• Home
  • Nachrichten
  • Business
  • Inversa: Wie Fischleder die Korallenriffe retten soll

Inversa: Wie Fischleder die Korallenriffe retten soll

Von Rachel Douglass

Wird geladen...

Scroll down to read more

Business |Interview

Bild: Inversa

Materialien der nächsten Generation, ein Begriff, der oft für nachhaltige und ethische Faseralternativen verwendet wird, können oft aus überraschenden natürlichen Rohstoffen stammen. Bei vielen Materialien der nächsten Generation geht es um den Verzicht von tierischen Produkten, eine Alternative, die die Modewelt zunehmend annimmt. Inversa hofft jedoch, dass seine Alternative bei den Menschen Anklang findet, weil sie ein zunehmend besorgniserregendes Problem lösen kann.

Das exotische Leder von Inversa wird aus Rotfeuerfischen hergestellt, einer hochgradig invasiven Spezies, die vor allem an der Küste Floridas in den atlantischen Gewässern erhebliche Schäden an den Korallenriffen und der Artenvielfalt verursacht. Das Unternehmen, das erst kürzlich von der Ocean Risk and Resilience Action Alliance (ORRAA) als Finalist für den Ocean Resilience Innovation Challenge Zuschuss ausgewählt wurde, startete zunächst als Lebensmittellieferant für Restaurants. Um Taucher:innen eine Prämie für ihre Rotfeuerfischernte zahlen zu können, expandierte das Team in die Lederproduktion, von der sie hoffen, dass die Nachfrage seitens der Modeindustrie weiter zunehmen wird.

Das Start-up hat bereits Partnerschaften mit einer Reihe von Marken geschlossen, darunter Teton Leather Company, für die es Rotfeuerfischleder für Clutches und Uhren liefert, und P448, eine italienische Schuhmarke, mit der es bei der Herstellung nachhaltiger Lederschuhe zusammengearbeitet hat.

Jetzt hofft Inversa, dass seine Geschichte bei mehr globalen Marken Anklang findet, damit es sein Ziel erreichen kann, das Korallenriff wieder aufzubauen, indem diese Spezies stärker zurückgedrängt wird. FashionUnited sprach mit drei Mitgliedern des Inversa-Teams, den Mitgründern CEO Aarav Chavda und COO Roland Salatino sowie CMO Deepika Nagarajan, um mehr über das Rotfeuerfisch-Problem und den Plan des Unternehmens zur Rettung der Ozeane rund um Florida zu erfahren.

Das Rotfeuerfisch-Dilemma

Die drei, die selbst leidenschaftlichen gerne tauchen, haben ausführlich über den sich rapide verschlechternden Zustand der Korallenriffe gesprochen, etwas, das sie aus erster Hand erleben mussten. „Die Rotfeuerfische sind ein echtes Problem“, so Chavda. „Wir konnten zusehen, wie das Riff langsam abstarb, Jahr für Jahr, und es kam zu einem Punkt, an dem ich Roland anrief und sagte, dass wir etwas dagegen tun müssen.“

Die Existenz der Art in den floridianischen Gewässern ist höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Menschen die Tiere in die freie Wildbahn entlassen haben, entweder aus Versehen oder aus Heimaquarien. Die Probleme, die durch diese Fischart entstanden sind, rühren daher, dass sie keine natürlichen Fressfeinde hat, so dass sie sich in rasantem Tempo vermehren kann und bis zu 79 Prozent der jungen Meerestiere tötet. Das führt zu einem überwucherten Riff, das langsam abstirbt.

Bild: Inversa

„Wir sahen viele gemeinnützige und staatliche Organisationen, die versuchten zu helfen, aber wir alle kennen die Macht der Verbraucher:innen, die Welt zu verändern und eine zu schaffen, in der sie leben wollen“, so Chavda. „Wir wollten einen Weg finden, ein neues Ledermaterial zu produzieren, mit dem wir die Macht der Verbraucher:innen nutzen können, um den Planeten zu seinen eigenen Bedingungen heilen zu lassen.“

Die Verwendung von Fischleder wird oft als eine ursprünglich indigene Praktik angesehen und obwohl das Unternehmen keine traditionellen Ressourcen und Chemikalien in seinem Prozess verwendet, erklärte Chavda, dass dies der Ausgangspunkt ist, aus der das Inversa-Konzept hervorging. „Das war sozusagen der Funke für die Idee“, sagte er, „hier haben wir viel geforscht.“

