Pepe-Jeans-Eigner AWWG: „Im Angesicht von KI muss der Mensch weiterhin für Emotionen sorgen“
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Das Gesicht der Modebranche verändert sich weiter, und damit kommen neue Herausforderungen, die bereits etablierte Systeme auf die Probe stellen. Über diese imminenten Herausforderungen sprach FashionUnited mit Marcella Wartenbergh, CEO des in Spanien ansässigen multinationalen Unternehmens All Wear Group (AWWG). Sie übernahm 2019 die Leitung des Unternehmens und hat es sich zum Ziel gemacht, den Umsatz zu steigern und das Wachstum in neuen Märkten zu fördern.
Der Konzern ist derzeit als Muttergesellschaft der Mode- und Lifestyle-Marken Pepe Jeans London, Hackett und Façonnable tätig und vertreibt in Spanien und Portugal die US-amerikanischen Marken Calvin Klein und Tommy Hilfiger von PVH Corp, wo Wartenbergh zuvor eine Reihe von Führungspositionen innehatte.
In einem Interview mit FashionUnited Spain spricht Wartenbergh über die aktuellen und zukünftigen Ereignisse bei AWWG, die Finanzaussichten und Strategien des Portfolios bis hin zu dem, was die Modebranche als Ganzes von den laufenden Entwicklungen in den Jahren 2024 und 2025 zu erwarten hat.
Wie sehen Ihre Prognosen für den Abschluss des Geschäftsjahres 2023/24 aus?
Wir erwarten, dass wir unser jüngstes Geschäftsjahr, das am 31. März 2024 endet, mit einem Umsatz von 655 Millionen Euro (708 Millionen US-Dollar) und einem EBITDA von 70 Millionen Euro (76 Millionen US-Dollar) abschließen werden, womit wir den Trend fortsetzen, der sich aus unserem Fünfjahresplan ergibt, der uns auf Konzernebene sehr gute Dienste geleistet hat. Indikatoren, die das Unternehmen mit einem zweistelligen Wachstum im Vergleich zum Vorjahr abschließen lassen.
Wie haben Verkaufsereignisse wie Black Friday und Weihnachten diese Ergebnisse gestützt? Sind sie für AWWG entscheidend?
Black Friday wird jedes Jahr zu einer größeren Herausforderung, nicht nur für AWWG, sondern für die gesamte Branche. Wir sind von nur einem Tag auf zwei, drei oder vier Tage mit Rabatten übergegangen, auf eine Woche oder sogar 10 Tage. Ich denke, dass unsere Rabattstrategie im letzten Jahr sehr intelligent war, denn sie wurde mit Blick auf die Verbraucher:innen entwickelt und umgesetzt, aber auch unter Berücksichtigung von Produkt- und Markenwert. Die Ergebnisse, die wir erzielt haben, lagen nicht übermäßig über unseren Prognosen, aber wir haben es geschafft, am oberen Ende dieser Prognosen zu bleiben, mit einem Wachstum von 3 bis 4 Prozent gegenüber dem Umsatz des letzten Jahres.
Und wie sieht es mit Weihnachten aus?
In der Weihnachtszeit konnten wir ein noch größeres Wachstum und ein besseres Verbraucher:innenverhalten feststellen, insbesondere bei den Marken Hackett und Pepe Jeans, was sich in einem Umsatzanstieg von mehr als 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr niederschlug. Dieses Wachstum wurde jedoch durch das Interesse der Verbraucher:innen gestützt, nicht nur für reduzierte Produkte, sondern auch für neue Kollektionen. Dies zeigt, dass unsere neuen Vollpreisangebote für die kommende Saison in der Lage sind, das Interesse des Publikums ab Dezember zu wecken, was uns nicht nur hilft, die Ergebnisse zu konsolidieren, sondern auch in unserer Strategie voranzukommen, eine Änderung des Verbraucher:innenverhaltens herbeizuführen und die Marke und das Produkt zu schätzen.
Welchen Herausforderungen mussten Sie sich Ihrer Meinung nach als Konzern stellen, insbesondere in den letzten Monaten?
Die größte Herausforderung, vor der wir stehen und die besonders im November und Dezember des letzten Jahres deutlich wurde, ist das Klima. Zu Beginn der Herbst-/Winterkampagne 2023/24 war es zu warm, was dazu führte, dass wir einen Überbestand an Winter- und Oberbekleidung hatten, der sich trotz Rabatten nicht verkaufte, weil die Leute keine Lust hatten, diese Artikel zu kaufen. Erst in den ersten Wochen des Jahres 2024, als es in Nordeuropa furchtbar kalt wurde, begannen die Menschen, ihre Mäntel herauszunehmen und neue zu kaufen; aber da waren sie bereits reduziert.
