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H&Ms Antwort auf Vorwürfe der Altkleider-Vernichtung verdeutlicht Probleme der Branche

Von Simone Preuss

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Business |KOMMENTAR

Sortieren von Hunderten von Tonnen Kleidung in einer stillgelegten Fabrik für eine soziale Mission namens Clothing the Loop in Phnom Phen, Kambodscha. Bild: Francois Le Nguyen / Unsplash

H&M war der erste Mode-Einzelhändler der eine weltweite Sammelaktion für Bekleidung startete; inzwischen findet man Sammelcontainer für Alttextilien auch in den Filialen anderer Marken der H&M Gruppe wie Monki, Weekday, Cos, Arket und & Other Stories. Das Unternehmen versprach damals, dass 95 Prozent der Tausend Tonnen von Textilien, die jedes Jahr weggeworfen werden, wieder getragen oder recycelt werden könnten.

In der damals benutzten „Close the Loop“-Grafik (s. unten) wurde Verbraucher:innen sogar vorgemacht, dass ihre abgegebenen Alttextilien durch „Innovation“ direkt wieder zu Stoffen und dann zu neuen Produkten würden, die etwa für die „Conscious“-Kollektion genutzt würden.

Close the Loop. Bild: H&M

Zehn Jahre später wissen Verbraucher:innen (Brancheninsider:innen damals schon), dass es so einfach nicht ist: Textilien lassen sich (noch) nur schwer wieder zu neuen Textilien recyceln, da es sich um Mischgewebe verschiedener Ausgangsstoffe handelt, am häufigsten Baumwolle und Polyester. Das stellt die Branche bis heute vor eine Herausforderung und konkret wird derzeit nur ein Prozent aller Altkleider wieder zu neuer Bekleidung.

Dafür können nun H&M und andere Modekonzerne per se nicht viel; Technologie braucht eben ihre Zeit und gerade kommerziell skalierbare. Was passiert also mit diesen Riesenbergen von Alttextilien, die H&M damals schon als „Tausende Tonnen“ bezeichnete? Einige werden verbrannt, einige landen auf Mülldeponien und wieder andere nach Tausenden von Kilometern auf den Secondhand-Märkten des globalen Südens. Da sich aber aufgrund von mangelnder Qualität immer weniger der so verschifften Kleidungsstücke für den Wiederverkauf eignen, landen sie im Endeffekt wieder auf der Mülldeponie, nur eben nicht vor der eigenen Haustür, sondern schön weit weg - aus den Augen, aus dem Sinn sozusagen.

Kleiderberg in der Atacama-Wüste in Chile. Bild: Takayuki Fuchigami Yomiuri The Yomiuri Shimbun / AFP

Die schwedische Tageszeitung Aftonbladet und die deutsche Bild-Zeitung investigierten jüngst unabhängig voneinander, wo „recycelte“ H&M-Kleidung landet und kamen zu dem gleichen Ergebnis: statt mit Recycling-Partnern das Problem vor Ort anzugehen, werden Altkleider um den halben Erdball geschickt. Und das kann man Modeunternehmen wie H&M und anderen (die dies ebenso tun) durchaus vorwerfen, denn inzwischen wissen sie sehr genau, wie schwierig es ist, Altkleidung sinnvoll zu recyceln.

H&M antwortet auf Vorwürfe

H&M antwortet auf die Vorwürfe mit sorgfältig formulierten unternehmerischen Floskeln, die derzeit auf Anfrage an die Medien verschickt werden (man darf jedoch niemanden namentlich zitieren): Die H&M Group sei „kategorisch dagegen ist, dass Kleidung zu Abfall“ werde, man „nehme die Erkenntnisse sehr ernst“ und Kund:innen könnten sich darauf verlassen, „dass mit den Kleidungsstücken, die sie in unseren Kleidersammelboxen abgeben, verantwortungsvoll umgegangen“ werde.

Zudem würden „Bemühungen zum Aufbau einer zirkulären Lieferkette verstärkt“ und mit einem neuen Partner, dem deutschen Recyclingunternehmen Remondis, statt wie bisher mit I:CO fortgesetzt. „Wir haben schon zu Beginn des Jahres den Partner für unsere Kleidersammelinitiative gewechselt und arbeiten seither nicht mehr mit I:CO zusammen. Bedauerlicherweise wurde dies auf unserer schwedischen Website Schysstmode.hm.com nicht korrekt aktualisiert. Dieser Fehler wurde inzwischen behoben“, heißt es auf Anfrage der Textilwirtschaft aus der deutschen H&M-Unternehmenszentrale in Hamburg.

Aus den Augen, aus dem Sinn

Darauf, dass die Kleidungsstücke Tausende von Kilometern von den Sammelstellen wieder auftauchten, geht das Unternehmen nicht ein, sondern stellt dies als Erfolg dar: „Wie die Fundorte der nachverfolgten Kleidungsstücke mit aktivem Signal im Beitrag selbst zeigten, gelangten alle Kleidungsstücke zu Secondhand- oder Recyclingunternehmen. Darüber hinaus hat Remondis’ eigene Untersuchung bestätigt, dass die Kleidungsstücke bekannte und adäquate Partner erreicht haben“, so die Antwort von H&M auf Anfrage von FashionUnited.

Na, da kann man ja beruhigt sein, besonders wenn H&M betont, dass es sich „um langfristige und zertifizierte Partner von Remondis“ handele, einem Partner, mit dem das Unternehmen erst seit Beginn des Jahres Geschäfte macht.

