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Myanmar: Ist 14 alt genug zum Arbeiten? Sind H&M & Co. schuld?

Von Simone Preuss

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Business |MEINUNG

In Bekleidungsfabriken in Myanmar arbeiten 14-Jährige, oft 12-Stunden-Schichten und für große Modekonzerne wie H&M. Dies fanden die beiden schwedischen Journalisten Moa Kärnstrand und Tobias Andersson Akerblom heraus, die ihre Recherche in dem Buch "Modeslavar" (Modesklaven), das nächste Woche veröffentlicht wird.

Die Autoren sprachen mit 15-jährigen Mädchen, von denen eines bereits seit sie 14 ist regelmäßig arbeitet und dies auch bis 22 Uhr, was ein Verstoss gegen die internationalen Arbeitskonventionen und Gesetze in Myanmar bedeutet. Die befragten Mädchen gaben an, dass die beiden Fabriken für die sie arbeiten - Myanmar Century Liaoyuan Knitted Wear und Myanmar Garment Wedge in der Nähe der Hauptstadt Yangon - jeden einstellen, der arbeiten möchte. Der schwedische Fast Fashion-Konzern H&M ist einer der internationalen Auftraggeber der Fabriken.

Sind internationale Auftraggeber schuld am Dilemma?

So weit, so umstritten. Denn laut ILO-Richtlinien dürfen Jugendliche ab 14 Jahren in Myanmar offiziell arbeiten. Allerdings nicht 12-Stunden am Tag und keine schweren Tätigkeiten. Zum Vergleich: In Deutschland dürfen Jugendliche ab 15 Jahren eine Ausbildung beginnen und sich geringfügig beschäftigen lassen, d.h. etwa jeden Job annehmen, der auf 400 Euro-Basis bezahlt wird. Wie auch in Myanmar gelten hier Regelungen zu den Tageszeiten, an denen sie arbeiten dürfen, die Dauer und Art der Arbeit; Ausnahmen gibt es je nach Branche ebenfalls.

H&M wies in einer im Guardian zitierten Stellungnahme auf die im Land geltenden Richtlinien hin: "Nach internationalem Recht sind Arbeiter und Arbeiterinnen zwischen 14 und 18 Jahren keine Kinder. Die ILO betont die Bedeutung, die Altersgruppe in Myanmar nicht vom Arbeitsleben auszuschließen. ... Natürlich lehnen wir Kinderarbeit strikt ab", hieß es und dass "zu lange Arbeitszeiten nicht akzeptabel" seien.

In einer offiziellen Stellungnahme, die an FashionUnited geschickt wurde, macht H&M "Probleme mit Identitätskarten und Überstunden" für die langen Arbeitszeiten der Jugendlichen verantwortlich. "Es ist für uns von größter Bedeutung, dass unsere Produkte unter guten Arbeitsbedingungen und unter Berücksichtigung von Sicherheit, Gesundheit und Umwelt hergestellt werden", erklärte das Unternehmen.

Was ist also die Lösung? Sicher nicht, die Jugendlichen zu entlassen, internationale Auftraggeber wie H&M an den Pranger zu stellen oder für diese, ihre Beziehung mit den Fabriken zu beenden, denn das Problem geht tiefer.

Natürlich möchten 14-Jährige nicht 12-Stunden am Tag Kleidungsstücke zusammennähen, ob sie nun in Myanmar, Bangladesch, Brasilien oder Deutschland leben. Sie möchten vielleicht ein Handy haben, sich die neuesten Kinofilme anschauen und sich mit Freunden treffen. Sie möchten aber auch nicht hungern und ihre Familien leiden sehen. Von daher bleibt ihnen oft keine andere Möglichkeit, als die Schule zu verlassen und arbeiten zu gehen. Und sie haben Glück, wenn sie dies in einer Fabrik tun können, die internationalen Auflagen unterliegt und in regelmäßigen Abständen überprüft wird.

Während arbeitslose Jugendliche in Ländern wie Deutschland etwa durch staatliche Unterstützung die Möglichkeit haben, Wege aus der Arbeitslosigkeit zu finden, sieht dies in Ländern wie Myanmar anders aus: Jungen Frauen bleibt häufig nur der Weg in die Heirat (zu einem oft älteren Mann), um für ihre Familien keine finanzielle Belastung mehr zu sein, während jungen Männer und Frauen, die plötzlich auf der Straße stehen, oft nur die Flucht in illegale Beschäftigungen bleibt. Und dies bedeutet noch schlechtere Bedingungen und Bezahlung und keine Kontrollmöglichkeit.

Schuldzuweisungen sind keine Lösung

Statt also mit dem Finger auf Bekleidungsunternehmen zu zeigen, sollte die gesamte Situation in einem Land betrachtet und gemeinsam nach einer Lösung gesucht werden, denn Kinder- und Jugendarbeit wird nicht über Nacht verschwinden.

Ebensowenig wie man sagen könnte, die Bedingungen in Bekleidungsfabriken in Bangladesch sind schlecht, lasst sie uns schließen oder lasst uns woanders produzieren. Die Arbeit in Bekleidungsfabriken hat die Situation von vielen Frauen in Bangladesch verbessert und ihre Rolle in der Familie gefestigt: Sie tragen mit ihrem Einkommen zum Haushalt bei, liegen ihm damit nicht mehr auf der Tasche und können so ihre Heirat um einige Jahre hinausschieben. Zudem finden sie neues Selbstvertrauen durch ihren Job und treffen viele junge Frauen in einer ähnlichen Situation.

Statt also Jugendarbeit zu verteufeln, sollte sie auf jeden Fall legal bleiben, um sie so überwachen und steuern zu können. Bekleidungsfabriken könnten zum Beispiel als Kontaktpunkte fungieren, um Jugendliche in "Work & School"-Programmen unterzubringen. Dies wäre auf jeden Fall konstruktiver, als einen großen internationalen Aufschrei zu instigieren, dessen Auswirkungen Jugendliche auf die Straße oder in die Illegalität treibt.

Fotos: Fabrikarbeiterinnen bei H&M-Lieferanten in Bangladesch, Copyright: GMB Akash
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