Welche Lösung können Sie sich für dieses Problem vorstellen?
Ich glaube, dass der Klimawandel die größte Herausforderung für die Branche darstellt. Dieses Thema habe ich mit vielen meiner Kolleg:innen in der Branche diskutiert und mich gefragt, wann es endlich an der Zeit ist, die Saisonen zu ändern, um die Zeitpläne von Marken und Verbraucher:innen aufeinander abzustimmen. Vielleicht sollten wir Jacken im Dezember/Januar in die Läden bringen, anstatt sie ab September unverkauft liegen zu lassen. Das Gleiche gilt für Sommerkollektionen, die im Februar in die Läden kommen - wer will schon Leinen im Februar tragen? Es sind diese Auswirkungen des Klimawandels, die zweifellos die größten Herausforderungen für die Branche darstellen. Es wird interessant sein zu sehen, wie und welche Maßnahmen genau vereinbart werden, um sie zu bewältigen.
Angefangen mit Pepe Jeans, wie hat sich die finanzielle Leistung der Marke im Geschäftsjahr 2023/24 entwickelt?
Die Unterscheidung, die Sie bezüglich der Leistung des Unternehmens machen, ist interessant, denn, wie Sie richtig bemerken, verhält sich jede Marke sehr unterschiedlich, was wiederum das Portfolio von AWWG bereichert. Was Pepe Jeans anbelangt, so war dessen Leistung vielleicht die moderateste von allen, wobei für dieses Jahr ein Wachstum von etwa 8 Prozent erwartet wird. Es ist wichtig zu erwähnen, dass dieses Wachstum inmitten des strategischen Plans ‘Pepe Evolution’ stattgefunden hat, den wir innerhalb der Marke umsetzen und der mit dem 50-jährigen Jubiläum ihrer Gründung zusammenfällt.
>Wir bemühen uns, die Marke weiterzuentwickeln, um in der Altersgruppe der 28- bis 38-Jährigen, die wir die „alten Jahre“ nennen, zu wachsen. In dieser Altersgruppe beobachten wir Modekonsument:innen, die bereits über Lebenserfahrung verfügen, Marken gegenüber sehr loyal ist, ein sehr gutes Kaufverhalten hat und Mode mag, aber vor allem gerne gute Mode trägt. Pepe reagiert gut darauf und schafft sehr gute Verbindungen zu diesem Publikum, wie wir mit den ersten Veränderungen der Marke zu Beginn der Herbstkampagne 2023/24 feststellen konnten.
Inwieweit sind diese Veränderungen schon zu erkennen?
Was die Produkte betrifft, so haben wir beispielsweise bei den Schuhen ein zweistelliges Wachstum zu verzeichnen, vor allem bei den Kollektionen der Turnschuhe und Stiefel. Abgesehen vom Erfolg der Produkte hilft uns dies, den „Total Look“ für die Marke zu schaffen, den wir anstreben. Durch all dies und die neuen Maßnahmen, die wir umgesetzt haben, konnten wir auch einen deutlichen Anstieg bei allen Herrenangeboten verzeichnen. Heute kann ich sagen, dass die Marke jetzt zu 50/50 von Männern und Frauen getragen wird. Das ist in der Modewelt überhaupt nicht üblich, wo Marken in der Regel eine stärkere Gewichtung entweder für Männer oder für Frauen haben.
Wie werden Sie die Neupositionierung von Pepe Jeans auf dem Markt weiter vorantreiben?
In diesem Frühjahr werden wir den nächsten Schritt in der ‘Pepe Evolution’-Strategie unternehmen und uns darauf konzentrieren, die Marke als Bezugspunkt in der Denim-Mode zu konsolidieren und auch das Unternehmensziel voranzutreiben, nicht nur die Rabattkäufe, sondern auch die Käufe zum vollen Preis zu beschleunigen.
Wie ist die Leistung von Hackett im Vergleich dazu ausgefallen?
