R.Brand-Group-CEO: „Wir wollen nicht in Schönheit sterben“
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Seit der Übernahme der ehemaligen Ahlers-Marken durch die R.Brand Group, zu der auch die Handelskette Modepark Röther gehört, überschlugen sich Spekulationen über die Zukunft der Labels Baldessarini, Pioneer und Pierre Cardin.
Gut neun Monate nach der Übernahme räumt Geschäftsführer Raphael Heinold mit den Gerüchten auf, denn das Marken-Portfolio bleibt intakt, die Lizenzverträge für Pierre Cardin sind für die nächsten fünf Jahre verlängert worden und Ziel ist es ganz klar, alle Marken wieder auf Kurs zu bringen.
Welche Schritte bereits unternommen wurden, worauf er einen ganz besonderen Fokus legt und was für die kommenden Jahre auf der Agenda steht, erzählte Heinold im Gespräch mit FashionUnited. Außerdem sprach der Geschäftsführer über das Verhältnis zum neuen Eigentümer, die Reaktionen der Branche und die Auswirkungen der Insolvenzen im Handel auf die sich im Wiederaufbau befindende Gruppe.
Nach der Übernahme der Ahlers-Marken wurde viel darüber spekuliert, ob Sie an allen Marken des Portfolios festhalten werden. Wie kam es am Ende zu der Entscheidung, genau das zu tun?
Wir haben ein wunderbares Szenario, dass wir im Mainstream mit Pioneer sehr gut positioniert sind. Wir sind im Mittel, ich nenne das immer “Bridge-Markt” Richtung Premium mit Pierre Cardin und im klassischen Premiummarkt mit Baldessarini. Alle drei Marken haben Potenzial. Wir haben nicht das Millionen-Budget, das ein Boss in Marketing investiert, aber wir wollen künftig mehr auf dem Markt präsent und vertreten sein.
Und dennoch fällt Baldessarini – nicht zuletzt optisch – etwas aus dem Rahmen …
Baldessarini ist ganz klar die Fashion-Spitze der R.Brands Group. Wir halten ganz bewusst an dieser Spitze fest und wollen diese weiter treiben. Ein bisschen stylisher, mit mehr Styling-Elementen, als man es von manchen bekannten Marken in dem Segment kennt, aber trotzdem, und das ist ein wichtiges Thema, verkäuflich. Wir wollen nicht irgendwann so speziell und extravagant sein, dass es sich nicht mehr verkaufen lässt; wir wollen nicht in Schönheit sterben.
Gibt es ein Fokusthema, das Sie derzeit stark forcieren?
Wir werden den Fokus wieder viel stärker auf das Produkt legen. Das Produkt muss ganz klar in den Fokus der Konsument:innen rücken. Wir haben uns in der Vergangenheit sehr auf die Handelspartner:innen und -konditionen fokussiert, die natürlich ebenso wichtig sind, dabei aber aus dem Blick verloren, wer die Ware eigentlich kauft. Es ist jetzt alles keine Raketenwissenschaft, aber es ist in der Gruppe vorher zu wenig Bedeutung gewesen. Und das wird deutlich korrigiert. Wir werden uns auch sehr stark damit befassen, was im Markt passiert, wo genau die Positionierung, die wir suchen, liegt, und wie sich die Konsument:innen verhalten.
Stichwort Konsument:innen, wie sollen diese die Marken der R.Brand Group künftig erleben?
Die Konsument:innen sollen unsere Ware und alle unsere Marken durch die Bank hinweg wieder lieben. Wir wollen gute Kleidung für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und gute Qualität liefern, das ist klar, aber diese Begehrlichkeit, die ist ein großes Thema, das nicht immer da war. Da müssen wir sicherlich stärker reinarbeiten. Wir wollen Teil des Lifestyles unserer Kund:innen werden, Teil ihres Lebens. Alle Marken werden sich deutlich mehr zum “Total Look” entwickeln. Das ist bei Baldessarini bereits der Fall. Dort kommt die Kollektion schon immer aus dem Konzept des ganzen Outfits. Das ist bei den anderen Marken nicht mehr so und das werden wir wieder viel stärker forcieren.
