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Levi’s Europa-Logistikchef über das neue Distributionszentrum: „Wir tätigen diese Investition, um in Europa zu bleiben”

Von Karenita Haalck

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Business |Interview

Rendering des zukünftigen Logistikzentrums in Dorsten. Bild: Levi's

Der US-Modekonzern Levi Strauss & Co. hat den Grundstein für ein neues Distributionszentrum in Dorsten gelegt. In dem Örtchen scheint die Zeit noch still zu stehen, während die Maschinen in der Baugrube auf Hochtouren arbeiten – denn hier entsteht die neue Logistik-Drehscheibe des Denim-Konzerns in Europa. FashionUnited hat mit Torsten Müller, Levi’s-Logistikchef für Europa, Südasien, den mittleren Osten und Nordafrika, beim Spatenstich gesprochen.

Im Levi’s Jeansmodell 501, einem Pullover der Marke mit Dorsten-Aufschrift und einem weißen Bauhelm auf dem Kopf, zeigt der Logistikchef das Gelände, auf dem bis Ende 2024 drei Gebäude entstehen sollen. Diese sind der Ausgangspunkt für 55 Millionen Artikel und die Schaffung von hunderten Arbeitsplätzen. Müller hofft, durch das Leuchtturmprojekt nicht nur ein Zeichen für Nachhaltigkeit zu setzen, sondern auch ein neues Kapitel für die Distribution in Europa einzuleiten.

Levi’s-Logistikchef für Europa, Südasien, den mittleren Osten und Nordafrika Torsten Müller beim Spatenstich in Dorsten. Bild: Levi's

Wieso haben Sie sich für den Standort Dorsten entschieden?

Wir haben schon ein Lager in Nordrhein-Westfalen – aus Unna vertreiben und verteilen wir Ware in den europäischen Raum. Das ist einer von sieben Standorten in Europa. Aufgrund des Wachstums das Levi’s in den letzten Jahren hatte, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir weitere Lagerkapazitäten brauchen. Dann sind wir durch Europa gefahren und haben nach Standorten gesucht – und sind so in Dorsten gelandet, weil es wegen der Verkehrsanbindung und der zentralen Lage in Deutschland ein hervorragender Standort ist. Hinzu kommt, dass man sehr sehr selten große zusammenhängende Flächen bekommt – es passte wie die Faust aufs Auge. Außerdem waren Arbeitskraft, Verfügbarkeit und Größe der Fläche und Kooperation mit der Region ausschlaggebend für die Entscheidung.

Was bedeutet das neue Logistikzentrum für Levi's?

Für uns ist das Logistikzentrum die Möglichkeit Distribution in Eigenregie zu betreiben. Es hilft uns unsere Omnichannel-Strategie in Europa weiterzuverfolgen und auch ein Markenzeichen zum Thema Nachhaltigkeit zu setzen. Am Ende des Tages gilt: „You own your own destiny” – wir gewinnen Flexibilität, das hängt wieder mit der Omnichannelstrategie zusammen und unterstützt am Ende des Tages auch unsere Wachstumsstrategie insgesamt in Europa. In Europa arbeiten wir bis auf ein Lager mit Serviceanbietern zusammen. Das wird hier das zweite Lager sein, das wir selber betreiben werden. Das war eine bewusste strategische Entscheidung, weil wir uns in einer Größe bewegen werden, wo man das selber machen sollte.

Wie hilft das neue Logistikzentrum dabei, den Omnichannel-Ansatz von Levi's zu unterstützen?

Es geht wirklich um diesen Omnichannel-Ansatz, mit dem alle Kanäle und alle Produkte von Levi’s bedient werden können. Es wird uns in die Lage versetzen, dass Kund:innen da einkaufen können, wo sie einkaufen wollen. Wir stellen im Grunde genommen das Rückgrat dafür dar und das ist die Wichtigkeit des Distributionszentrums.

Wie verändert das neue Logistikzentrum die Warenflüsse von Levi's in Deutschland und anderen Ländern?