Hackett ist im Aufwind, mit zweistelligen Wachstumsraten zwischen 20 und 30 Prozent und Geschäften, in denen wir im Jahresvergleich einen Umsatzanstieg von über 30 Prozent verzeichnen. Die Indikatoren sind sehr stark und positiv, vor allem in Großbritannien und Spanien, und wir sehen auch hohe Wachstumsraten in Deutschland und Frankreich. Wir gehen davon aus, dass wir auch in Zukunft auf einem sehr hohen Niveau wachsen werden, während wir gleichzeitig die Expansion der Marke beschleunigen, insbesondere im Nahen Osten und in Indien.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Faktoren, die dieses Wachstum bei Hackett vorantreiben?
Im Gegensatz zu Pepe haben wir es bei Hackett mit einer Marke zu tun, die sich an reifere Kund:innen zwischen 40 und 50 Jahren richtet, die auf der Suche nach Mode, aber vor allem nach Qualität sind. Vor diesem Hintergrund haben wir uns auf die Qualität konzentriert und darauf, den Charakter der Marke mit einem hohem Bekanntheitsgrad zu stärken. Während der Pandemie und mit all den Veränderungen im Verbraucher:innenverhalten, die sie mit sich brachte, haben wir die Marke verjüngt und es geschafft, das Durchschnittsalter unseres Publikums zu senken; eine Auffrischung, die zweifellos notwendig war und die wir vor einem Jahr mit der Änderung des Firmenlogos fortgesetzt haben.
Seitdem sind Männer zu dem zurückgekehrt, was wir „Smart Casual“ nennen, und verlangen nach Kleidungsstücken für eine Garderobe, die von sehr leger bis hin zu einem „New Business“-Stil reichen kann; die Kollektionen von Hackett sind genau für diese Vielseitigkeit konzipiert. Dies hat uns geholfen, eine sehr gute Leistung zu halten, in einer Zeit, in der nach dem Ende der Pandemie jede:r wieder einen Pullover, eine Chinohose und einen Blazer haben möchte... und wir als Marke waren in der Lage, uns rechtzeitig an diese Nachfrage anzupassen.
Es scheint zweifellos eine großartige Leistung zu sein, aber vielleicht besonders überraschend angesichts des Kontextes, in dem wir uns befinden?
Ich muss auch zugeben, dass der „High-Premium“-Sektor aus zwei Gründen mit am wenigsten vom Nachfragerückgang betroffen war. Erstens, weil sich Luxuskonsument:innen diese Marken leisten können, und zweitens, weil Verbraucher:innen, die es gewohnt waren, diese Artikel zu kaufen, nicht so stark unter den Auswirkungen der Inflation gelitten hat wie die Verbraucher:innen der Mittelklasse.
Und wie sieht es mit Façonnable aus? Wie hat sich die Marke im letzten Geschäftsjahr entwickelt?
Die Entwicklung von Façonnable war auch deshalb ein Erfolg, weil sie praktisch die gleiche Marktposition wie Hackett einnimmt. Es handelt sich um eine Marke, die sich ebenfalls an eine qualitätsbewusste Zielgruppe zwischen 40 und 50 Jahren richtet, die sich vielleicht an die Ursprünge der Marke als französisches Modehaus erinnert. Was die Produkte betrifft, so haben wir uns darauf konzentriert, in Pullover, Polos und Hemden zu investieren - die einen hohen Umsatz haben - und insgesamt in einfache, aber gut verarbeitete Produkte von sehr guter Qualität.
Diese Artikel bilden ein Angebot, das dem von Hackett völlig entgegengesetzt ist und zu einer sehr entspannten Atmosphäre einlädt, in der man sich in einem „schicken französischen“ Stil kleiden kann. Was die Märkte betrifft, so konzentrieren wir uns auf die Expansion der Marke vor allem in Frankreich, Belgien, Portugal und Spanien; Länder, in denen wir jeden Monat oder alle zwei Monate ein neues Geschäft eröffnet haben, wo wir eine sehr gute Leistung zeigen, so dass wir jetzt beginnen, in neue Märkte wie Mexiko und andere wichtige Länder in Lateinamerika und im Nahen Osten zu expandieren. Wie Sie sehen, hat jede der drei Marken eine ganz bestimmte Strategie für ein ganz bestimmtes Marken- und Verbraucher:innenprofil, und deshalb führen wir sie so unabhängig.
Von hier aus kommen wir zu Tommy Hilfiger und Calvin Klein, den beiden großen PVH-Marken, für die Sie der strategische Partner für Spanien und Portugal sind.
