Textilien für die Freisetzung von rund einer halben Million Tonnen Mikrofasern aus Kunststoff im Meer verantwortlich, was mehr als 50 Milliarden Plastikflaschen entspricht. Zusätzlich zu den Umweltauswirkungen der Modebranche spielt auch die soziale Komponente der „ESG“ (Environmental, Social, Governance) eine wichtige Rolle bei den Nachhaltigkeitsbemühungen dieses Sektors (vgl. „Wokewashing“). Mit regelmäßigen Berichten über Menschenrechtsverletzungen, die Ausbeutung von Entwicklungsländern, geschlechtsspezifische Diskriminierung und Tierversuche erwartet die Kundschaft, dass Modeunternehmen keine Mühen scheuen, um sich ethisch zu verhalten.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die meisten grünen Behauptungen insbesondere im Hinblick auf Textilien, Bekleidung und Schuhe gemacht werden (etwa 24 Prozent aller umweltfreundlichen Angaben werden in diesem Bereich gemacht), wie das Consumer Protection Cooperation (CPC) Netzwerk feststellte. Kosmetika und Körperpflegeprodukte folgten an zweiter Stelle (mit 17 Prozent).
Mit anderen Worten: Es ist an der Zeit, sich eingehender mit dem rechtlichen Rahmen rund um Greenwashing und grüne Behauptungen zu beschäftigen und einige „Do's“ und „Don’ts“ festzulegen, um sicherzustellen, dass der Ruf Ihrer Marke nicht gefährdet wird.
Der derzeitige Rechtsrahmen
Obwohl das Thema Greenwashing auf der Green Deal-Agenda der EU ganz oben steht, wurde bisher kein spezifischer rechtlicher Rahmen festgelegt. Modeunternehmen können sich daher nur auf die allgemeine Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG, „UCPD“) und Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung berufen, wenn sie grüne Behauptungen aufstellen.
Obwohl keine der beiden Richtlinien spezifische Regeln in Bezug auf Umweltforderungen enthält, erstreckt sich ihr Anwendungsbereich auf alle Forderungen, die im Rahmen von Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchenden gemacht werden, einschließlich solcher, die sich auf die Umwelt oder auf ethische Erwägungen beziehen.
Die allgemeine Regel der UCPD-Richtlinie verbietet es Gewerbetreibenden, Verbrauchende in unfairer Weise über die Umwelt zu informieren und sie in die Irre zu führen, sei es durch eine ausdrückliche Mitteilung oder durch Unterlassung. Die UCPD-Richtlinie enthält auch einen Anhang mit einer „schwarzen Liste“ von Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten und laut UCPD verboten sind. Zu diesen Praktiken gehört zum Beispiel das Anbringen eines Vertrauens- oder Gütezeichens oder eines gleichwertigen Zeichens ohne die erforderliche Genehmigung eingeholt oder es bestätigt oder genehmigt zu haben.
In dem von der Europäischen Kommission veröffentlichten UCPD-Leitfaden von 2009 und in den 2016 veröffentlichten „Compliance Criteria for Environmental Claims“ werden einige spezifische Grundsätze in Bezug auf grüne Angaben klargestellt: Umweltbezogene Angaben sollten in einer spezifischen, genauen und unmissverständlichen Weise dargestellt werden. Zudem muss die Behauptung wissenschaftlich belegt sein, wobei Einzelhandelunternehmen bereit sein sollten, diese für den Fall, dass sie angefochten wird, in einer leicht verständlichen Weise präsentieren zu können.
Einige der in diesen Leitfäden enthaltenen Grundsätze verlangen von grünen Behauptungen, dass sie:
Darüber hinaus muss auch die visuelle und allgemeine Präsentation des Produkts (insbesondere das Layout, die Wahl der Farben, Bilder, Fotos, Audio, Symbole oder Etiketten) eine wahrheitsgetreue und genaue Darstellung des Ausmasses des Nutzens für die Umwelt sein und darf ihn nicht überbewerten. Selbst wenn die Angaben sachlich richtig sind, sollte die Art und Weise, wie sie präsentiert werden, Durchschnittsverbrauchende nicht in die Irre führen, zum Beispiel durch Auslassung wesentlicher Informationen, die sie brauchen, um eine fundierte Kaufentscheidung treffen zu können.
Andere spezifische Rechtsmaßnahmen
Neben dem allgemeinen Rahmen für unlautere Marktpraktiken gelten auch einige (sektor-)spezifische Richtlinien und Verordnungen für grüne Angaben wie die Verordnung (EG) Nr. 66/2010 über das EU-Umweltzeichen, die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 über den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung ökologischer Erzeugnisse.
Die Verordnung über das EU-Umweltzeichen zielt auf die Schaffung eines freiwilligen Systems zur Vergabe eines Umweltzeichens ab, mit dem Waren oder Dienstleistungen gefördert werden sollen, die zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem EU-Markt bereitgestellt werden und während ihres gesamten Lebenszyklus geringere Umweltauswirkungen haben. Unter dem unten abgebildeten Zeichen erhalten Verbrauchende genaue, nicht irreführende und wissenschaftlich fundierte Informationen über die Umweltauswirkungen von Produkten.