Wenig – weil wir eine Stunde von hier entfernt ein Lager haben. Der physische Warenfluss wird nach wie vor aus Rotterdam kommen, und dann nach NRW – nach Unna und dann zusätzlich nach Dorsten. Das heißt am Ende des Tages werden wir zwei Lagermöglichkeiten haben statt einer. Von daher wird der Warenfluss nicht wesentlich beeinflusst. Was wir überlegen ist, nachhaltiger und enger getaktet zu arbeiten, um die Ware zu vereinnahmen oder aus den Häfen abzuziehen. Das Zentrum der Verteilung wird im Zentrum von Europa liegen – in NRW!

Dorsten als ‘europäische Drehscheibe’ von Levi's – wie sieht das in der Praxis aus?

Der ganz große Vorteil, wenn man ein Lager nutzt, ist das man am Ende einen Bestand hat statt mehrere. Das heißt, wenn der Bestand im Laden nicht da ist, kann ich ihn aus dem Lager ziehen und aus dem Lager heraus an Kund:innen versenden. Das ist die Quintessenz des Omnichannel-Gedankens. Und da kann ein Lager dieser Größenordnung und mit der Geschwindigkeit, mit der wir Aufträge hier umsetzen werden können ein ganz wichtiger Pfeiler für die Omnichannel-Strategie sein. Es geht auch darum Prozesse zu vereinfachen und zu komprimieren.

Baugelände in Dorsten. Bild: Levi's

Was bedeutet das neue Zentrum für die Region NRW und wie wird sich Levi's in die Region einbringen?

Das eine ist, dass wir als Unternehmen bewusst dafür entschieden haben, als ‘good corporate citizen’ zu dem Strukturwandel der Region beizutragen. Das andere ist, dass wir mittelfristig relativ viele Arbeitsplätze schaffen werden. Was dann auch wieder zum Strukturwandel und zum Beleben der Region gehört. Levi’s ist als Arbeitgeber durchaus attraktiv und kann auch mit dem was wir hier machen richtungsweisend sein. Von daher sehe ich die Vorteile für die Region schon als sehr überzeugend.

Bislang haben wir bereits sechs Mitarbeitende in den Bereichen Unternehmensfunktionen, Personal, IT und Projektmanagement eingestellt. Wir wollen unbedingt Mitarbeiter:innen aus der Region einstellen, um die Beschäftigung anzukurbeln und an der wirtschaftlichen Wiederbelebung der Region mitzuwirken. Bis zum Jahr 2026 wollen wir 650 neue Mitarbeitende einstellen – wir müssen also in den kommenden Monaten das Tempo bei der Einstellung beschleunigen! Wir arbeiten eng mit der Bundesagentur für Arbeit, dem Jobcenter und mit lokalen Behörden und Organisationen zusammen.

Europäischen Unternehmen machen erhöhte Energiepreise zu schaffen. Wie wirken sich die Preiserhöhungen auf das Geschäft von Levi’s und die Distribution aus?

Wir werden die genauen Auswirkungen des Verbraucherverhaltens erst in unseren Ergebnissen sehen. Aber sicher – die Inflation macht uns zu schaffen, und auch die Rohstoffkosten steigen. Ich glaube aber nicht, dass es eine direkte Korrelation zwischen den Endkund:innen und dem Transport gibt, also vom Distributionszentrum zum Verkaufspunkt. Ein wichtiger Faktor ist, ob wir von der Autobahn auf Schienenverkehr umsteigen können. Und der Hauptfaktor ist in der Tat die Frage der Nachhaltigkeit. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die aber in Europa noch nicht sehr ausgereift sind. Wir haben eigentlich schon vor den Preiserhöhungen darüber nachgedacht – wegen des Fahrermangels. Letztendlich ist es unser Ziel, den Kund:innen auf einem Weg zu erreichen, den wir bisher noch nicht genutzt haben.

Neben erhöhten Energiepreisen, hat die aktuelle politische Lage in Europa einen direkten Einfluss auf die Geschäftstätigkeit. Wie äußerte sich das bei Levi's?