Mit beiden verfolgen wir weiterhin eine Wachstumsstrategie, die wir von beiden Seiten sehr unterstützen. Ich sage immer, dass sich unsere Beziehung zu den Teams von Tommy und Calvin nicht auf den Verkauf und Rechnungen beschränkt, sondern dass wir tatsächlich als „Markenmanagement“ für die Marken in Spanien und Portugal fungieren.
Wie weit reicht Ihre Verantwortung bei beiden Marken?
Wir sind so etwas wie ein lokaler verlängerter Arm ihrer Teams, von dem aus wir uns um alles kümmern, von der Verwaltung des Verkaufs und der Verkaufsstellen bis hin zur Auswahl der Produkte, die in Spanien und Portugal auf der Grundlage der Ausrichtung der beiden Marken verbreitet werden. Obwohl sie es sind, die zum Beispiel die Marketingstrategien vorgeben, die entscheiden, wie die Schaufenster aussehen sollen, oder die endgültige Genehmigung für die Eröffnung oder Schließung einer bestimmten Verkaufsstelle erteilen - Entscheidungen, die wir umsetzen -, arbeiten wir immer sehr eng mit beiden Parteien zusammen.
Wie hat AWWG auf die Spannungen reagiert, die durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine entstanden sind? Hat sich dies auf die reguläre Leistung des Unternehmens ausgewirkt?
Unser Engagement in diesen Märkten war bereits vor dem Krieg minimal, so dass seine Auswirkungen innerhalb des Unternehmens erheblich gemildert wurden. Was unsere Strategie zur Bewältigung der Auswirkungen des Krieges betrifft, so haben wir beschlossen, das Unternehmen in einer „neutralen“ Position zu halten, was unsere Aktivitäten betrifft, aber in der Tat jegliche Expansionspläne in der Region zu stoppen.
In der Ukraine, wo wir bereits einen kleinen Vertriebspartner hatten, haben wir weiterhin Lieferungen durchgeführt, ebenso wie nach Polen und in die übrigen osteuropäischen Länder, in denen wir bereits tätig waren. Das Gleiche gilt für Russland, wo wir unsere Aktivitäten auf demselben Niveau fortsetzen, da wir auf diesem Markt nur minimal vertreten sind. Hackett zum Beispiel gab es vor dem Krieg in Russland nicht und wird dort auch weiterhin nicht verkauft; ein Land, in dem wir vor dem Krieg Expansionspläne hatten, für das wir bereits Gespräche mit einigen Händler:innen aufgenommen hatten; alle Pläne haben wir sofort gestoppt, da wir nicht mehr expandieren wollen.
Wie haben sich die inflationären Spannungen als Folge dieses Krieges auf AWWG auf Konzernebene ausgewirkt?
Der Krieg selbst hat unsere Geschäftstätigkeit aufgrund unserer geringen Beteiligung nicht stark beeinträchtigt, aber wir waren ehrlich gesagt stärker von der Inflation betroffen, die insbesondere in der Anfangsphase des Krieges durch die in die Höhe geschossenen Strom- und Benzinkosten verursacht wurde. Glücklicherweise konnte dieser starke Kostenanstieg im Laufe der Zeit unter Kontrolle gebracht werden, aber seine Auswirkungen, einschließlich der Konsumrezession, die Europa erreicht, werden meiner Meinung nach nicht nur unser Geschäft, sondern die gesamte Branche in Europa weiterhin beeinträchtigen.
Sehen Sie bereits Anzeichen für diesen Kaufkraftverlust der Verbraucher:innen im Hinblick auf die Inflation?
Verbraucher:innen haben durch den inflationsbedingten Kostenanstieg an Kaufkraft verloren, was sich auf alle Branchen, einschließlich der Modebranche, auswirkt. Denn die Inflation und der Anstieg des Verbraucher:innenpreisindexes haben uns alle getroffen, und zwar in jeder Hinsicht, von den höheren Personalausgaben über die Stromrechnungen in den Geschäften bis hin zu den Mietpreisen und den Kosten für Büropapier...
Wie hat AWWG diesen allgemeinen Anstieg der Betriebskosten bewältigt?
