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Hermès vs H&M: Wie Modekonzerne im Krisenfall handeln

Von Herve Dewintre

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Business |ANALYSE

Fast alle Modeunternehmen wurden von der Pandemie hart getroffen, aber nicht alle Unternehmen reagieren auf die Folgen der Pandemie gleich. Angesichts des einbrechenden Absatzmarktes und der massiven Schließung von Verkaufsstellen schlagen Unternehmen unterschiedliche Richtungen ein: Da sind einerseits die Unternehmen, die beschließen, sich solidarisch zu zeigen, indem sie die von den Regierungen vorgeschlagenen massiven Hilfen nicht in Anspruch nehmen, und diejenigen, die, obwohl sie nach außen über unbestreitbare finanzielle Mittel verfügen, die Hände aufhalten.

Daher hagelte es Kritik an Adidas und H&M, als diese ihre Absicht ankündigten, keine Miete mehr für Geschäfte zu zahlen, die wegen der Pandemie geschlossen werden mussten. Diese Ankündigung ist Teil einer Bestimmung des von der deutschen Regierung vorgeschlagenen Rettungsplans. Diese Bestimmung zielt darauf ab, Mieter vor dem Risiko einer Zwangsräumung zu schützen, wenn die Miete nicht gezahlt werden kann.

Der schwedische Riese H&M hat angedeutet, dass er die Miete für seine etwa 460 geschlossenen Geschäfte in Deutschland stunden will. Er teilte der Nachrichtenagentur DPA mit, dass er die Eigentümer informiert habe und hoffe, bald "eine für beide Seiten akzeptable Lösung" zu finden. Der deutsche Sportartikelhersteller Adidas, der im Jahr 2019 einen Nettogewinn von fast zwei Milliarden Euro (2,2 Milliarden Dollar) erwirtschaftete, erklärte seinerseits gegenüber der DPA, dass er "wie viele andere Unternehmen die Mietzahlungen vorübergehend aussetzt".

Gerechtfertigte Kritik in der Krise?

Diese Entscheidungen verärgerten auch die deutsche Justizministerin Christine Lambrecht: "Es ist unanständig und inakzeptabel, dass finanziell gesunde Unternehmen ihre Mieten nicht mehr zahlen", sagte sie daraufhin. Einige Tage nach dem PR-Desaster, das sogar Boykottaufrufe im Internet nach sich zog, gab Adidas schließlich bekannt, die Mieten doch rechtzeitig zahlen zu wollen. Zeitnah wurde auch das Aktienrückkaufprogramm von einer Milliarde Euro für 2020 gestoppt.

Angesichts der zuletzt veröffentlichten Geschäftszahlen wird aber auch klar, dass selbst zweifelslos wirtschaftlich gesunde Sportartikelhersteller wie Adidas mit den Auswirkungen von Covid-19 zu kämpfen haben. Außerdem ging es bei den Mieten nur um die Stundungen der Zahlungen - hätte man das vielen Vermietern, hinter denen oft Finanzinvestoren stehen, wirklich nicht zumuten können?

Die öffentliche Kritik zeigt, wie wichtig die Kommunikation nach außen es gerade in Krisenzeiten ist. Das hat auch H&M begriffen, als das Unternehmen nach dem Unmut über die Mietstundungen ankündigte in Deutschland das Kurzarbeitergeld für seine Mitarbeiter im März auf 100 Prozent aufzustocken. Nachdem Kritik daran aufkam, dass Modekonzerne Milliardenaufträge bei Lieferanten in ärmeren Ländern stornierten, ruderte der Mutterkonzern Hennes & Mauritz zurück. Der Modekonzern erklärte sich bereit die vereinbarten Preise für die Waren zu zahlen, die fertig oder in Arbeit sind.

Noch ist unklar, ob Waren bezahlt werden, die schon bestellt sind, aber noch nicht hergestellt wurden. Hier reagierte H&M schnell und positionierte sich an die Spitze von Modekonzernen, die jetzt versuchen eine “gemeinsame, industrieweite” Lösung zu finden. Auch andere Fast Fashion Anbieter wie Primark haben sich mittlerweile entschlossen ihre Zulieferer zu bezahlen und nutzen das auch gezielt in der Kommunikation nach außen.

Imagepflege in Krisenzeiten

Während die Sportartikelhersteller und Fast Fashion Anbieter durch ihre anfänglichen Entscheidungen daran zweifeln ließen, ob Ethik ein wesentlicher Pfeiler ihrer Geschäftspolitik ist, gingen einige große französische und italienische Luxuskonzerne einen entgegengesetzten Weg, indem sie Maßnahmen ergriffen, die ihr verantwortungsbewusstes Engagement unterstrichen.

Die Marken der Luxuskonzerne LVMH und Kering veröffentlichten seit Anfang der Covid-19-Krise Mitteilungen, die ihren aktiven Beitrag zu den von Präsident Emmanuel Macron erbetenen "Krisenanstrengungen" belegen. So hat LVMH beispielsweise einen chinesischen Industriezulieferer gefunden, der in der Lage ist, in wenigen Tagen zehn Millionen Masken nach Frankreich zu liefern (sieben Millionen chirurgische Masken und drei Millionen FFP2-Masken): Der Konzern hat die erste Lieferwoche vollständig finanziert, rund fünf Millionen Euro. Erwähnenswert sind auch die Maßnahmen von Kering, das versprochen hat, drei Millionen Operationsmasken an die französischen Gesundheitsdienste zu übergeben. Ihre Tochtergesellschaft Gucci hat sich verpflichtet, 1,1 Millionen chirurgische Masken und 55 000 Kittel für das Gesundheitspersonal in Italien herzustellen.

