Grünschnabel-Gründerin: Leipziger Innenstadt brauchte eine Fast-Fashion-Alternative
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Christiane Pfundt führt ihren Leipziger Laden namens Grünschnabel seit 2010. Eine echte Vorreiterin, denn nachhaltige Mode war damals noch als 'öko' verrufen. FashionUnited hat sie gefragt, wie es ihrem Laden heute geht, wie sie die Einzelhandelslandschaft in Leipzig einschätzt, und was sie sich von der Stadt Leipzig wünschen würde, um die Innenstadt attraktiver zu gestalten.
Frau Pfundt, seit wann gibt es ihr Geschäft und wo sind sie zu finden?
2010 habe ich den Grünschnabel in Leipzig-Schleußig, dem einkommensstärksten und kinderreichsten Stadtteil Leipzigs, eröffnet. Das Sortiment umfasste damals hauptsächlich Kinderbekleidung aus ökologischer und fairer Produktion. Mein Ziel war es, nachhaltige Mode, abseits des Klischees von Beigetönen und Leinensäcken, vor Ort sichtbar und verfügbar zu machen. Zu dieser Zeit gab es auch schon einige wenige nachhaltige Labels, wie Armedangels (gegründet in 2007), die bedruckte Shirts und Hoodies für Erwachsene anboten. Diese haben das Sortiment ergänzt.
Die Entwicklung im Fair-Fashion-Bereich ging in den darauffolgenden Jahren rasant voran. Viele neue Labels kamen auf den Markt und das Angebot an Damen- und Herrenmode, die den aktuellen Trends folgte, wurde immer größer, dementsprechend auch die Auswahl beim Grünschnabel. Aber auch auf Konsument:innenseite konnte ich erfreulicherweise eine stetig ansteigende Nachfrage beobachten, sodass ich 2015 den Sprung in die Leipziger Innenstadt wagte. Der Hauptgrund war für mich die zentrale Lage und damit gute Erreichbarkeit für alle Interessierten. Außerdem war es mir als geborener Leipzigerin wichtig, dass es in „meiner“ Innenstadt eine Alternative zur Fast Fashion gibt.
War es einfach, einen geeigneten Standort zu finden?
Die Suche nach einem geeigneten und bezahlbaren Standort war sicherlich ein wenig von Glück geprägt, denn im selben Jahr eröffnete der komplett restaurierte historische Oelßners Hof, eine wunderschöne lichtdurchflutete offene Passage, nur sechs Minuten fußläufig vom Leipziger Hauptbahnhof entfernt. Die Passage verfolgt ein Mischkonzept aus einer Ankervermietung – großes Lebensmittelgeschäft –, Gastronomie und kleineren Einzelhandelsgeschäften mit individuellen Konzepten. Es fiel mir nicht schwer, das Projekt vom Grünschnabel überzeugen und ich konnte eine Verkaufsfläche von 150 Quadratmeter anmieten.
Zuvor hatte ich mir zwei weitere Läden angeschaut, die jedoch nicht hundertprozentig gepasst hatten, sowohl vom Standort als auch vom Mietpreis her. 2021 konnte ich die Fläche im Oelßners Hof aufgrund der Schließung zweier Nachbargeschäfte noch erweitern, sodass wir aktuell circa 240 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung haben und mit dem Standort rundum zufrieden sind.
Erklären Sie uns ihr Sortiment: Welche Marken, welche Produktsegmente, welche Größen führen Sie?
Unser aktuelles Sortiment besteht aus 100 Prozent ökologisch und fair produzierter Mode für Damen und Herren. Der Schwerpunkt liegt auf Oberbekleidung und wird durch Unterwäsche-Basics, Accessoires, Schuhe sowie Taschen ergänzt. Innerhalb des Sortiments spielt das Thema Jeans eine große Rolle, weil hier unsere Kernkompetenzen Freundlichkeit, Empathie und gute Beratung besonders gefragt sind. Insgesamt haben wir zurzeit etwa 40 verschiedene nachhaltige Marken auf der Fläche, bekanntere, wie Armedangels oder Veja, und unbekanntere, wie Recolution oder Kings of Indigo. Da wir beim Thema Konfektionsgrößen auf das Angebot der Labels angewiesen sind, die häufig noch nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, größeninklusiv zu produzieren, bewegen wir uns im Größenspektrum von XS bis XXL.
Was tun Sie, um relevant zu bleiben?
Aufgrund der stetig steigenden Nachfrage bezüglich nachhaltiger Mode und der geringen Konkurrenz mussten wir uns viele Jahre lang „kein Bein ausreißen“, um relevant zu bleiben oder zu werden. Es gab von Beginn an einen Onlineshop, der unser gesamtes Sortiment abbildet und viele Kund:innen gezielt in unseren Laden führt. Auf Social Media – Facebook und Instagram – waren wir sporadisch aktiv und haben lokal die ein oder andere Werbemöglichkeit genutzt, die auf uns zukam. Seit zwei Jahren gibt es außerdem eine Kund:innenkarte, um treue Stammkundschaft zu belohnen sowie neue Kundschaft zu binden.