Regenerativ von Anfang bis Ende

Inversa ist stolz auf seinen nahezu Netto-Null-Produktionsprozess, der laut COO Roland Salatino mit dem Wertprinzip beginnt, von Anfang bis Ende vollständig regenerativ zu sein. „Das gilt für alles, auch für die Art und Weise, wie wir den Rotfeuerfisch bekommen, nämlich ohne Beifang“, betonte Salatino. „Die Taucher:innen, mit denen wir zusammenarbeiten, fangen nur Rotfeuerfische, es gibt keine anderen Fische, die in diesem Prozess gefangen werden – was man von keiner anderen Branche behaupten kann.“

Auch bei der Gerbungsmethode, bei der weniger als 200 Milliliter Wasser pro Haut verwendet werden, sowie beim Färben und Veredeln des Materials geht das Unternehmen mit Bedacht vor. „All das geschieht mit dem Gedanken, dass dieses Produkt den Planeten besser machen soll,“ fügte Salatino hinzu.

Das fertige Material ist sehr dünn und daher extrem vielseitig und flexibel, so dass es in vielen verschiedenen Anwendungen eingesetzt werden kann. Bisher werden daraus unter anderem Clutches, Uhren und Geldbörsen hergestellt.

Bild: Inversa

„Das ist eine der Rückmeldungen, die wir immer wieder von unserer Kundschaft erhalten haben – dass sie wirklich begeistert sind, wie vielseitig unser Leder ist“, so CMO Nagarajan. „Oft ist Exotenleder schwierig, weil es so steif und schwer ist, doch dieses Leder alle hat Vorteile eines Exoten – die starke Textur, das schöne Aussehen – aber es ist so formbar, dass es sich es für eine Vielzahl von Produkten verwenden lässt.“

Nach Angaben des Teams waren die Reaktionen der Kunden durchweg positiv, und viele waren von dem Konzept ebenso begeistert wie sie selbst. „Was wir hier schaffen, ist, dass wir zusammenstehen, um die Korallenriffe wieder aufzubauen. Es ist das erste Mal, dass man etwas in den Händen hält und sagen kann, dass die Welt besser dran ist, weil es das hier gibt. Diese Geschichte kommt sehr gut an."

Die Reaktion der Öffentlichkeit

Der Enthusiasmus des Teams ist zwar ansteckend, aber es erweckt auch ein Zögern, das mit der Einführung dieses Produkts einhergeht – zumal viele Marken und Konsument:innen sich zunehmend von Materialien aus tierischen Quellen abwenden.

Obwohl Tierschutzorganisationen wie PETA die drastischen Probleme, die invasive Tiere verursachen, anerkennen, gibt es oft nur eine begrenzte Anzahl von Lösungen, mit der das Problem angegangen werden kann.

Auf die Anfrage von FashionUnited zu diesem Thema antwortete die Direktorin für Unternehmensprojekte von PETA, Yvonne Taylor, dass es keine Ausnahme sei, Tierhaut für ein Produkt zu verwenden. Sie merkte an, dass es „sogar noch absurder ist, wenn man bedenkt, dass der Mensch für die Existenz der Rotfeuerfischpopulation in Florida verantwortlich gemacht wird“. Sie fügte deshalb hinzu, dass wir die Pflicht haben, eine humane Lösung für das Problem zu finden, die nicht den Einsatz von Speerpistolen beinhaltet.

Trotz der Ungewissheit ist das Team von Inversa seiner Botschaft treu geblieben, nur positive Veränderungen für die Umwelt zu schaffen, und ist sich dennoch bewusst, dass dieses Material nicht jedem gefallen wird. Nagarajan betonte: „Der Kernpunkt unserer Arbeit ist, dass es sich um ein Produkt tierischen Ursprungs handelt, wir aber die Artenvielfalt der Tiere damit erhalten. In diesem Sinne setzen wir uns also für das einheimische Leben am Riff ein. Das ist der Grund, warum wir das alles tun, denn wir wollen es für die Zukunft bewahren.“

Um auf dem Laufenden zu bleiben, was ethische und nachhaltige Praktiken angeht, hat sich Inversa mit gemeinnützigen Organisationen zusammengetan, von denen viele in Florida ansässig sind, sowie mit Meeresbiolog:innen, die das Team kontinuierlich mit Ratschlägen und Rückmeldungen versorgen.

