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Ist Kleidung leihen wirklich umweltschädlicher als wegwerfen? Branchenexperten hinterfragen finnische Studie

Von Caitlyn Terra

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Im Juli erfasste eine Schockwelle die Modebranche – und vor allem ihre auf Nachhaltigkeit bedachten Vertreter: Die britische Tageszeitung The Guardian hatte getitelt, dass das Leihen von Kleidung schädlicher sei als die Entsorgung ausgedienter Stücke – und diese Schlagzeile entwickelte schnell ein Eigenleben. Als Quelle diente dem Blatt eine aktuelle Studie aus Finnland, die tatsächlich zumindest teilweise belegt, dass das Ausleihen von Kleidung unter Umständen zur schwereren Umweltbelastung führen kann als die normale Nutzung eines Kleidungsstücks. Doch während die Schlagzeile des Artikels sofort um die ganze Welt ging, zeichnete die Studie insgesamt ein differenzierteres Bild. Einige niederländische Kleidungsverleiher äußerten zudem Kritik an einigen Aspekten der finnischen Erkenntnisse.

Die Gruppe Week van de Nederlandse Kledingbibliotheek, in der sich niederländische Verleiher zusammengeschlossen haben, nahm den Guardian-Artikel zum Anlass, eine Podiumsdiskussion mit Pressevertretern sowie verschiedenen Verleihern und anderen Firmen, die Kleidung vermieten, zu organisieren, um die im Zeitungsbericht zitierte Studie zu hinterfragen. Diese hatte mehrere Varianten des Umgangs mit Kleidung analysiert: das normale lineare Verkaufsprinzip, Recyclingverfahren, Secondhand-Modelle für getragene Kleidung, die gemeinsame Nutzung beziehungsweise den Verleih von Kleidungsstücken sowie die Verringerung der Produktion im Allgemeinen. Diese Nutzungsweisen wurden dann hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die globale Erwärmung untersucht.

Versand und Reinigung von Kleidungsverleih hat großen Einfluss

Die These der Studie, dass das Ausleihen von Kleidung schädlicher sei als das Wegwerfen, schien die Vorstellung, wonach das Mietmodell eine nachhaltige Lösung für das aktuelle Modesystem und seine Umweltauswirkungen sein könne, empfindlich zu schwächen. Doch wer sich eingehender mit der finnischen Untersuchung befasst, wird feststellen, dass das Leihen von Kleidung durchaus nachhaltig sein kann, sofern die damit zusammenhängenden logistischen Prozesse entsprechend berücksichtigt werden.

Dabei haben etwa der Hin- und Rückversand der Artikel sowie die Reinigung der Produkte einen großen Einfluss. So seien die Finnen bei ihrer Untersuchung davon ausgegangen, dass für die Reinigung normale, handelsübliche Waschmaschinen verwendet würden, erläuterte Hanh Vlooswijk Lu von WauwCloset während der Diskussionsrunde. Sie hob aber hervor, dass ihr Unternehmen mit professionellen Reinigungsfirmen zusammenarbeite und diese fünfmal umweltfreundlicher und dreimal energieeffizienter arbeiteten als herkömmliche Waschmaschinen. Dies war die erste fragwürdige These, die in der Podiumsdiskussion angesprochen wurde.

Darüber hinaus scheint die Studie davon auszugehen, dass das Ausleihen von Kleidung zusätzlich zum normalen linearen Modell des Kleiderkaufs geschieht. Stattdessen trägt das Leihen von Kleidung oft dazu bei, den Kauf neuer Produkte zu reduzieren. In der Diskussionsrunde wurde deshalb eine weitere Studie erwähnt, die in Schweden erstellt wurde. Diese Untersuchung kombiniert die beiden Faktoren, und sobald das Ausleihen von Kleidung den Gesamtverbrauch senkt, sind die Umweltauswirkungen des Mietmodells tatsächlich geringer als beim herkömmlichen Prinzip von „Nehmen, produzieren, tragen und, wegwerfen“.