Sie sprachen soeben von einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Keine einfache Aufgabe in einer Zeit, in der viele Bekleidungshändler:innen ihre Preise inflationsbedingt anheben mussten.
Das würde ich für unsere Marken so nicht unterschreiben. Es geht hier gar nichts nach oben. Ein Stück weit ist das Gegenteil der Fall. Eckpreislagen, auf denen wir mal sehr erfolgreich waren, werden wieder gestärkt. Bei Baldessarini schauen wir beispielsweise sehr genau hin, wo die Grenze wirklich liegt, während wir bei Pierre Cardin die Preislage korrigiert haben. Und das ist nicht aus dem Selbstzweck, sondern das ist einfach, weil wir glauben, dass die Konsument:innen momentan diese Reise “immer teurer und teurer”, nicht endlos mitmachen können und auch nicht mitmachen werden.
Sie hatten in dieser Ordersaison, angefangen mit der Pitti Uomo in Florenz, erstmals die Chance, sich unter dem Schirm der neu formierten R.Brand Group zu präsentieren. Wie lautet Ihr bisheriges Fazit?
Man hat uns schon ein Stück weit tot geredet, aber jetzt können alle sehen, was bei der R.Brand Group passiert und die ersten Reaktionen haben unsere Intentionen und das Potential der Marken bestätigt. Wir sind in einem sehr, sehr guten Umfeld unterwegs, mit den Eigentümern, die sehr vertrauensvoll, sehr realistisch sind und wissen, was für ein Unternehmen sie gekauft haben. Sie geben uns alle Zeit der Welt, um Dinge zu entwickeln. Das ist deutlich besser als bei einem Private-Equity-Unternehmen, das einfach sagt, “Nächstes Jahr wollen wir wieder Cash aus dem Laden rausziehen”. Gar nicht. Das Geld wird in der Gruppe bleiben und für Investitionen verwendet. Wir können das Unternehmen ausbauen, Ideen entwickeln und haben dabei aktuell keinen Druck. Den Druck machen wir uns als Geschäftsführung fast selbst, denn wir möchten abliefern.
Dennoch fielen die Reaktionen bezüglich des neuen Eigentümers nicht nur positiv aus.
Es gibt vereinzelt Stimmen, die nicht ganz glücklich über unsere Zugehörigkeit zu einem anderen Wettbewerber sind; das beschäftigt einige. Gerade deswegen ist es wichtig, dass wir offen darüber sprechen. Wir werden ein Angebot schaffen mit unseren Marken, dass die Händler:innen gutes Geld verdienen. Das zählt für uns, zu wem wir gehören, ist nicht die oberste Maxime.
Sie meinten gerade, Sie als Geschäftsführung wollen “abliefern”. Was bedeutet das konkret für die R.Brand Group?
Das oberste Ziel für die Gruppe muss nachhaltiges Wachstum lauten. Und nachhaltiges Wachstum deswegen, da wir auch vorher Wachstum hatten und trotzdem letztes Jahr insolvent waren. Man mag das nicht glauben, aber die Gruppe hat fast 200 Millionen Euro Umsatz erzielt und geht dann trotzdem insolvent, aufgrund der hohen Kosten. Das kann man deutlich besser managen. Das ist im Nachgang immer einfach gesagt, aber das ist unser klares Ziel.
Können Sie das Ziel auch in Zahlen konkretisieren?
Wir nehmen uns vor, in den nächsten drei Jahren die Umsätze von 2019 circa 175 bis 180 Millionen zu erreichen, aber ganz klar mit einer EBIT-Marge von sieben Prozent. Das Unternehmen muss profitabel werden. 2024 ist ganz bewusst für ein Jahr, indem wir eine schwarze Null anpeilen und uns vorbereiten, 2025, 2026 zu wachsen.
2024 wird also nicht das Jahr des großen Wachstums?
