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Frauen-Fußballschuhe, NFTs und neue Materialien: Die Pläne von Under Armour

Von Rachel Douglass

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Business |Interview

Lisa Collier, Chief Product Officer bei Under Armour. Bild: Under Armour

Eine Frau in einem von Männern dominierten Umfeld zu sein, stellt zunächst eine Herausforderung dar. Es bietet aber auch die Chance einer neuen und bisher zu wenig bedachten Perspektive, die das Unternehmen bereichert. Das ist etwas, was Lisa Collier, Chief Product Officer von Under Armour, hervorragend beherrscht, wie man an den Veränderungen sieht, die bei der Marke bereits zwei Jahre nach ihrer Ernennung stattgefunden haben. Und das, obwohl sie auf dem Höhepunkt der Pandemie zu dem Unternehmen gekommen ist.

Collier selbst ist seit rund 37 Jahren in der Schuh-, Bekleidungs- und Einzelhandelsbranche tätig. „Ich bezeichne mich selbst als Händlerin. Ich bin aber auch ein bisschen ein 'Einhorn', weil ich genauso kreativ wie operativ bin“, sagte sie gegenüber FashionUnited. Sie begann ihre Karriere bei The Limited, wo sie die Position als Merchant Buyer innehatte. Das beinhaltete alles vom Aufspüren von Trends bis zur Leitung des Herstellungsprozesses. „Damals musste ich viele verschiedene Hüte tragen, und ich glaube, so habe ich mein Gleichgewicht gefunden“, fügt sie hinzu. Im Anschluss wechselte Collier in die Denim-Branche und arbeitete bei Levi Strauss, wo sie eine Vielzahl von Aufgaben übernahm, darunter die Leitung der Marke in Australien und Neuseeland und den Aufbau des Entwicklungszentrums, das von der Türkei nach San Francisco umgezogen war. Sie war auch am Verkauf der von Private Equity unterstützten Denim-Marke Not Your Daughter's Jeans beteiligt, wo sie als CEO fungierte. Schließlich brachten ihre Erfahrungen sie 2020 zu Under Armour, wo sie derzeit das Produktteam des Sportbekleidungsunternehmens leitet. Im Gespräch mit FashionUnited erläutert Collier die Pläne der Marke für das kommende Jahr, wie sie die Damenmode vorantreibt und wie wichtig es ist, auf die Verbraucher:innen zu hören.

Was hat Sie zu Under Armour gebracht?

Ich hatte schon immer eine Leidenschaft für Sport, aber ich wuchs mit zwei Brüdern auf und konnte nie verstehen, warum ich nicht die gleichen Möglichkeiten hatte, die sie hatten. Heute haben wir weibliche Schiedsrichter! Ich halte mich in meinem Leben an drei Dinge - Wunsch, Entschlossenheit und Hingabe. Das macht den Kern aus, was ich bin.

Als ich die Modebranche verließ, beschloss ich, dass ich mich mehr für Gesundheit, Fitness und Sport einsetzen wollte, um mich wohlzufühlen. Ich hatte einige Gespräche mit Under Armour und war tief beeindruckt von der Underdog-Mentalität der Marke und all den bahnbrechenden Dingen, an denen sie arbeitet. Ich bin begeistert, Teil des Unternehmens zu werden und die Fähigkeiten, die ich bereits entwickelt hatte, dort zu nutzen und einzusetzen.

Sie traten dem Unternehmen inmitten der Pandemie bei. Wie hat sich das Business in dieser Zeit verändert?

Mich hat erstaunt, was Bekleidungs-, Schuh- und Modemarken während der Pandemie zu leisten vermochten. Wir haben Dinge getan, die niemand für möglich gehalten hätte, wenn man im Bereich der Produktentwicklung tätig ist. Wir versuchen jetzt, ein neues Gleichgewicht zu finden: Wie kommen wir zurück? Es ist von großem Wert, als Team zusammenzuarbeiten, wenn man Produkte für Sportler:innen und Verbraucher:innen entwickelt.

Under Armour Flow Sync. Bild: Under Armour

Meine Team war weit verstreut, ich habe Teammitglieder auf der ganzen Welt; in Portland, Asien, Amsterdam. Aber als wir die Pandemie überwunden hatten, kamen 90 Prozent hier bei mir in Baltimore unter ein Dach. Wir nennen es unseren ‚Leuchtturm‘ [Anm. d. Red.: Under Armours Produktions- und Innovationsstätte], wo wir Produkte stricken, zuschneiden und nähen können. Es ist erstaunlich zu sehen, wie sich unser Team verändert hat und wie wertvoll es ist, dass wir zusammenarbeiten. Wir sind jetzt wieder drei Tage pro Woche im Büro.