In Anbetracht der Situation in Russland haben wir beschlossen, unseren Betrieb einzustellen und alle unsere Geschäfte dort – vorübergehend – zu schließen. Wir werden die Situation weiter beobachten. Die Produkte, die nach Russland geliefert werden sollten, sind in der 'Warteschleife' – wir werden sie anderweitig verwenden.

Wir verschwenden keine Produkte, sondern spenden sie in den meisten Fällen, insbesondere im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise. In Europa haben wir schon seit einigen Jahren einen Schwerpunkt auf die Unterstützung von Flüchtlingen gelegt, nicht erst seit der aktuellen Krise. Wir haben verschiedene Partner in Europa – zum Beispiel Good360 und Safeplace International. Wir schicken Produkte in verschiedene Teile Europas, zum Beispiel in die Lager in Griechenland, wo Flüchtlinge ankommen. In der Umgebung von München arbeiten wir mit einer Wohltätigkeitsorganisation namens Heimatstern für Obdachlose zusammen.

Was für Verpflichtungen kommen da im Zusammenhang mit Russland auf ein Label und Unternehmen wie Levi’s zu?

Wir spenden Kleidung an einige Wohltätigkeitsorganisationen, und einige Mitarbeiter:innen haben auch beschlossen, Geflüchtete aufzunehmen. Derzeit haben wir bereits mehr als 40.000 Produkte an Wohltätigkeitsorganisationen in den Nachbarländern der Ukraine versandt.

Levi's hat mehr als 300.000 US-Dollar an gemeinnützige Organisationen gespendet, die den von der Krise am stärksten Betroffenen helfen. Das Unternehmen hat außerdem eine Spendenkampagne für alle Mitarbeiter:innen organisiert und verdoppelt die Spenden der Mitarbeiter:innen für eine Reihe von Organisationen, die vor Ort in und um die Ukraine humanitäre Hilfe leisten. Außerdem spenden wir gemeinsam mit unseren Lizenzpartnern Kleidung für die Menschen, die aus ihren Häusern vertrieben wurden.

Wie schätzen Sie die langfristigen Folgen der aktuellen Lage um den Ukraine-Krieg ein und wie wird Levi's diesen entgegentreten?

Ich würde es so zusammenfassen: Wir tätigen diese Investition, um in Europa zu bleiben. Und das ist eine große Investition. Wir planen, etwa 55 Millionen Artikel von hier aus auszuliefern, das ist ein klares Bekenntnis zum Markt und dem Wachstum, das wir in diesem Markt sehen.

Lucia Marcuzzo (Levi Strauss & Co.), Edwin Meijerink (Delta Development Group), Tobias Stockhoff (Bürgermeister Dorsten), Christoph Happe (RG Montan Immobilien), Dorothee Feller (Regierungspräsidentin Münster), Bodo Klimpel (Landrat Recklinghausen), Michael Dufhues (Bremer Bau), Torsten Müller (Levi Strauss & Co.), Michael Gerdes (MdB), Josef Hovenjürgen (MdL). Bild: Levi's

Die Modeindustrie verändert sich schneller denn je. Spulen wir vor ins Jahr 2042 – wie sieht es im Logistikzentrum Dorsten aus?

Der Wunsch ist in der Tat, dass wir bleiben, dass die Menschen weiterhin gerne hierher zur Arbeit kommen. Dass die Menschen uns akzeptieren und uns als einen sehr guten 'corporate citizen' sehen. Wer weiß – vielleicht passiert ja auch noch etwas anderes. Erstmal werden wir 2024 eröffnen und 2026 die volle Kapazität erreichen. Das Umfeld ist so wechselhaft. Wir haben vor zu bleiben, aber es ist noch zu früh, um Prognosen für die nächsten zwanzig Jahre zu machen. Es wird ein positiver und guter Ort zum Arbeiten sein, in zwei Jahren, in zehn Jahren oder in dreißig Jahren. Und wenn ich das Team sehe, das an diesem Projekt arbeitet, denke ich, dass wir eine sehr gute Chance haben, dies zu erreichen. Ich bin da zuversichtlich. Es ist ein Konzept, das auf Prinzipien beruht, und wir werden dabei keine Kompromisse eingehen. Ich bin sicher, dass wir weiterhin an unseren Werten festhalten werden.