Wir haben bei AWWG eine Reihe sehr ehrgeiziger und energischer Initiativen gestartet, die darauf abzielen, als Unternehmen einen guten Teil des Kostenanstiegs aufzufangen, anstatt zu versuchen, die gesamte Last auf die Verbraucher:innen abzuwälzen. Das haben wir getan, weil wir glauben, dass wir das als Unternehmen tun mussten, und zwar durch einen Prozess der Kostensenkung, der zum einen durch eine entschlossene Strategie in der Produktentwicklung, zum anderen durch Investitionen in das, was ich als „Smartification“ unserer Prozesse bezeichne, und drittens durch eine noch engere Zusammenarbeit mit unserer Kundschaft erfolgt.
Wie lässt sich dieses Engagement für die Einführung einer neuen „Produkttechnik“ umsetzen?
Wir haben versucht, diesen Prozess auf alle unsere Designabteilungen zu übertragen, insbesondere auf die des Produktdesigns, wo wir viel Zeit investiert haben, um herauszufinden, wie man das gleiche Produkt wie bisher und neue Produkte herstellen kann, ohne dabei Kosten zu sparen. Zu diesem Zweck haben wir Ressourcen bereitgestellt, um zu verstehen, wie Muster entworfen und geschnitten werden sollten, um Stoffe und Prozesse einzusparen, wie die Verwendung von Stoffen optimiert werden kann oder wie wir unsere Handelsbeziehungen mit Lieferbetrieben weiter festigen können.
Zum Beispiel in Jahreszeiten, in denen die Fabriken in der Lage sind, bessere Kosten anzubieten. Kurz gesagt, Strategien in der Produktentwicklung und -produktion, mit denen wir viele der Auswirkungen der Inflation und des Kostenanstiegs, die wir im letzten Jahr erlebt haben, abmildern konnten, anstatt einfach auf die Erhöhung unserer Verkaufspreise zurückzugreifen.
Und wie sieht es mit der „Smartifizierung“ Ihrer Prozesse aus?
Unter dieser Bezeichnung wird versucht, Maßnahmen zu identifizieren und zu sehen, wie die Digitalisierung und eine bessere und optimalere Schichtung unserer Prozesse letztlich zur Verbesserung der Unternehmensergebnisse beitragen können, damit sich nicht alles im Endpreis der Produkte niederschlägt. Und wie? Indem wir zum Beispiel versuchen, die Lagerverwaltung effizienter zu gestalten, die Sendungen an die Kund:innen zu verbessern oder besser und planvoller mit Logistikunternehmen zusammenzuarbeiten.
Sie haben eine engere Arbeitsbeziehung zu Ihrer Kundschaft angedeutet, aber zu welchem Zweck? Geht es darum, ihnen die Produkte effizienter zu liefern?
Ja, nicht nur durch die Optimierung der Lieferungen, sondern auch durch die Zusammenarbeit mit ihnen, um sicherzustellen, dass wir ihnen das beste Produkt zum besten Preis anbieten. Das bedeutet nicht, dass wir ihnen den günstigsten Preis anbieten, sondern Produkte mit dem besten Preis, den Kund:innen bereit sind, für diesen Artikel zu zahlen. Eine Strategie, die sich mit dem deckt, wofür ich immer eingetreten bin: Wenn ein Hackett-Blazer einen Preis von X hat, dann muss dieser Blazer den besten Stoff, die beste Passform, die beste Qualität, den besten Service und den besten Marktpreis für ein Produkt mit diesen Eigenschaften haben.
Beeinflussen die zusätzlichen Spannungen im Nahen Osten und der Transportweg durch das Rote Meer das normale Verhalten des Unternehmens?
Ja, die Probleme am Roten Meer betreffen die gesamte Branche und natürlich auch uns. Um sie zu bewältigen, suchen wir in unserem Fall mit Produktionen in Indien, Bangladesch und anderen asiatischen Ländern nach alternativen Routen, wozu wir bereits mehrere Treffen hatten, und wir arbeiten auch Hand in Hand mit den Einzelhandelsabteilungen unserer Kundschaft, insbesondere mit denen, die Großkunden sind, wie El Corte Inglés oder Galeries Lafayette.
Und welche Art von Lösungen ziehen Sie für Ihre Kundschaft in Betracht?
Angesichts der Blockaden im Roten Meer wird vor allem über alternative Routen nachgedacht, die jedoch mehr Zeit in Anspruch nehmen, so dass wir so oder so davon ausgehen, dass die Produkte mit einer Verzögerung von 15 Tagen gegenüber der üblichen Zeit ankommen. Hier geht es darum, unter Berücksichtigung dieser 15-20 Tage Basisverspätung zu sehen, wie wir effizienter werden können, für unsere eigenen Abläufe und für unsere Kund:innen. Als Lösung arbeiten wir sehr eng mit diesen Kund:innen und den Leiter:innen der Verkaufsstellen zusammen, um sicherzustellen, dass die Läden immer gut bestückt sind und alles haben, was sie brauchen.