Finnische Studie beruht nur auf Jeans

Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt an der finnischen Studie war, dass ihre Erkenntnisse lediglich auf den Umweltauswirkungen der verschiedenen Gebrauchsmuster einer einzigen Produktkategorie basieren, nämlich der Jeans. „Unsere Garderobe ist aber viel abwechslungsreicher, Jeans machen da oft nur fünf Prozent des Gesamtbestandes aus. Die Kleidungsstücke sind aus verschiedenen Materialien, und sorgen für größere Vielfalt im Kleiderschrank“, hob Hanh Vlooswijk Lu von WauwCloset hervor.

Nanette Hogervorst von Sustainable Fashion Gift Card und Week van de Nederlandse Kledingbibliotheek ergänzte, dass die Finnen auch davon ausgegangen seien, dass Jeans bis zu 200 Mal getragen werden könnten. Die Lebensdauer könne jedoch bei Jeans viel höher und bei anderen Kleidungsstücken niedriger sein. Das ist der dritte Punkt, der in der finnischen Studie nicht berücksichtigt wurde.

Der Verleih von Kleidung kann tatsächlich nachhaltiger sein als das Wegwerfen, sofern einige Faktoren berücksichtigt werden

An der Diskussionsrunde nahmen verschiedene Kleiderverleiher teil: Masterpiece, Conscious Collective, Iconic Wardrobe, My Dressoir und natürlich WauwCloset. Im Gespräch wurde deutlich, dass einige der beteiligten Firmen Daten über den Verleih sammeln und später mit ihren Partnern teilen. Daraus ergibt sich, wie oft ein Artikel vermietet wird, welches Material sich für den Verleih besonders eignet, und wann ein Produkt abgenutzt ist und dem Recycling zugeführt werden muss. Die Weitergabe dieser Daten ermöglicht es, die Partnermarken besser über ihre Produkte zu informieren und Einblicke zu geben, welche Artikel für den Verleih geeignet sind.

Lieke van Schouwenburg, die Mitgründerin von Masterpiece, erklärte in der Runde, dass das Unternehmen die Auswirkung seiner Dienstleistungen auf das Klima berechnen lassen habe. Pro 100 Kunden und Jahr führt das Ausleihen von Kleidung demnach zu einer CO2-Reduktion von 142,05 Tonnen und einer Wassereinsparung von 9,7 Millionen Litern. Hogervorst fügte hinzu, dass verschiedene Kleidungsverleiher in den Niederlanden einen Zuschuss für die Nutzung des Online-Tools Climate Impact Forecast beantragt hätten, um damit ihre Klimaauswirkungen berechnen zu können.

Verbesserte Logistik und umweltschonende Wäschereien sorgen für einen nachhaltigen Kleidungsverleih

Dass noch Verbesserungspotenzial besteht, steht aber fest. Conscious Collective setzt zum Beispiel Fahrradkuriere für die Zustellung der verliehenen Produkte ein. Diese gibt es aber noch nicht in jeder Stadt. Nachhaltigere Lieferoptionen könnten die Auswirkungen des Bekleidungsverleihs sicherlich verringern, insbesondere für Unternehmen, die nur über eine Online-Plattform verfügen.

Zudem muss der Verleih ein gewisses Mindestvolumen erreichen, um seine positive Wirkung zu entfalten. „Dazu braucht es Zeit. Um die Vorteile auszuschöpfen, muss ein Kleidungsstück mehrmals ausgeliehen werden“, sagte Vlooswijk Lu. Dass das Volumen für ein erfolgreiches Geschäftsmodell im Bekleidungsverleih wichtig sei, war unter den an der Diskussion beteiligten Firmen unstrittig.

Um die nötige Größenordnung zu erreichen, muss derzeit aber noch eine große Gruppe von Verbraucher:innen überzeugt werden. Die nachhaltig eingestellte Zielgruppe ist mit dem Konzept des Ausleihens von Kleidung bereits vertraut. Viel Potenzial besteht aber noch in der Gruppe, die es gewohnt ist, in jeder Saison neue, dem Trend folgende Stücke zu kaufen. Um auch bei diesen Verbraucher:innen Fortschritte zu erzielen, muss sich laut Vlooswijk Lu die Zusammenarbeit mit Marken ändern. Entscheidend sei, dafür zu sorgen, dass es nicht der „Standardmodus“ bleibe, Kleidung zu kaufen, anstatt sie zu mieten, zu leihen oder zu leasen, betonte Hogervorst abschließend.

Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.nl.

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