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Recht & Praxis: Wird das Upcycling von Kleidung durch geistige Eigentumsrechte eingeschränkt?

Von Gastautor:in

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Einer der Entwürfe aus der "Natural"-Kollektion der Designerin Tess van Zalinge. Fotografin: Annie van Noortwijk

Upcycling erfreut sich in der Modebranche seit einigen Jahren großer Beliebtheit. Das Modemagazin Vogue (1) bezeichnete Upcycling als "den größten Modetrend der Gegenwart". Die Modeindustrie setzt sich immer mehr für eine nachhaltigere Welt mit einer Kreislaufwirtschaft ein, und Upcycling passt in diese Entwicklung.

Das ist zum Teil auch darauf zurückzuführen, dass viele Marken aufgrund der Covid-Pandemie unverkaufte Bestände behalten haben und dass die Textilindustrie ab 2023 teilweise selbst für die Sammlung und das Recycling von Textilabfällen verantwortlich sein wird.

Upcycling wird in Wörterbüchern wie dem niederländischen Van Dale als Wiederverwendung von (Rest- oder Abfall-)Produkten in Form eines höherwertigen Produkts definiert. Das Upcycling geht noch einen Schritt weiter als das Recycling: Beim Recycling wird häufig zunächst ein bestehendes Produkt zerstört und dann ein neues Produkt mit demselben oder einem geringeren Wert hergestellt. Denken Sie zum Beispiel an Jeans, die zerlegt werden, um daraus neuen Denim-Stoff herzustellen.

Beim Upcycling hingegen bleibt (ein Teil) des bestehenden Produkts erhalten, aber durch die Zugabe von Kreativität und handwerklichem Geschick wird ein anderes Produkt mit oft höherem Wert hergestellt. Das Designlabel Hacked By_ von Francisco van Bentum und Alexander Slobbe ist ein gutes Beispiel dafür. Das Label "hackt" das Modesystem, indem es vorhandene Kleidungsstücke und Restmaterialien als Grundlage für neue, erschwingliche Artikel verwendet. Hacked By_ kreiert neue Designs mit Respekt für das ursprüngliche Kleidungsstück: es ist eine Kombination aus Recycling und Upcycling.

Ein weiteres großartiges Beispiel für eine niederländische Designerin, die " ausrangierte Designerstoffe " für Couture-Stücke wiederverwendet, ist Tess van Zalinge. Vergangenes Jahr brachte sie ihre Kollektion "Naturally" auf den Markt:

"Es fasziniert mich, wie man die Natur bewahren, eine Emotion oder eine Erinnerung aus dieser Natur einfangen kann, ohne sie zu verändern. Die Suggestion der erkennbaren Natur, ohne sie zu berühren oder zu stören, wird in meinem neuen Werk in vielen Schichten als eine veränderte Sicht auf die Realität eingesetzt. In der Kollektion "natural" wird mit Restbeständen bekannter großer Modehäuser gearbeitet. Abfälle und ausrangierte Produkte aus der Industrie zu neuem Leben zu erwecken, entspricht meinem starken Drang, mich als Designerin immer wieder zu erneuern – jeder Schritt ist ein Schritt, um der Verschwendung mit Integrität und intrinsischem Wert zu begegnen."

Upcycling: Rechtliche Fallstricke

Upcycling kann rechtliche Probleme mit sich bringen. Upcycling bedeutet nicht immer eine Wertschöpfung, und manchmal geht es nur darum, sich mit einer bekannten Marke unter dem Banner der "Nachhaltigkeit" zu verbinden. Geistige Eigentumsrechte wie Urheberrecht, Markenrecht, Designrecht und sklavische Nachahmung können dem Upcycling Grenzen setzen. Denn beim Upcycling wird das bestehende Produkt (teilweise) beibehalten und durch weitere kreative Elemente ergänzt. Es stellt sich also die Frage, ob ein Anspruch auf Erschöpfung der Rechte des geistigen Eigentums besteht, wenn Änderungen an dem bestehenden Produkt vorgenommen werden. In den Vereinigten Staaten wurde bereits ein Gerichtsverfahren wegen der Wiederverwendung von Chanel-Knöpfen in Schmuckstücken eingeleitet (2).

Das Markenrecht ist ein ernsthaftes Hindernis für das Upcycling von Markenartikeln. Ein Markeninhaber kann dem weiteren Vertrieb seines Markenprodukts widersprechen, wenn sich die Beschaffenheit des ursprünglichen Produkts geändert hat. Der Upcycler kann sich dann nicht auf die Erschöpfung der Markenrechte berufen. Ein Upcycler stößt schnell auf dieses Problem, da gerade das ursprüngliche Markenprodukt durch Hinzufügen neuer kreativer Elemente verändert wird. Ein deutsches Gericht entschied bereits 1995 (3), dass das Bleichen und Umfärben von Levi's-Jeans eine Veränderung des Markenprodukts darstellte und die Herkunfts- und Qualitätsgarantiefunktion der Marke Levi's beeinträchtigte und nicht zulässig war.