Aus diesem Grund geben wir bei Versandschluss bestimmten Artikeln Vorrang vor anderen, die unserer Meinung nach ohne Probleme 15 Tage später eintreffen können. Außerdem versenden wir einen kleinen Teil der Bestellungen per Bahn und per Luftfracht. Dies ist jedoch nur eine vorübergehende Lösung, denn wir können und wollen nicht alles per Flugzeug versenden. Nicht nur wegen der damit verbundenen höheren Kosten, sondern auch wegen der großen CO2-Emissionen, die diese Lufttransporte mit sich bringen. Aus all diesen Gründen sage ich, dass es sich bei den getroffenen Entscheidungen um intelligente Lösungen handeln muss, denn es ist auch schon vorgekommen, dass wir viele Produkte verschickt haben und nicht alles innerhalb des erwarteten Zeitrahmens verkauft werden konnte.
Gibt es weitere Herausforderungen, denen sich die Modebranche insgesamt stellen muss?
Nein, derzeit würde ich sagen, dass dies die drei größten Herausforderungen sind, die sich auf die Branche auswirken werden. In Bezug auf den Nahen Osten würde ich nur auf die Vorfälle im Roten Meer hinweisen, denn in unserem Fall, wo wir in allen Ländern der Region tätig sind, in Israel, Jordanien, Libanon, haben wir bis heute keine Unterbrechung unseres Geschäfts erlebt.
Als Folge der Spannungen am Roten Meer wird es meiner Meinung nach auch zwei wichtige Themen geben, die die Modebranche betreffen werden. Das erste ist, dass es 2024 eine Stabilisierung der Preise geben wird, wobei die Inflation viel niedriger sein wird, nachdem sie, wie ich glaube, bereits ihren Höhepunkt erreicht hat; und der zweite Punkt ist, dass es, wie ich bereits sagte, eine Abkühlung der Nachfrage geben wird, als Folge des Rückgangs der Kaufkraft der Verbraucher:innrn.
Wie würden Sie also das Profil der Modekonsument:innen 2024 umreißen?
Im Jahr 2024 werden wir es mit sehr vorsichtigen Kund:innen zu tun haben, die angesichts der Ungewissheit dessen, was kommen wird, viele Vorsichtsmaßnahmen treffen werden, bevor sie ihre Ausgaben tätigen. Es wird sich also um Verbraucher:innen handeln, die schon jetzt genauer wissen, was sie kaufen wollen, und wann und wie. Dieses Profil wird zu einem Jahr der intelligenten Verkäufe und nicht der emotionalen Verkäufe führen.
Welchen spezifischen Herausforderungen werden Sie sich auf Konzernebene stellen müssen?
Ich glaube nicht, dass sich unsere Herausforderungen sehr von denen vieler anderer Unternehmen der Branche unterscheiden. In dieser Hinsicht sind wir uns alle einig und haben eine Reihe von drei Faktoren, die wir berücksichtigen und auf die wir uns konzentrieren müssen, nämlich neue Marketingstrategien, Herausforderungen der Digitalisierung und Menschen. Neben diesen drei Faktoren, zumindest in unserem Fall, natürlich die Marke und das Produkt, die das Herz eines Unternehmens sind. Aber ein Herz kann nicht ohne einen Körper sein, und das sind die Menschen; Menschen, die Digitalisierung brauchen, die Marketing brauchen, damit dieser Organismus funktioniert.
Inwieweit stellen diese strategischen Hürden Ihrer Meinung nach eine Herausforderung für die Branche dar?
Beginnen wir mit dem Marketing: In den letzten Jahren ist es zu einem enormen Kostenanstieg im Marketing gekommen, vor allem im digitalen Marketing, was mit der Zunahme der Mittel zusammenhängt, die Unternehmen für diesen Bereich bereitstellen müssen, verglichen mit den Kosten von vor fünf oder acht Jahren. Heute besteht das Geschäft im Online-Kanal und im E-Commerce nicht mehr nur aus einem Foto.