Leider wurde auch unser stetiges Wachstum nun durch die bekannten Krisen gestoppt und wir müssen uns erstmals intensiver mit dem Thema Marketing beschäftigen. Das bedeutet Investitionen, die in Krisenzeiten schwer zu stemmen, jedoch dringend notwendig sind. Aktuell arbeiten wir finanziell unterstützt durch ein Förderprogramm der Sächsischen Aufbaubank (SAB) mit einer Leipziger Marketingagentur an unserer Marke und einem Relaunch im Frühjahr 2024. Wir entwickeln außerdem gemeinsam eine Kommunikationsstrategie, mit der wir für uns interessante Zielgruppen stärker erreichen können. Da dieser Prozess noch nicht abgeschlossen ist, kann ich leider nicht sagen, welche Maßnahmen wir dann konkret ergreifen werden, aber es geht unter anderem um Themen wie Social Media, Suchmaschinen-Marketing, Influencer:innen-Marketing, Instore-Events, lokale Partnerschaften und so weiter. Dabei müssen wir dann den Fokus auf die „low hanging fruits“ legen, denn das Marketingbudget ist klein.
Wie würden Sie die Einzelhandelslandschaft in Leipzig beschreiben?
Mein Gefühl ist, dass Leipzig noch nicht so sehr wie andere Städte unter dem sogenannten Laden- oder Innenstadtsterben leidet. Klar gab es ein paar Schließungen. Aber insgesamt finde ich, dass Leipzig eine schöne, spannende Einzelhandelslandschaft hat, mit vielen kleinen, inhabergeführten Ladengeschäften. Das liegt meines Erachtens auch daran, dass Leipzig eine Innenstadt mit vielen Passagen besitzt. Dadurch gibt es nicht nur eine Haupteinkaufsstraße, sondern auch viele 1B-Lagen, die nicht ganz so teuer sind. Das ist für den Handel und für die Kundschaft erfreulich.
Dort, wo Leerstand herrscht, setzt sich die Stadt ein, um Zwischenlösungen zu bieten. Nichts ist schlimmer als leere Schaufenster. Deswegen gibt es Angebote zur Zwischenmiete, die dann sehr günstig sind und wo Kunstschaffende zum Beispiel ihre Kunst ausstellen. Ich finde, die Stadt macht das ganz gut.
Also, noch gehts uns ganz gut, aber man muss wachsam bleiben – zumal es mit den Kaufhäusern weiterhin eine Zitterpartie bleibt.
Wie lief das Jahr 2023 finanziell für Sie?
Für uns ist das Jahr genauso gut gelaufen, wie das vergangene. Wir hatten Glück. Wir hatten keine Umsatzrückgänge aufgrund der Inflation, aber unsere Kosten sind gestiegen. Unterm Strich haben wir also weniger verdient. Deshalb ist es schwierig, Rücklagen aufzubauen, mit denen man dann Werbung betreiben könnte, um sich bekannter zu machen und neue Kundschaft anzulocken.
Was würden Sie sich an Hilfe, Förderung oder Unterstützung für den Handel wünschen?
Leipzig profitiert von einem starken Tourismus, die Stadt ist ein typisches Ziel für Städtereisen. Es gibt viele kulturelle Veranstaltungen, wie die Bach-Tage. Viele Kund:innen kommen aus Dresden, Erfurt und Chemnitz. Also da läuft vieles richtig.
Auch wenn man es bei einem nachhaltigen Geschäft vielleicht nicht erwarten würde, finde ich die politischen Bemühungen schwierig, die den Autoverkehr aus der Innenstadt vertreiben wollen. Und zwar deshalb, weil die öffentlichen Verkehrsmittel noch nicht zuverlässig und angenehm genug sind, dass alle ganz auf das Auto verzichten können und wollen. Das schreckt dann den Einkaufstourismus ab. Ich denke, eine weitere Einschränkung des Autoverkehrs schadet der Innenstadt insgesamt.
Außerdem würde ich mir eine Vereinfachung wünschen, wenn es darum geht, kurzfristige Kredite zu bekommen. Ich nutze zum Beispiel ein Förderprogramm von der SAB. Ich würde mir aber noch mehr Möglichkeiten für kleine Händler:innen wünschen, kleine oder kurzfristige Liquiditätsprobleme zu überstehen, weil wir Händler:innen eben immer in Vorkasse gehen müssen und die ganze Ware für eine Saison vorfinanzieren müssen. Kleinkredite mit einem fairen Zinssatz fände ich deshalb dringend notwendig, um eine lebendige Innenstadt zu erhalten, von der alle profitieren.