Die Tools für Kommunikation und Zusammenarbeit, die während der Pandemie genutzt wurden, sind nun vorhanden und wir versuchen zu verstehen, was sie für unsere Arbeit bedeuten. Wir als Team arbeiten mehr von Angesicht zu Angesicht, aber wie können wir wieder besser mit unseren regionalen Partner:innen zusammenarbeiten? Die Nutzung von WebEx oder Teams ist immer noch von großem Wert, da man nicht in ein Flugzeug steigen muss, um ein gutes Gespräch zu führen. Aber es lohnt sich auch, zusammen zu reisen, sich persönlich zu treffen und Gespräche zu führen, die organischer ablaufen. Wir prüfen, wie wir dies mit unseren regionalen Partner:innen funktionsübergreifend tun können.

Was würden Sie in Bezug auf das Produkt sagen, was die übergreifenden Ziele von Under Armour für das kommende Jahr sind?

2023 bringt eine Reihe von Veränderungen. Zuerst einmal sind wir nach der Veröffentlichung unseres Nachhaltigkeitsberichts Ende letzten Jahres Nachhaltigkeitsgrundsätze und Verpflichtungen eingegangen. Das Ziel ist es, herauszufinden, wie wir einen kreislauffähigen Designprozess schaffen können. Das ist eines unserer Ziele, über das wir noch nicht viel mit den Verbraucher:innen sprechen, aber wir glauben, dass es ein wichtiger Teil der Kommunikation sein wird. Wenn man sich das Produkt im Detail ansieht, zeigt sich, dass wir mehr recycelte Kunststoffe verwenden.

Außerdem ist es unsere Mission, Sportler:innen besser zu machen und ihnen Lösungen zu bieten, von denen sie nicht wussten, dass sie sie brauchen und die sie nicht mehr missen wollen. Eine unserer wichtigsten Neueinführungen für 2023 ist der Slip Speed Laufschuh. Er entstand aus der Beobachtung, dass viele Verbraucher:innen zuerst mit der hinteren Ferse auftreten. Wir bieten ihnen Lösungen an, die es ihnen ermöglichen, einen funktionierenden Schuh zu tragen, in dem sie Leistung erbringen und trainieren können. Wir wissen, dass Vielseitigkeit bei Schuhen der Schlüssel zum Erfolg ist.

Under Armour Slip Speed. Bild: Under Armour

Außerdem gibt es eine Gruppe von Produkten, die wir als ‚unstoppable‘ bezeichnen. Dabei handelt es sich um vielseitige Silhouetten, deren Angebot wir jetzt sowohl auf Web- als auch auf Strickwaren erweitert haben. Es ist ein Produkt, das auf Leistung und Stil ausgerichtet ist. Eines der Dinge, die für uns immer wichtig sind, ist Technologie. ‘ISO Chill’ ist ein wichtiger Stoff für unsere Performance-Produkte, mit einem kühlenden Gefühl, das den Menschen etwas bietet, von dem sie nicht wussten, dass sie es brauchen.

Bei unseren Schuhen ist die Flow Technologie etwas, das wir haben und das niemand sonst in der Branche besitzt. Es handelt sich um eine gummilose Sohle mit extrem hoher Leistung. Wir haben sie vor zweieinhalb Jahren eingeführt und sie nun auf unsere gesamte Laufplattform ausgeweitet. In den nächsten Wochen werden wir auch den Marathonschuh Flow Velocity Elite auf den Markt bringen. Steph Curry [Anm. d. Red.: NBA-Spieler] hat ihnen eine schnellere Erholungszeit attestiert und muss seine Knie und Knöchel nicht mehr kühlen.

Under Armour sammelt Daten und Insights von Kund:innen und Profisportler:innen. Wie wichtig ist das für die Produktstrategie der Marke?