Es gibt mehrere Fotos, mehr Videos, mehr Ressourcen für den Newsletter, mehr Investitionen in YouTube, TikTok, Instagram, Facebook... und dazu kommt die Preisinflation, die auch bei Google und Meta-Diensten aufgetreten ist. Kostensteigerungen, die man in Kauf nehmen muss, wenn man eine globale Marke sein will.
Und wenn es um die Digitalisierung geht?
In der Vergangenheit waren viele Unternehmen sehr analog, alles konnte mit Excel erledigt werden, alles konnte von einem Bericht aus angegangen werden... aber das ist vorbei. Heute brauchen Unternehmen eine Schichtung ihrer Prozesse, ihrer Arbeitsweise, und dafür sind Investitionen in die Digitalisierung und die digitale Erneuerung notwendig. Ich beziehe mich dabei nicht nur auf den elektronischen Handel, sondern auch auf die Digitalisierung interner Prozesse und die Implementierung all jener Programme und Systeme, die ein Unternehmen wie das unsere benötigt, um zu funktionieren.
Heute verlangt die Branche von uns eine ständige, beschleunigte Erneuerung. Jedes Jahr müssen wir neu darüber nachdenken, wie wir uns verbessern können, welches neue System wir einführen können, welche neuen Methoden wir anwenden können ... und das alles in einem viel schnelleren Tempo als in der Vergangenheit. Die Branche selbst verlangt von uns, dass wir auf dem neuesten Stand sind, und das erfordert nicht nur, dass wir diese Investitionen in Systeme aufrechterhalten, sondern auch, dass wir uns auf geschulte Mitarbeiter:innen verlassen können, die sie bei Bedarf umsetzen.
Sehen Sie in den Jahren 2024/25 den Trend, dass weniger Impulskäufe zu mehr Vollpreisverkäufen führen?
Das ist das Ziel, und es folgt auch der Strategie, die wir begonnen haben, als ich vor mehr als vier Jahren die Leitung übernommen habe; eine Strategie, die darauf abzielt, die Quote der Vollpreisverkäufe jedes Jahr zu verbessern. Ich war immer der Meinung, dass dies das Endziel ist, und was getan werden muss, ist die endgültige Änderung des Ansatzes und der Übergang zu einem nachhaltigen Angebot zum vollen Preis. Ich glaube, dass wir dies genau durch diese 'intelligenten Verkäufe' erreichen können, bei denen wir damit beginnen müssen, Verbraucher:innen über die Werte des Produkts und das, wofür die Marke steht, aufzuklären. Genau darauf zielen unsere Marketingstrategien ab, indem wir Verbraucher:innen darüber aufklären, dass das Produkt das wert ist, was es kostet, und warum es das wert ist.
In den letzten Jahren haben wir große Nachhaltigkeitsprojekte und -initiativen ins Leben gerufen, und das ist etwas, das wir den Verbraucher:innen vermitteln müssen. Wenn unsere Jeans 89 Euro kosten, dann deshalb, weil sie die Qualität bieten, die diesem Preis am besten entspricht, weil sie aus nachhaltigerer Baumwolle hergestellt werden, weil sie keine Chemikalien enthalten und weil wir die beste Passform bieten.
Wie passt das mit dem neuen Aufstieg und dem „goldenen Zeitalter“ der Fast Fashion zusammen, das durch Ergebnisse wie die von Inditex oder den digitalen Plattformen wie Shein oder Temu dargestellt wird?
Ich glaube, dass es Fast Fashion weiterhin geben wird und dass sie in allen Kleiderschränken zu finden sein wird, aber die Marken wissen, wie sie den Verbraucher:innen etwas anderes bieten können. Wir bieten ihnen den Stolz, das Produkt der Marke zu kaufen, die sie mögen, eine Marke, mit der sie sich emotional identifizieren, entweder wegen der Werte, die sie vermittelt, oder wegen all der Produkteigenschaften, die ich erwähnt habe; deshalb investieren wir so viel in die Hervorhebung der Merkmale unserer Produkte.
Welche Strategien und Prognosen haben Sie für jede Ihrer wichtigsten Marken im Portfolio für die kommende Zeit?
Wir gehen davon aus, dass alle unsere Marken auch im nächsten Geschäftsjahr eine Wachstumsrate beibehalten werden, mit einer besonders herausragenden Leistung von Façonnable, für die wir ein zweistelliges Wachstum vorhersagen und weiterhin eine aggressive Expansionsstrategie mit der Eröffnung von etwa einer neuen Verkaufsstelle pro Monat verfolgen werden. Hackett hingegen wird ein moderateres Wachstum beibehalten, das durch seine Leistung in bereits konsolidierten Märkten wie Spanien, Portugal und Frankreich unterstützt wird.