Der Luxuskonzern Hermès zahlt alle Gehälter fort, spendet 20 Millionen Dollar an die Pariser Krankenhäuser und kürzt seine Dividende. Zuletzt gab das Unternehmen das zwei Tage nach Chanel bekannt, dass es ebenfalls alle Gehälter seiner Mitarbeiter fortzahlen werde, nicht nur in Frankreich, sondern weltweit. In einer Pressemitteilung erklärt das Modehaus aus der Rue Saint-Honoré: "Die finanzielle und wirtschaftliche Solidität ihres handwerklichen Modells ermöglicht es der Hermès-Gruppe, diese beispiellose Gesundheitskrise zu überstehen. Mit einem ausreichenden Cashflow und im Einklang mit ihrer humanistischen Unternehmenskultur sowie ihren Verpflichtungen als verantwortungsbewusster Arbeitgeber wird die Hermès-Gruppe das Grundgehalt ihrer 15.5000 Mitarbeiter in Frankreich und weltweit beibehalten, ohne auf außergewöhnliche öffentliche Hilfen verschiedener Regierungen zurückgreifen zu müssen. "Die Gruppe wird außerdem 20 Millionen Euro an AP-HP (Assistance Publique-Hôpitaux de Paris) spenden und arbeitet auch an der Lieferung von hydro-alkoholischer Lösung, die von ihrem Standort Parfum du Vaudreuil und Masken hergestellt werden soll.

Die französiche Arbeitsministerin Muriel Pénicaud lobte die Entscheidungen der Luxus- und Industriegiganten. "Es gibt kleine Unternehmen, die es sich nicht leisten können, die keinen Cashflow, keine Aktivität und keinen Umsatz haben. Aber wenn eine große Gruppe keine größeren Schwierigkeiten hat und davon ausgeht, dass sie nach der Krise einen ziemlich starken Aufschwung erleben wird, dann halte ich dies für eine verantwortungsbewusste Haltung und begrüße sie".

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Dividende an die Aktionäre: Wie entscheiden Modekonzerne?

Es steht immer noch die Frage nach den Dividenden im Raum. Es geht dabei um die Frage, wie viel Geld Aktionäre nun bekommen sollen, während Mitarbeiter entlassen wurden oder Gehälter beispielsweise staatlich finanziert werden. Der französische Wirtschaftsminister Bruno Lemaire möchte, dass die Aktionäre in diesem Jahr ihre Ansprüche zurückschrauben. In seiner Rede auf BFMTV bekräftigte der Minister seinen Wunsch, jegliche öffentliche Finanzhilfe für Unternehmen, die Dividenden an ihre Aktionäre zahlen, abzulehnen. "Seien Sie vorbildlich: Wenn Sie Kurzarbeit nutzen, zahlen Sie keine Dividende", forderte er. Der Druck steigt mit dem Beginn der Hauptversammlungssaison. Der Verband der französichen Großunternehmen forderte seine Mitglieder auf, die Dividenden in diesem Jahr um 20 Prozent zu senken. Noch haben nicht alle Konzerne eine Entscheidung getroffen. LVMH will jetzt seine Dividende um 30 Prozent auf 4,80 Euro pro Aktie reduzieren.

Hermès hat auch den ersten Schritt in dieser Angelegenheit getan. In seiner Mitteilung stellt das in Paris ansässige Unternehmen fest: "Auf der Grundlage des Vorschlags der Geschäftsführung hat der Aufsichtsrat beschlossen, die vorgeschlagene Dividendenausschüttung, die der Hauptversammlung am 24. April 2020 vorgelegt werden soll, dahingehend zu ändern, dass der Betrag von 5,00 Euro auf 4,55 Euro pro Aktie, das heißt auf den gleichen Betrag wie im Jahr 2019, gesenkt wird. Die geschäftsführenden Vorsitzenden wollten auf die Erhöhung ihrer im Jahr 2020 gezahlten festen Vergütung und der im Jahr 2020 zugewiesenen variablen Vergütung für 2019 verzichten und erhalten daher im Jahr 2020 einen Gesamtbetrag der Vergütung, der mit dem im Jahr 2019 erhaltenen identisch ist. »

Adidas hat in der Zwischenzeit einen Kredit über 3 Milliarden Euro von der staatlichen Förderbank KfW bekommen. Die Bedingungen des Kredits sind, dass der Konzern seine Dividendenzahlungen während der Kreditlaufzeit bis Juli 2021 aussetzen muss. Allerdings kann der Konzern den Kredit zu jeder Zeit kündigen.

Dieser Artikel entstand mithilfe von Barbara Russ & Weixin. Zha

Crédit : Hermès Silk Booklet SS20 © Oliver Hadlee Pearch

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