Es bildet den Kern unserer Strategie und fließt in alles ein, was wir tun. Wir arbeiten derzeit an einer neuen Faser, die wir noch nicht verraten können, auf die wir aber schon sehr gespannt sind. Sie wird sich mit Leistung, aber auch mit Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit befassen. Wir haben im letzten Jahr begonnen, sie mit einigen unserer Profisportler:innen zu testen, und gehen jetzt dazu über, sie mit einigen unserer Partner:innen aus dem Hochschulbereich und anderen professionellen Teams auf dem Spielfeld einzusetzen. So können wir Ihr Feedback nutzen und das Produkt weiter verbessern, bevor wir es nicht nur auf allen unseren Profi-Plattformen, sondern auch im Einzelhandel für die Verbraucher:innen einführen. Diese Erkenntnisse fließen in alles ein, was wir tun und worüber wir nachdenken, ob es sich nun um kleine Verbesserungen der Passform oder um die Produktanwendung handelt.

Under Armour Slip Speed. Bild: Under Armour

Welche Verhaltensänderungen haben Sie bei Ihren Kund:innen festgestellt, die sich auf Ihre Strategie auswirken?

In Bezug auf makroökonomische Faktoren denke ich darüber nach, was die Pandemie für uns in diesem Bereich getan oder nicht getan hat. Die ‚Casualisierung‘ der Mode begann vor 25 Jahren, aber so richtig durchgesetzt hat sie sich erst vor fünf bis zehn Jahren. Die Pandemie hat diese Entwicklung noch beschleunigt. Die Menschen suchen nach Vielseitigkeit bei allem, was sie kaufen, und sie wollen eine gewisse Lässigkeit in ihrem Kleiderschrank.

In manchen Fällen sind die 16- bis 20-Jährigen, die Zielgruppe, die wir primär ansprechen, weniger preisbewusst. Ihre Kaufkraft geht von ihren Eltern aus. Wenn sie glauben, dass das Produkt etwas taugt, wenn es neu und innovativ ist, sind sie auch bereit, mehr zu bezahlen. In den wichtigsten Basiskategorien mit einem guten Preisniveau sehen wir einen gewissen Druck durch Eigenmarken. Aber wenn die Technologie, die Leistung und die Vielseitigkeit stimmen, sind die Menschen bereit, mehr dafür zu bezahlen. Es geht nicht nur darum, große Rabatte zu gewähren.

Welche gesellschaftlichen und umweltbedingten Faktoren beeinflussen die Sportbekleidungskonsument:innen und ihre Kaufentscheidungen?

Wir wissen, dass diese Menschen sehr auf die Umwelt bedacht sind, daher sind nachhaltige Praktiken sehr wichtig. Mode und Trends spielen nach wie vor eine große Rolle. Wir sprechen viel über die Kultur des Sports, beispielsweise darüber, wie sich die Kultur der US-amerikanischen Footballs von der des globalen Fußballs unterscheidet. Wir versuchen, zu verstehen, was ihnen wichtig ist, die sozialen Faktoren, die ihr Leben bestimmen, die Dinge, die sie lieben. Die Sportkultur hat heute einen viel größeren Stellenwert als Dinge wie Musik und High Fashion.

Da Modemarken in den Bereich der Sportbekleidung vordringen, liegt der Schwerpunkt auf der Jugend, die sich mit ihrem eigenen ‚Fit‘ oder ‚Drip‘, um ihre eigenen Begriffe zu verwenden, zeigen will. Sie wollen auf dem Spielfeld gut aussehen, aber dennoch in Sachen Leistung unterstützt werden. In den übrigen 22 Stunden des Tages wollen sie modisch aussehen. Sie legen Wert auf Stil und Modetrends.

Die Damenmode wird in diesem Jahr auch ein großer Schwerpunkt für Under Armour sein. Werden sich Ihre eigenen Erfahrungen in der Sport- und Sportbekleidungsbranche auf den Ansatz in dieser Kategorie auswirken?

Under Armour hat sich bemüht, im Bereich der Damenbekleidung relevant zu werden, und letztendlich schafft dieser die größere Absatzmöglichkeit. Ich komme von Levi's und Dockers, und wenn man als Männermarke anfängt, ist es manchmal schwer, diesen Wechsel zu vollziehen. Das hatte für uns in den letzten Jahren Priorität. Es geht darum, die Kundin und die Nuancen ihres Körpers zu verstehen.

Under Armour Slip Speed. Bild: Under Armour

Nehmen wir zum Beispiel Schuhe. Der Fuß der Frau ist anatomisch anders gebaut als der Fuß des Mannes. Auch die Druckpunkte sind unterschiedlich. Wir bauen unser Schuhwerk aus und werden im Winter 2023 einen globalen Fußballschuh für Frauen auf den Markt bringen. Er wurde unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen Männern und Frauen, des Komforts und der Druckpunkte entwickelt.