Textilmüll strategisch verteilen

Noch fragwürdiger ist die nächste Aussage von H&M: „Wir verlangen von unseren Partnern, dass sie über Verfahren verfügen, die sicherstellen, dass die gesammelten Kleidungsstücke und Textilien verantwortungsvoll kategorisiert werden – entweder für eine weitere Nutzung als Produkt oder in Form von Secondhand oder in Form von Recycling, um sicherzustellen, dass nichts als Abfall endet.“

Damit wird das Problem also an Dritte weitergegeben: Der sorgfältig „kategorisierte” Textilmüll landet also entweder beim Recycling-Unternehmen, auf dem Secondhand-Markt oder wird weiterverkauft - wohin oder wie weit, scheint keine Rolle zu spielen, und was diese letztendlich damit machen, auch nicht.

Um diejenigen zu beschwichtigen, die sich vielleicht Gedanken um die letzte Ruhestätte der Altbekleidung machen, fügt H&M ein Schmankerl hinzu: „Wir wissen, dass das Sortieren und Recyceln von Kleidung und Textilien nach wie vor eine Herausforderung darstellt, unabhängig von der Marke oder Wohltätigkeitsorganisation. Wir sehen aber auch, dass immer mehr skalierbare Lösungen für das Textilrecycling entwickelt werden, was sehr positiv ist. Die H&M Group arbeitet aktiv an diesem Thema und investiert gleichzeitig in skalierbare Lösungen im Textilrecycling.“

H&Ms In-Store-Recycling-System namens Looop kurbelt den Konsum an. Bild: H&M

In gewohnter H&M-Manier ist die Aussage schön vage und es wird auf eine weiterführende Webpage zum Thema Recycling verwiesen, die wiederum auf die Sammelcontainer in den Filialen als eine Maßnahme hinweist, ebenso auf recycelte Materialien wie Infinna und Circulose, die sich gut anhören, aber nur einen Bruchteil der Neuprodukte bedienen. Die vielgelobte „Green Machine“ zur Trennung textiler Mischgewebe in Zusammenarbeit mit HKRITA ist zwar ein löblicher Ansatz, funktioniert aber noch nicht auf industrieller Ebene und wird vielleicht nie in dem Maßstab funktionieren, die H&M aufgrund seines riesigen jährlich produzierten Volumens benötigen würde. Und so schließt sich dann wirklich mal der Kreis - der Kreis der Versprechungen und des Greenwashings.

Weniger wäre mehr

Apropos Riesenvolumen: Eine einfache Lösung wäre, an der Quelle anzusetzen und den Fluß von Bekleidung einzudämmen, weniger zu produzieren. Aber das ist mit den Fast-Fashion-Geschäftsmodellen von H&M und Co. nicht zu vereinbaren, die auf Überkonsum und Überproduktion beruhen.

Verbraucher:innen wissen dies inzwischen auch, werden aber mit Initiativen wie „Close the loop“, „Conscious“-Kollektionen, In-store Recycling und Recycling-Wochen beschwichtigt. Dies ist clever, denn so können sie weiterhin guten Gewissens Fast Fashion einkaufen, die ja vermeintlich „den Kreislauf schließt“. Dass den scheinbar zirkulären Initiativen eins gemein ist, nämlich durch Guthaben, die nur auf neue Produkte gelten, den Verbrauch weiter anzukurbeln, scheint niemanden zu kümmern. Und so rollt der Rubel weiter und die Textilberge werden höher.

Bedient Fast Fashion nur Verbraucher:innen-Bedarf?

Ein Lieblingsargument von Fast-Fashion-Anbietern wie H&M, Zara, Forever 21 und anderen und Ultra-Fast-Fashion-Anbietern wie Shein ist, dass sie lediglich auf einen Bedarf der Verbraucher:innen antworten würden, die nach immer neuer Ware verlangten, die sich immer schneller erneuern soll. Natürlich tun sie das, sie werden ja nicht umsonst „Verbraucher:innen“ genannt. Der Handel und damit „Retail Therapy“ ist fast so alt wie die Menschheit selbst - wir lieben glänzende, schöne und vor allem neue Dinge.

Was den Unternehmen aber entgeht ist, dass „neu“ ein dehnbarer Begriff ist und eigentlich nur meint, für eine:n bestimmte:n Verbraucher:in neu; es kann sich also durchaus um Secondhand-, geänderte oder sogar getauschte Ware handeln; etwa ein umgenähtes oder upcyceltes Kleidungsstück.

Modehändler:innen könnten also durchaus immer etwas „Neues“ anbieten, das jedoch nicht aus Neumaterialien gemacht sein muss - es kann leicht oder kaum Gebrauchtes sein, dass den/die Besitzer:in wechselt, oder Verändertes, neu Kombiniertes oder aus Restbeständen Kreiertes. Die Möglichkeiten sind eigentlich endlos. Erfordert dies Kreativität, das Gehen neuer, vielleicht anfangs etwas einsamer oder gar beängstigender Wege und ein Umdenken im Sinne der Gemeinschaft zugunsten Einzelner? Auf jeden Fall. Aber wer soviel Energie in das Ausdenken immer neuer Ausreden und umständlicher Entsorgungswege stecken kann, der wird doch mit so einer kleinen Herausforderung sicher fertig.

H&M
Nachhaltigkeit
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