Bild: Inversa

Die Florida Fish and Wildlife Conservation Commission (FWC) gehört zu denen, die eng mit Inversa zusammengearbeitet haben. Die Organisation, die seit Anfang 2021 mit dem Lederunternehmen arbeitet, veranstaltet regelmäßig Rotfeuerfisch-Turniere, die Inversa sponsert und den Fang abkauft, um Taucher:innen einen Anreiz zu geben, die invasive Art zu fangen. In einem Gespräch mit Alex Fogg, dem Manager für Küstenressourcen der Organisation, erfuhr FashionUnited mehr über die Auswirkungen der invasiven Art und warum sie schnell aus der Nahrungskette entfernt werden muss.

Fogg erläuterte, dass der Rotfeuerfisch andere Fischarten direkt jage oder mit ihnen in Konkurrenz stehe, einschließlich kommerziell wichtiger Fischarten oder solcher, die das Riff sauber halten. Obwohl der Rotfeuerfisch selbst nicht alleine für den Zusammenbruch des Korallenriffs oder den Rückgang der Fischerei angesehen werden kann, sagte Fogg, dass er dennoch einen großen Einfluss auf diese Probleme hat. Ungeachtet der Vorteile, die der Fang dieser bedrohlichen Spezies mit sich bringt, stellte Fogg fest, dass die Kritik an ihrem Fang nach wie vor sehr stark sei.

„Es hat viele Fälle gegeben, in denen Menschen in Frage gestellt haben, warum wir diese Fische fangen“, sagte Fogg. „Am Ende fehlt es entweder an Wissen oder an Verständnis für die Auswirkungen und warum Rotfeuerfische eine invasive Art sind. Aber nachdem wir mit ihnen gesprochen und ihnen den Kontext erklärt haben, ändert sich ihre Einstellung. Sie sind vielleicht immer noch dagegen, den Fisch zu essen, aber sie sind nicht mehr dagegen, dass der Fisch gefangen wird.“

„Es gibt viele Möglichkeiten für Taucher:innen Rotfeuerfische zu fangen, sie anderweitig einzusetzen und dem Ökosystem zu helfen und ihr Tauchhobby so zu finanzieren. Es ist eine sehr nachhaltige Option für Restaurants und eine coole Geschichte für ein Lederprodukt,“ so Fogg.

Zukünftige Bestrebungen

Das Team von Inversa freut sich auf eine Reihe langfristiger Partnerschaften und deutet auch die Möglichkeit an, sein Verfahren auf andere invasive Arten auszuweiten, die in verschiedenen Teilen der Welt wüten. „Der Rotfeuerfisch ist ein riesiges Problem und eines der bekanntesten, aber er ist nur eine von Tausenden anderer invasiver Arten, die die Ökosysteme auf der ganzen Welt zerstören“, so Chavda. „Wir versuchen immer, uns selbst, unser Verfahren, unsere Abwässer und unsere Energie zu verbessern. Wir freuen uns sehr, dass wir auch unsere Primärgerberei auf einen biobasierten Gerbstoff umstellen können."

Nagarajan schließt sich Chavdas Begeisterung an und merkt an, dass die Zeit für Fischleder günstig sei, da sich die Industrie immer mehr nachhaltigen Materialien zuwende. „Die Menschen erkennen, dass Leder als gesamte Kategorie Alternativen braucht. Jetzt beginnen sie auch, sich speziell mit exotischem Leder zu beschäftigen und erkennen, dass eine ganz andere Art von Alternative notwendig ist. Das ist genau der Bereich, in dem wir uns bewegen“, sagte sie.

Außerdem gab das Inversa-Team bekannt, dass es plant, die Initiativen in Partnerschaft mit der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), einer amerikanischen Wissenschafts- und Regulierungsbehörde, die bei der Bekämpfung von Rotfeuerfischen und anderen invasiven Arten führend ist, auszubauen. Das Team arbeitet bereits mit der Organisation an der Business-Entwicklung und einem Anreizprogramm und fügte hinzu, dass es in Zukunft noch mehr Neuigkeiten an der Seite der NOAA geben wird – eine weitere Möglichkeit, seine Botschaft an ein größeres Publikum zu senden.

„Während in dieser Welt alle danach streben, Lederalternativen zu finden, die eine 'Weniger-als'-Mentalität nähren, und wo sie schließlich sogar zur Nettoneutralität gelangen könnten – wofür ich all jenen, die Schritte in diese Richtung unternehmen, wirklich applaudiere – gehen wir in Richtung eines Materials, das über die Nettoneutralität hinausgeht und stattdessen netto-positiv ist. Darauf sind wir sehr stolz“, so Salatino abschließend.

Bild: Inversa

Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ

Inversa
Nachhaltigkeit