Bei der Bekleidung sind wir weiterhin dabei, den weiblichen Körper, ihre Größen und ihre Form zu verstehen - diese Dinge sind wichtig. Als ich zur Marke kam, haben wir ‚Infinity Silo‘ auf den Markt gebracht. Das Team hat sich intensiv mit der Bewegung der Brust beschäftigt und mit dem, was dabei wichtig ist, um sicherzustellen, dass wir das richtige Maß an Halt und Komfort haben. Für das Frühjahr 2024 planen wir eine Neuauflage, da wir viel Feedback erhalten haben. Wir nehmen das Feedback auf und optimieren das Produkt, um es für die Athletinnen weiter zu verbessern.

Unser Ziel ist es, eine Schuh-, Bekleidungs- und Accessoire-Linie zu kreieren, die ihre Leistung und ihre Einzigartigkeit unterstützt, aber auch zeigt, dass wir sie als ‘taffe Frau‘ unterstützen, die feminin sein will.

Viele Marken in diesem Sektor haben sich mehr und mehr auf das Lifestyle-Segment konzentriert. Ist das auch etwas, was Under Armour in Betracht gezogen hat?

Wir verlagern unseren Schwerpunkt und haben gerade einige Anpassungen an unserer Strategie vorgenommen. Wir sind immer noch eine Performance-orientierte Marke. Performance ist der Kern dessen, was wir sind. Aber Sportler:innen haben ein Leben. Sie sind nicht immer auf dem Spielfeld. Deshalb wollen wir sie auch abseits des Spielfelds unterstützen. Sei es beim Training, bei Wettkämpfen, bei der Erholung oder einfach im Alltag.

Wir glauben, dass die Bedürfnisse von Sportler:innen besonders sind, da die meisten ihrer Produkte für Performance bestimmt sind und sie viel Zeit in ihnen verbringen. Welche Eigenschaften in Bezug auf Komfort, Vielseitigkeit und Passform müssen wir in diese anderen 18 bis 22 Stunden am Tag einbringen? Wir müssen die anderen Stunden des Tages berücksichtigen, in denen Stil eine größere und wichtige Rolle spielt. Sie werden diesen Wandel bei uns beobachten können, wenn wir unsere Sportler:innen in ihren nicht-aktiven Momenten zeigen.

Welche anderen Trends erwarten Sie für die Zukunft der Sportswear?

Die Verschmelzung von Performance-Kleidung und Sportswear ist heute allgegenwärtig. Wenn Sie die Verbraucher:innen bitten würden, zwischen Sportbekleidung und einem Lifestyle-Produkt zu wählen, glaube ich nicht, dass die Kategorie für sie einen Unterschied macht. Sie sehen nur den Look und sie wissen, dass sie sich so oder so zeigen wollen. Der Trend geht also dahin, ihre Bedürfnisse zu vereinen und ihnen eine Möglichkeit zu bieten, ihre Garderobe vielseitig und flexibel zu gestalten. Dieser Trend wird sich fortsetzen.

Nachhaltigkeit wird sich ebenfalls fortsetzen. Die Marken müssen sich darauf einstellen und so denken, dass sie nicht nur ihre Leistung erbringen, sondern den Menschen auch ein gutes Gefühl bei dem geben, was sie kaufen.

Die Digitalisierung der Mode hat ebenfalls an Bedeutung gewonnen. Ist dies etwas, das Sie berücksichtigen?

Ja. Vor ein paar Monaten haben wir mit unserer Marke ‚Curry‘ nicht-fungible Token (NFTs) angeboten. Dies und das Metaverse sind Dinge, mit denen wir herumprobieren und über die wir sicherlich nachdenken müssen. Es ist ein wichtiger Kanal, um mit unseren Kund:innen in Kontakt treten.

Nicht nur NFTs, sondern auch die Digitalisierung des Produktentstehungsprozesses ist wichtig. Wenn wir an unseren Standorten 3D-Darstellungen verwenden, können wir die Verbraucher:innen möglicherweise schneller erreichen. Das ist definitiv ein großer Trend, der die künftige Produktentwicklung beeinflusst hat und sie weiter beeinflussen wird. Die Pandemie hat dazu beigetragen, dass wir uns vor diesen Werkzeugen nicht fürchten und uns damit nicht unwohl fühlen.

Dieser Artikel wurde ähnlich auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ

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