Luxushäuser haben Schwierigkeiten, Talente für das Handwerk von morgen zu finden
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Die schnell wachsende Welt des Luxus bündelt ihre Energien, um neue Talente für das Handwerk zu finden: Events, spezielle Websites, interne Ausbildungsinstitute – alles im Namen der Personalsuche.
Das zweite Jahr in Folge reist Nicolas Bos, Präsident und CEO des prestigeträchtigen französischen Juwelierhauses Van Cleef & Arpels, persönlich nach Lyon. Lyon ist das historischen Zentrum der Schmuckherstellung in Frankreich, hier wird Bos im Rahmen einer Anfang Dezember organisierten Werbeaktion mit dem Namen ‚De Mains en mains‘ (‚Von Hand zu Hand‘) das junge Publikum über die zahlreichen Möglichkeiten zu informieren, die Handwerksberufe bieten. Die Schüler:innen eines Gymnasiums in Vénissieux treffen eine:n Zeichner:in, eine:n Polierer:in, eine:n Juwelier:in und eine:n CAD-Expert:in, die jeweils ihren Werdegang und ihren Alltag erklären und offen über Bezahlung und Perspektiven sprechen. Die Botschaft lautet: Handwerksberufe bieten nicht nur Perspektiven, sondern sind entgegen der landläufigen Meinung auch erfüllend.
Die Bemühungen des Pariser Luxushauses halten mit den neuen Herausforderungen Schritt. Da die gesamte Produktion in Frankreich sitzt, muss dafür gesorgt werden, dass das Know-how für die Herstellung der exzellenten Produkte weitergegeben wird. Die neuen Generationen entscheiden sich jedoch aus Unkenntnis, Desinteresse oder Unverständnis nicht spontan für diese Berufszweige. Zu Unrecht, denn dem französischen Luxus, getragen von dynamischen Großkonzernen und Häusern, die in die ganze Welt verkaufen, geht es besser denn je zuvor: Die Ateliers arbeiten wieder auf Hochtouren, nachdem in den 90er Jahren ein großer Teil der Produktion abgewandert war.
Diese Feststellung betrifft nicht nur die Juwelierbranche, sondern die gesamte Luxusgüterbranche. Die Anspannung ist vielerorts spürbar, sowohl bei den Stickereien als auch bei den Federmachereien, Schuhmachereien und in der Lederwarenproduktion. Nach Angaben des Comité Colbert, das 92 französische Luxushäuser vereint, ist die Situation alarmierend. „Vor Covid blieben jedes Jahr 10.000 Stellen unbesetzt. Heute wird geschätzt, dass 20.000 Stellen nicht besetzt werden können“, sagte Bénédicte Epinay, Generaldelegierte des Colbert-Komitees dem Magazin Capital. Das Stellenangebot dürfte sogar noch weiter wachsen, da der Luxussektor bis Ende des Jahres um 21 Prozent wachsen soll.
Jedes Haus nimmt sich des Themas an, indem es Initiativen ergreift. Ende November stellte die LVMH-Gruppe im Pariser Salle Pleyel über das Institut des Métiers d'Excellence (eine Struktur, die die Häuser der Gruppe und Partnerschulen wie die Ecole Boulle oder Ferrandi vereint) ihr handwerkliches Können aus, um ein möglichst breites und vielfältiges Publikum für einen der 280 in der Gruppe benötigten Handwerksberufe – von der Küche bis zur Lederwarenherstellung, von der Schneiderei bis zum Weinbau, von der Juwelierkunst bis zur Parfümherstellung – zu gewinnen. Eine echte Herausforderung, da nur acht Prozent der Jugendlichen den Weg des Handwerks wählen, wie Chantal Gaemperle, Direktorin für Human Ressources und Synergien der LVMH-Gruppe, gegenüber dem Fachmagazin Quotidien de la Formation betonte.
Ausbildung und Umschulung
Diese Initiativen des EWI werden mit weiteren Schritten kombiniert, die direkt von den Marken unternommen werden. So hat Louis Vuitton, ebenso wie Valentino, eine spezielle Website eingerichtet, auf der alle offenen Stellen aufgeführt sind. Es ist nicht überraschend, dass diese Stellen auch Funktionen umfassen, die mit außergewöhnlichem Know-how einher gehen. Dies spricht junge Menschen in der Erstausbildung, aber auch Quereinsteigende an. LVMH gewann Tony Parker, den Botschafter der Initiative Exzellenz-Berufe, für die Organisation einer Tournee mit dem Namen You&ME, die zur Unterzeichnung von 1200 Lehr- und Berufsverträgen in fünf französischen Städten führte: Paris, Valence, Orléans, Clichy-sous-Bois, Reims. Über die Erstausbildung hinaus engagieren sich die großen Luxushäuser stark für die lebenslange Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden. Cartier verfügt seit 20 Jahren über ein eigenes Institut in Paris, das den internen Ausbildungsbedarf deckt.
Dieser Artikel wurde ähnlich auf FashionUnited.fr veröffentlicht. Übersetzung und redaktionelle Bearbeitung: Barbara Russ