Nein, 2024 sind wir sehr realistisch. Wir haben in der Orderrunde Spring-Summer, die mitten in der Insolvenz stattfand, natürlich ordentlich ein Verbraten bekommen. Im Herbst-Winter kommt sicherlich der ein oder andere zurück, aber kauft nicht sofort. Wir haben es schon mit einem gewissen Vertrauensverlust zu tun.
Die Gruppe hat vorher auch sprunghaft, teilweise jedes halbe Jahr, eine neue Richtung vorgestellt. Das wird in Zukunft nicht mehr so sein, aber das müssen wir ja erst einmal beweisen. Wir müssen jetzt zeigen und beweisen, dass man sich auf unsere Preislagen, den Modegrad und die Konzeption verlassen kann. Papier ist geduldig, jetzt müssen wir abliefern, das ist auch vollkommen normal. Wäre ich Händler, wäre ich wahrscheinlich genauso vorsichtig und würde zögern.
Vertrauen kommt nicht von nichts. Was hat sich seit der Übernahme innerhalb des Unternehmens verändert?
Wir hatten im Sommer die Möglichkeit, tiefer in die Organisation einzuschneiden. Das ist bitter für alle Beteiligten, allerdings haben wir ganz bewusst relativ tief eingeschnitten, sodass wir den Punkt, die Marken bald profitabel zu betreiben, schnell erreichen.
Uns geht es um ein wirklich gutes Geschäft mit einem soliden Aufbau. Derzeit fokussieren wir uns auf die nächsten drei Jahre, aber wir wollen natürlich auch danach weiter wachsen. Und natürlich haben wir in Europa Expansionsmöglichkeiten ohne Ende. Wenn wir hier die Hausaufgaben gemacht haben, werden wir auch solche Themen angehen. Aber eins nach dem anderen und etwas strategischer als in der Vergangenheit.
Gibt es bereits konkrete Expansionspläne?
In der Vergangenheit wurde einiges sehr opportunistisch angegangen. Da kam jemand beispielsweise aus Litauen auf die Messe gelaufen und sagte “ach, ich würde einen Auftrag schreiben” und dann wurde auch ein Auftrag geschrieben. Das ist für mich kein Auftritt. Wenn ich diesen Markt möchte, dann wollen wir das in Zukunft strategisch angehen und dann auch richtig. Mit passenden Partner:innen und jenen Märkten, in denen wir eventuell auch eine Zukunft sehen.
Im September wurden die E-Commerce-Aktivitäten der Röther Gruppe, einschließlich der Marken der R.Brand Group, offline genommen. Wird sich das in Zukunft wieder ändern?
Omnichannel ist sicherlich auf der Agenda. Muss. Ohne kann man heute kein Unternehmen erfolgreich machen – und trotzdem werden wir das sehr behutsam machen. Wir waren hochdefizitär in dem Bereich, daher haben wir das Thema zunächst auf Eis gelegt. Das war auch die richtige Entscheidung und trotzdem müssen wir uns dem Thema wieder annehmen, aber nicht in 2024. Das will sauber vorbereitet werden und das wird ein Thema für 2025.
Sie blicken bereits in die Zukunft, doch die aktuelle Einzelhandelslandschaft mit Insolvenzen von Unternehmen wie Galeria und der KaDeWe Group begünstigt Ihre Vorhaben vermutlich nicht sonderlich, oder?
Galeria trifft uns hart, speziell bei Pioneer und Pierre Cardin. Die KaDeWe-Gruppe trifft uns auch mit Baldessarini. Wir hängen da mit drin, denn natürlich brauchen wir eine Handelslandschaft und eine Warenhaus-Landschaft. Ich bin überzeugt, dass es da weitergehen wird, aber nicht in dem Umfang.
Trifft uns das alles brutal? Natürlich. Und es trifft uns in der Zeit, in der wir selbst ja auch noch nicht zu hundert Prozent aufgestellt sind. Wir sind selbst noch mit Konsolidierung im Unternehmen beschäftigt und so ist es wieder ein Schlag – aber wir werden da durchkommen. Wir werden deswegen morgen nicht umkippen.