Und wie sieht es mit der Digitalisierung und Innovation in Dorsten aus?

Die Digitalisierung ist der Schlüssel zu unserer Strategie, sie ist eine der vier Pfeiler für 2030. Man kann davon ausgehen, dass das, was wir hier tun, für die nächsten Jahre relevant sein wird. Wenn man die Gebäude sieht und wie das Zentrum aussehen wird, ist es schon jetzt hervorragend. Normalerweise gibt es für ein Zentrum nur vier Wände und das war's. Hier ist es schon vom Design her herausragend. Und wenn wir bei der Gestaltung des Zentrums so innovativ sind, wird auch das Innere beeindruckend sein – mit all den Spielzeugen, die man haben kann.

Wie wurde der Cradle-to-Cradle-Ansatz umgesetzt? Was für Besonderheiten gibt es in der Bauplanung?

Als wir uns für dieses Projekt entschieden haben, mit einem Partner zusammenzuarbeiten um ein Gebäude zu bauen, das unseren Ansprüchen entspricht, haben wir von vornherein gesagt, es soll nachhaltig sein. Da geht es nicht nur um Cradle-to-Cradle, sondern auch um LEED-Zertifizierung. Das Gebäude wird Cradle-to-Cradle inspiriert sein – ein kleiner aber doch wichtiger Unterschied! Wir setzen Baustoffe ein, die, wenn man das Gebäude irgendwann mal wieder abbauen muss, in ihre ursprünglichen Zustände zurückgeführt oder weiterverwendet werden können, so dass man den Einfluss auf die Umwelt möglichst reduzieren kann.

Wie werden diese nachhaltigen Ansätze für die zukünftigen Mitarbeiter:innen umgesetzt?

Wir werden Photovoltaik und Geothermie einsetzen sowie Regenwasser im Gebäude nutzen – zum Beispiel für Toilettenspülungen. Das ganze Thema Nachhaltigkeit fängt für uns mit Cradle-to-Cradle an, bei unseren Baustoffen, besonderer Wärmedämmung et cetera und geht dann weiter, so weit wie es umsetzbar ist. Ein Teil des Geländes, ungefähr zwei oder drei Hektar, wird in seinem ursprünglichen grünen Zustand gelassen. Wir werden wahrscheinlich einen Weg für die Mitarbeiter:innen darin haben, dass sie in ihren Pausen dorthin gehen können. Wir versuchen sehr viel zu machen und auch anders zu machen als andere. Wir sind da auf einem ganz guten Weg. Man baut Lager nicht alle paar Jahre, es ist eins der größten Projekte für uns und von daher, ist es sicherlich für Levi’s auch mit das nachhaltigste Gebäude.

Und der nachhaltige Gedanke hört nicht bei den Baumaterialien auf.

Wir streben auch eine WELL-Zertifizierung an, die mit der Arbeitsumgebung zu tun hat, was meines Wissens nach für ein Distributionszentrum einzigartig ist. Von der Beleuchtung der Einrichtung über die Ergonomie bis hin zur Vermeidung von schwerem Heben – das geht weit darüber hinaus. Neben dem Bürogebäude wird es auch soziale Einrichtungen geben. Was auf dem Rendering nicht zu sehen ist, ist das Gebäude für die operativen Tätigkeiten. Es wird etwa 22 Meter hoch sein und die Lagerbestände beherbergen. Die Gebäude werden als natürlicher Lärmschutz für die Verbindungsstraße dienen. Es ist buchstäblich der Geist und das Unternehmen, das diese Zukunftsinvestition tätigt. Wir versuchen, ein Umfeld zu schaffen, das etwas anders ist als die meisten Distributionszentren. Im Jahr 2024 wird es für sich selbst sprechen.

Dieser Artikel wurde am 12. April aktualisiert.

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