Gerry Weber: finanzielle Neuaufstellung und Insolvenz der deutschen Retail-Tochter
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Die Gerry Weber International AG muss sich sanieren und das deutsche Retail-Geschäft restrukturieren. Erst vor drei Jahren beendete das Unternehmen sein letztes Insolvenzverfahren.
Der Bekleidungsanbieter aus Halle in Westfalen will sich mit verschiedenen Maßnahmen neu aufstellen, teilte Gerry Weber am Mittwoch mit. Grund für die Sanierung seien die Corona-bedingten Schließungen der Stores in Deutschland und das veränderte Verhalten der Kund:innen, das unter anderem durch den Ukraine-Krieg und die hohe Inflation ausgelöst wurde.
Für den finanziellen Sanierungsprozess hat das Unternehmen auf Grundlage des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) die Einleitung eines Verfahrens beim zuständigen Amtsgericht in Essen am 19. April beantragt. Dadurch soll eine “nachhaltige Bilanzsanierung der Passivseite” erreicht werden, heißt es von Gerry Weber. Ziel sei es dabei, durch einen Ausgleich zwischen Finanzierungspartner:innen und Anteilseigner:innen den Verschuldungsgrad des Unternehmens so zu senken, dass Gerry Weber “als gesundes Unternehmen am Markt bestehen kann”, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage von FashionUnited.
Es soll ein vollständiger Kapitalschnitt vollzogen werden, mit dem “auch die Börsennotierung der Aktien der Gerry Weber International AG erlöschen würde”. Das bedeutet, dass die Aktien der Gerry Weber International AG nicht mehr gehandelt werden, heißt es aus Halle in Westafalen.
„Mit der Initiierung eines präventiven StaRUG-Verfahrens wollen wir eine Neuordnung unserer Passivseite vornehmen. Parallel dazu werden wir unser deutsches Retail-Geschäft im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens operativ restrukturieren und das Unternehmen damit zukunftsfähig und resilienter aufstellen”, sagt Florian Frank, Chief Financial Officer der Gerry Weber International AG. „Das Wholesale-Geschäft, der E-Commerce und auch das Auslandsgeschäft sind von den Maßnahmen nicht betroffen.”
Eigenverwaltung bei deutscher Retail-Tochter
Bei der Gerry Weber Retail GmbH, der deutschen Einzelhandelstochter des Bekleidungskonzerns, wurde als weitere Maßnahme beim zuständigen Amtsgericht in Bielefeld ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt. Das Verfahren, das auf drei Monate begrenzt ist, betrifft weder die AG noch andere Töchter von Gerry Weber.
Das Einzelhandelsgeschäft müsse neu ausgerichtet werden, erklärt CEO Angelika Schindler-Obenhaus. Dabei soll das Filialnetz, zu dem aktuell 149 Läden und 28 Outlets gehören, angepasst und die Größe der Verkaufsflächen überprüft werden. Dabei ist für das Unternehmen klar, dass es Schließungen geben wird, so eine Sprecherin. Um wie viele und welche Standorte es geht, könne Gerry Weber zum aktuellen Zeitpunkt nicht sagen. Dies werde in den kommenden Wochen geprüft.
„Mit diesen Maßnahmen wollen wir uns auf den gesunden Kern von Gerry Weber fokussieren und den erfolgreichen Wholesale, den E-Commerce und das Auslandsgeschäft weiter stärken“, so die Gerry-Weber-Geschäftsführerin.Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Bekleidungsanbieter sanieren muss. Bereits Anfang 2019 musste Gerry Weber nach gescheiterten Gesprächen mit Banken und Gläubiger:innen über die weitere Finanzierung einen Insolvenzantrag stellen. Das Verfahren wurde dann im April eröffnet. Im Februar desselben Jahres stellte dann auch die deutsche Einzelhandelstochter, die jetzt erneut insolvent ist, einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung.
Aber nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens hatte Gerry Weber mit Lockdowns und den Folgen der Pandemie zu kämpfen. Während 2021 noch ein Gewinn von 23 Millionen Euro verbucht werden konnte, rutschte das Unternehmen im Folgejahr wieder in die Verlustzone. In den ersten neun Monaten des vergangenen Geschäftsjahres wies es einen Verlust von 10,2 Millionen Euro aus. Im eigenen Retailgeschäft erholte sich beim Modeunternehmen zwar der Umsatz, aber das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen lag weiterhin bei minus 7,9 Millionen Euro.
Bis Gerry Weber allerdings den Jahres- und Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2022 bekannt gibt, könnte es noch etwas dauern. Dieser soll nun nicht wie angekündigt am 28. April veröffentlicht werden, sondern erst nach der Umsetzung des Sanierungskonzepts erfolgen, so die Sprecherin.
Gerry Weber beruft Generalbevollmächtigten
Als Teil der Neuausrichtung holt Gerry Weber auch Dirk Reichert als Generalbevollmächtigten ins Führungsteam. Als Chief Restructuring Officer soll der gebürtige Düsseldorfer seine langjährige Erfahrung als Inhaber eines Beratungsunternehmens mitbringen. Er war zuletzt als Vorstand und Mitgesellschafter der Holdinggesellschaft Munich Brand Hub AG tätig, die sich auf Investitionen im Modesektor spezialisiert hat.
„Durch sein breites Tätigkeitsspektrum ist Dirk Reichert für die Umsetzung von zukunftssichernden Maßnahmen im operativen Bereich für Gerry Weber bestens geeignet”, so Schindler-Obenhaus. „Wir sind uns sicher, dass wir in dieser Konstellation personell optimal aufgestellt sind, um den aktuellen Herausforderungen des Marktes zu begegnen.“
Dieser Beitrag wurde am 20. April 2023 um 09.35 Uhr mit weiteren Details von Gerry Weber ergänzt.