Welche Möglichkeiten hat man als Upcycler also? Die Marke entfernen? Oder einen Hinweis hinzufügen? Die Entfernung des Markenkennzeichens kann durchaus eine Lösung sein: vor allem dann, wenn beim Upcycling die eigene Kreativität eingebracht wird und das neue upgecycelte Produkt anders aussieht als das ursprüngliche Markenprodukt. Probleme können jedoch auftreten, wenn es sich bei der Marke um eine Formmarke oder eine Positionsmarke handelt und die Marke daher nicht entfernt werden kann.

Die Beibehaltung der Marke und das Hinzufügen eines Hinweises scheinen auch in der Modebranche keine Lösung zu sein. Ein Disclaimer sollte so beschaffen sein, dass er den Eindruck einer kommerziellen Verbindung zwischen der Marke und dem upgecycelten Produkt ausräumt. In der heutigen Modewelt, in der viele Marken auch selbst upcyceln und Kooperationen und Co-Creation zwischen Marken und Designern an der Tagesordnung sind, entsteht schnell der Eindruck, dass eine kommerzielle Verbindung besteht. In diesem Fall bringt es nicht viel, dem upgecycelten Markenprodukt einen Haftungsausschluss beizulegen.

Auch das Urheberrecht kann Hindernisse für das Upcycling schaffen. In einer Rechtssache, in der es um die Vervielfältigung eines Plakatbildes auf einer Leinwand durch ein chemisches Verfahren ging, nachdem von dem Plakat nur noch ein leeres Blatt übrig blieb, entschied der Gerichtshof(4), dass die Ersetzung des Trägers, das heißt des Plakats durch die Leinwand, die das Bild enthält, tatsächlich eine neue Vervielfältigung darstellt, gegen die die ursprüngliche Urheberin (Autorin) gerichtlich vorgehen kann.

Beim Upcycling entsteht oft ein neues kreatives Produkt, bei dem nur ein Teil des ursprünglichen Werks oder Designs verwendet wird. Die Frage ist also, ob es sich bei dem upgecycelten Produkt um die Offenlegung eines Teils des Originalwerks oder um eine bearbeitete Version desselben handelt. Wenn die Upcycler:innen die urheberrechtlich geschützten Merkmale in dem neu upgecycelten Produkt nicht mehr nachweisen kann, scheint keine Urheberrechtsverletzung vorzuliegen. Es ist nach wie vor schwierig zu bestimmen, wo die Grenze zwischen der Anpassung eines urheberrechtlich geschützten Originals, die daher nicht zulässig ist, und der Schaffung eines neuen, originellen, upgecycelten Werks, das nicht gegen das Urheberrecht verstößt, liegt.

Fazit

Durch Upcycling entstehen wunderbare neue Designs, und das ist unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit sicherlich zu begrüßen.

Van Zalinge ist davon überzeugt, dass wir mit Zusammenarbeit als Grundlage für gegenseitige Hilfe, Wissensaustausch und Bündelung der Kräfte zu einer innovativen und gesünderen Modeindustrie beitragen können. Vom kreativen Schaffensprozess bis hin zur Annäherung an das Konzept der Nachhaltigkeit haben alle Kreativen eine authentische Art, Dinge zu tun, von der andere lernen können. Die jüngste Kollektion von Van Zalinge, 'Naturally', vermittelt diese Vision durch interdisziplinäre Verknüpfungen. So zum Beispiel mit den Pionier:innen des digitalen Designs Studio PMS, dem Textilinnovator Studie Vivèrdie und der Schuhhandwerkerin Sophie Tine. Die Überschneidung von Fachwissen, Disziplin und Ansatz macht die Zusammenarbeit in dieser Kollektion so spannend.

Das Upcycling kann aber auch viele rechtliche Probleme mit sich bringen, und die Rechte an geistigem Eigentum von Marken und Designer:innen können das Upcycling verhindern. Die Frage ist jedoch, ob es für eine Marke sinnvoll ist, gegen Upcycling vorzugehen. Upcycling ist nachhaltig und hat ein positives Image: Das Vorgehen einer Marke gegen Upcycling könnte einen PR-Albtraum auslösen (5).

Geschrieben von Margot Span von Spargo Legal. Margot ist auf geistiges Eigentumsrecht und Handelsverträge spezialisiert und berichtet regelmäßig in der Kolumne Rechtspraak über aktuelle rechtliche Themen. spargolegal.nl

Fußnoten:
  • (1) Emily Chan, ‘Upcycling is the biggest trend in fashion now’ Vogue UK 23 November 2020.
  • (2) https://www.thefashionlaw.com/?s=chanel+buttons
  • (3) Bundesgerichtshof 14 Dezember 1995, I ZR210/93, Gefärbte Jeans.
  • (4) HvJ EU 22 Januar 2015, C-419/13 Art & Allposters International/ Stichting Pictoright
  • (5) IER 2022/18: Upcycling - Op het snijvlak van duurzaamheid en intellectuele eigendom. N.Q. Dorenbosch
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