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Nicht genug: Das Lohngefälle zum Lebensunterhalt beträgt in den wichtigsten Bekleidungsproduktionsländern 45 Prozent

Von Don-Alvin Adegeest

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Foto: Bangladesh Garment Worker

Die ‚WageIndicator Foundation‘ und ‚The Industry We Want‘ (TIWW) haben eine ‚Industry Wage Gap Metric‘ eingeführt. Die Metrik zeigt den durchschnittlichen prozentualen Abstand zwischen den Mindestlöhnen und den existenzsichernden Löhnen. In den wichtigsten Ländern der Bekleidungsherstellung beträgt diese Lücke 45 Prozent.

Die Lohnlücke bedeutet, dass Bekleidungs- und Schuharbeitskräfte in den ausgewählten Ländern weit weniger verdienen, als sie für einen angemessenen Lebensunterhalt benötigen. WageIndicator und TIWW wenden ihre Metrik auf die Bekleidungs- und Schuhindustrie in Honduras, der Türkei, Bangladesch, Rumänien, Marokko, Pakistan, Indien, Kambodscha, Vietnam, Mexiko, Tunesien, China und Indonesien an. Diese Länder wurden unter anderem aufgrund ihres Handelsvolumens und ihrer Marktrelevanz ausgewählt.

Was ist ein existenzsichernder Lohn?

TIWW definiert einen existenzsichernden Lohn als das Mindesteinkommen, das eine arbeitnehmende Person und ihre Familie zur Befriedigung der Grundbedürfnisse benötigen, einschließlich eines gewissen Einkommens zur freien Verfügung. Dieser sollte innerhalb der gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen verdient werden. Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass die Löhne in den meisten Ländern, in denen Bekleidung hergestellt wird, weit unter der Definition eines existenzsichernden Lohns liegen. TIWW akzeptiert jede Interpretation eines existenzsichernden Lohns, die von den lokalen Gewerkschaften gebilligt wurde und eine transparente Methodik aufweist.

Die Ermittlung der Differenz zwischen dem Mindestlohn, den eine Arbeitskraft erhält, und dem, was sie verdienen sollte, um sich und ihre Familie zu versorgen, ist nur der erste Schritt in diesem Projekt. Laut TIWW wird sich die zweite Phase auf die Erhebung von Reallohn-Daten konzentrieren. Wir werden daran arbeiten, Mindeststandards für die Erhebung von Reallohn-Daten und mögliche Methoden zur Harmonisierung solcher Bemühungen festzulegen.

Die von WageIndicator, TIWW und anderen gesammelten Löhne werden dann genutzt, um Veränderungen zu ermöglichen: „In Phase drei werden wir für jedes der 13 Länder positive Lohnwachstumsziele für die nächsten vier Jahre festlegen und eine Methodik zur Datenerhebung und -verfolgung entwickeln“, so die Organisation.

Die 13 Länder, die in den Daten enthalten sind, sind der Dreh- und Angelpunkt der Produktion und der globalen Lieferkette der Fast-Fashion-Industrie. Deshalb bleibt das Problem trotz der vielen Aufrufe zum Handeln für Nachhaltigkeit, Arbeitssicherheit und faire Löhne ungelöst und andauernd.

Marken zahlen keine Löhne an Bekleidungsarbeiter:innen

Die Marken bezahlen die Arbeiter:innen in der Bekleidungsindustrie zwar nicht direkt, aber sie verhandeln die gezahlten Preise pro Artikel und haben damit erheblichen Einfluss auf die Herstellungsbedingungen, damit den Beschäftigten ein fairer Lohn bezahlt werden kann. Keine Fabrik will Aufträge verlieren, und die Marken geben in der Regel dem billigsten Nähpreis und der bestmöglichen Gewinnspanne pro Kleidungsstück den Vorrang vor der Sicherstellung angemessener Löhne für die Beschäftigten.

Handlungen, Ziele und Realität stimmen nicht überein

Als eines der größten Unternehmen der Fast-Fashion-Branche mit sehr lautstarken Nachhaltigkeitszielen ist H&M ein guter Indikator für ein Unternehmen, bei dem Handlungen, Ziele und Realität nicht immer übereinstimmen. In seinem aktuellen E-Commerce-Angebot verkauft H&M ein Cropped-T-Shirt für 2,99 Britische Pfund (etwa vier Euro), ein Neckholder-Kleid für 9,99 Britische Pfund (etwa zwölf Euro) und eine Cargo-Jeans für 12,99 Britische Pfund (etwa 15,50 Euro), wobei in all diesen Preisen Stoff, Nähen, Verpackung, Versand und eine Gewinnspanne enthalten sind. H&M muss seine Zulieferunternehmen beinahe zwingend unter Druck setzen, Wege zu finden, um Kleidungsstücke zu diesen Tiefstpreisen zu produzieren.

Vor fast einem Jahrzehnt, im Jahr 2013, sagte H&M, dass es bis Ende 2018 mehr als 850.000 Arbeiterinnen und Arbeitern in 750 Fabriken einen „fairen existenzsichernden Lohn“ zahlen würde. Wie das 2022 gewährleistet werden soll, ist nicht bekannt. Bekannt ist jedoch, dass H&M auf seiner Website extrem billige Kleidungsstücke anbietet, die die Fabriken, in denen die Näherinnen und Näher arbeiten, zu weniger als der Hälfte der Verkaufskosten herstellen müssten, um mit den Verkaufsmengen Gewinn zu machen.

Untersuchungen von Deloitte Access Economics für Oxfam Australien haben ergeben, dass im Durchschnitt nur zwischen zwei und vier Prozent des Preises eines in Australien verkauften Kleidungsstücks für die Löhne der Arbeiterinnen und Arbeiter in den Fabriken verwendet werden. Die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign) vermeldete ähnliche Zahlen, so Good on You, und erklärte, dass „die Löhne für die Produktion kaum mehr als drei Prozent des Preises ausmachen, den man im Laden bezahlt.“

Good on You, eine Plattform zur Bewertung ethischer und nachhaltiger Marken, sagt, dass viele der Menschen, die in dem Teil der Mode-Lieferkette beschäftigt sind, der den Zuschnitt vornimmt, immer noch in unsicheren Fabriken arbeiten und unter schlimmsten Bedingungen leben. Die Löhne in den Bekleidungsfabriken in Bangladesch sind die niedrigsten der Welt, und obwohl die großen internationalen Konzerne, denen die großen Marken gehören, rechtlich nicht direkt für die Lebensbedingungen der Arbeitskräfte verantwortlich sind, resultieren ihre Gewinne aus der Tatsache, dass die Menschen für das Nähen ihrer Kleidung niedrige Löhne erhalten.

„Niemand, der eine Vollzeitbeschäftigung hat, sollte in Armut leben“, schrieb John Gerner 2003 in einem Meinungsartikel in der New York Times und stellte die Frage, was ein existenzsichernder Lohn ist. Zwei Jahrzehnte später ist die Vorstellung von wirtschaftlicher Fairness in der Modeindustrie immer noch so uneinheitlich wie damals.

Artikelquelle: WageIndicator Foundation und The Industry We Want

Dieser Artikel wurde zuvor auf FashionUnited.uk veröffentlicht. Übersetzung und Bearbeitung: Barbara Russ.

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