Auch auf nationaler Ebene haben die EU-Mitgliedstaaten und das Vereinigte Königreich verschiedene Initiativen ergriffen, um gegen Greenwashing vorzugehen. In jüngster Zeit hat die Competition and Markets Authority (CMA, die wichtigste Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde des Vereinigten Königreichs) einen detaillierten Leitfaden für Unternehmen veröffentlicht, die Umweltaussagen über ihre „Waren, Dienstleistungen, Verfahren oder Marken“ machen. In dem Leitfaden wird insbesondere hervorgehoben, dass keine Informationen weggelassen oder heruntergespielt werden dürfen, um die Verbrauchenden über die Eigenschaften eines Produkts zu täuschen. Außerdem müssen ihnen alle relevanten Informationen über die Auswirkungen eines Produkts zur Verfügung gestellt werden, bevor sie sich für ein Produkt oder eine Dienstleistung entscheiden. Vergleiche mit anderen Produkten sollten darüber hinaus fair und informativ sein.
Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch das „Framework for Responsible Environmental Marketing Communications“ (2019) der ICC (Internationalen Handelskammer) erwähnenswert. Dieses ausführliche Dokument befasst sich mit den gängigsten Umweltaussagen sowie mit einigen weiteren Hinweisen zur Wahrnehmung und Interpretation einer umweltbezogenen Angabe durch Verbrauchende, die von zentraler Bedeutung ist, um sicherzustellen, dass das beworbene Produkt ihren Erwartungen entspricht. Ausgehend von einer Checkliste für umweltbezogene Werbeaussagen und spezifischen Leitlinien zur Anwendung der allgemeinen Grundsätze in der Kommunikation von Umweltmarketing bietet der ICC-Rahmen ein praktisches Instrument, um alle umweltbezogenen Aussagen Ihres Unternehmens zu überprüfen.
Die Agenda der Europäischen Kommission im Hinblick auf Greenwashing
Eines der Hauptziele der Europäischen Kommission ist es, Verbrauchende in der EU zu befähigen, eine aktive Rolle bei der Verwirklichung einer nachhaltigeren Wirtschaft zu spielen. Daher plant die Europäische Kommission die Veröffentlichung eines Vorschlags für eine Richtlinie zur Stärkung der Rolle der Verbrauchenden beim grünen Wandel und einen Vorschlag für eine Verordnung über den Beleg grüner Angaben.
Letztere verlangt von Unternehmen, ihre Angaben über den ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte/Dienstleistungen anhand von Standardmethoden zu deren Quantifizierung zu belegen, während die Richtlinie darauf abzielt sicherzustellen, dass Verbrauchende zuverlässige und nützliche Informationen über Produkte erhalten, zum Beispiel über deren Lebensdauer und Reparaturmöglichkeiten. Die Europäische Kommission hat angekündigt, dass sie gegen die Verbreitung von Logos und Labels angehen werde, die sich auf grüne Eigenschaften berufen, um damit Verbrauchende vor trügerischen und irreführenden Informationen zu schützen.
Die „Do's“ und „Don'ts“ grüner Behauptungen
Auf der Grundlage des genannten Rechtsrahmens und in Erwartung weiterer spezifischer Rechtsmaßnahmen der Europäischen Kommission lassen sich die folgenden Grundsätze ableiten:
Schlussfolgerung
Mehr denn je achten Verbrauchende bei Entscheidung für den Kauf bestimmter Produkte oder Dienstleistungen auf Nachhaltigkeit. Mehr noch, die Europäische Kommission zielt ausdrücklich darauf ab, Verbrauchende in die Lage zu versetzen, den grünen Wandel auf Grundlage ihrer Kauf- und Nachfragemacht zu steuern. Um dies zu erreichen, müssen Verbrauchende besser informiert sein und über die nötigen Hilfsmittel verfügen, um alle diesbezüglichen Behauptungen überprüfen und hinterfragen zu können.
Von allen Sektoren hat die Modebranche einen besonders großen Einfluss auf die Auswirkungen auf die Umwelt und ist bestrebt, den Übergang zu einem nachhaltiges System zu erreichen. Modeunternehmen können daher umso mehr davon profitieren, wenn sie ihre Produkte nachhaltiger gestalten und ihre Kundschaft über ihre Bemühungen informieren. Grüne Behauptungen und leider auch Greenwashing sind daher in dieser Branche weit verbreitet. Die genannten Hinweise zum aktuellen und zukünftigen rechtlichen Rahmen für Greenwashing sowie die „Do's“ und „Don'ts“ für die Kommunikation über nachhaltige oder ethische Eigenschaften von Modeprodukten Produkte sollen Klarheit schaffen.
Dieser Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.