Die Marke hat einen ebenso aggressiven Expansionsplan, der sich vor allem auf den Nahen Osten, Indien, Lateinamerika und Osteuropa konzentriert, eine Region, in der wir auch unseren Expansionsplan in Märkten wie Deutschland fortsetzen werden. In der Zwischenzeit wird Pepe ein geringeres Wachstum beibehalten, das auf eine einstellige Zahl geschätzt wird, verglichen mit den zweistelligen Zahlen von Hackett und Façonnable.
Wir können nicht schließen, ohne darüber zu sprechen, wie Sie zwei wichtige Themen wahrnehmen, die die Gegenwart und Zukunft der Branche bestimmen: Nachhaltigkeit und künstliche Intelligenz (KI). Erstens: Wie kommen Sie bei AWWG in Sachen Nachhaltigkeit voran?
Vor zwei Jahren haben wir offiziell unser CSR-Team ins Leben gerufen, das seine Arbeit auf vier Säulen konzentriert: Produkt, Menschen, Partner und Orte - unsere vier „Ps“. Auf der Grundlage dieser Strategie und insbesondere des Produktaspekts haben wir drei starke Initiativen zur Entwicklung nachhaltiger Produkte ins Leben gerufen, die es uns ermöglicht haben, bedeutende Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeit zu erzielen, die direkt mit dem Produkt selbst verbunden sind.
Inwieweit glauben Sie, dass generative KI die Modeindustrie revolutioniert, und wie setzen Sie sich bei AWWG damit auseinander und setzen es um?
Ich gestehe, dass ich ein großer Fan von KI bin, weil ich wirklich glaube, dass KI Assistent und Übersetzer sein kann oder in der Modebranche helfen kann, viele Dinge zu erklären und eine erhebliche Menge an Ressourcen und Zeit zu sparen. Bei AWWG machen wir ausgiebig Gebrauch davon, um Moodboards zu erstellen, um zu sehen, wie sie für Marketingkampagnen, Produktideen oder sogar neue Ladenkonzepte aussehen könnten. Es ist ein Werkzeug, das wir in den „Vor“-Phasen einsetzen und das dazu dient, Konzepte und Ideen zu verdeutlichen und zu erklären, denn nicht jeder hat die nötige Vorstellungskraft, um bestimmte Dinge zu sehen oder zu visualisieren.
Wir nutzen KI auch ausgiebig für das Verfassen von Texten, nicht so sehr für offizielle Erklärungen, sondern eher als Grundlage für bestimmte Texte der Personalabteilung, für Pressemitteilungen usw. Es erweist sich auch als große Hilfe beim Kund:innendienst, nicht um die persönliche Betreuung zu ersetzen, sondern um den ersten Kontakt mit der Kundschaft aufrechtzuerhalten, indem die ersten drei oder vier Routinefragen gestellt werden, z. B. „auf welche Bestellung beziehen Sie sich“, „wie lautet Ihre Tracking-Nummer“ usw.
Wie Sie sehen, haben wir bereits mehrere Initiativen im Gange, und andere, die wir bereits testen, aber immer unter dem Gesichtspunkt, nicht alles der KI zu überlassen. Wir nehmen nur die Maßnahmen auf, die unsere Arbeit erleichtern können, denn eine blinde Implementierung von KI kann auch zu Verwirrung und mehr Komplikationen in bestimmten Prozessen führen.
Kehren wir zu diesem Wert des „emotionalen Teils“ der Branche zurück?
Ja, und ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass die KI nicht diejenige ist, die schreibt, sondern ein Werkzeug, das einem helfen kann, nicht mit einem leeren Blatt zu beginnen; darin liegt die große Hilfe, die die KI bietet. Um der KI etwas entgegenzusetzen, muss der Mensch weiterhin Emotionen hinzufügen; er muss weiterhin den kreativen Teil übernehmen, der dafür verantwortlich ist, einem Text oder einem Design Persönlichkeit zu verleihen. Mit KI werden wir eine großartige Assistentin haben, aber keine Schöpferin. Sie ist ein Werkzeug zur Rationalisierung von Prozessen, ja, aber sie kann nicht die gesamte Arbeit erledigen.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.ES. Aus dem Englischen übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.