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Roland Berger: Wie Mode- und Lifestyleunternehmen sich jetzt für die Zukunft aufstellen sollten

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Die internationale Unternehmensberatung Roland Berger wird oft von Unternehmen gerufen, wenn diese in eine Schieflage geraten sind. Ihre Berater:innen sind es daher gewohnt, Unternehmen unter schwierigen Bedingungen wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Die Experten Alexander Müller (Senior Partner, Competence Center Restructuring, Performance, Transformation & Transaction) und Richard Federowski (Partner, Consumer Goods & Retail) erklären im Gespräch mit FashionUnited, worauf es jetzt für Mode- und Lifestyleunternehmen ankommt.

Herr Müller, Herr Federowski, was sind aktuell die größten Herausforderungen der Branche?

Alexander Müller (AM): Die Mode- und Lifestylebranche ist derzeit eine der am stärksten von der Pandemie betroffenen Branchen. Zum einen hat sich der Druck zur Anpassung der Geschäftsmodelle, der bereits vor Corona in Sachen Digitalisierung, Neuausrichtung der Wertschöpfungskette, Weiterentwicklung der Vertriebskanäle, Verbesserung der Kundenkommunikation und Überdenken der Point-of-Sale-Konzepte begonnen hat, deutlich verstärkt. Zum anderen führt gerade die weitere Verlängerung des zweiten Lockdowns dazu, dass bei den meisten die Liquidität aufgebraucht ist. Bei vielen geht es jetzt ums Überleben und die Frage, wie sich der Wiederanlauf und zukünftige Investitionen bei fehlender Liquidität und gestiegener Verschuldung überhaupt noch finanzieren lassen.

Richard Federowski (RF): Aktuell treffen in der Mode- und Lifestyleindustrie zwei Strömungen aufeinander. Wie Alexander schon sagte, war die Branche bereits vor der Corona-Krise grundlegenden Veränderungen ausgesetzt. Die Pandemie beschleunigt diese wie ein Katalysator, wobei dem Motor dabei leider der Sprit ausgeht. Die Casualisierung der Mode hatte längst begonnen und wurde nun weiter verstärkt, zum Beispiel der Sneaker Boom und der Trend zu Athleisure. Auch der Rückgang der Besucherfrequenzen in den Innenstädten ist nicht neu – sicherlich in der Ausprägung. Die Transformation der Läden in Experience-Showrooms, der Einsatz von neuen Technologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette, das Hinterfragen der Saisonalitäten, die zunehmende Konkurrenz aus China oder die Bedeutung von Social Media und Digital Commerce, sowie das Thema der Dynamisierung im Sourcing und der Nachhaltigkeit. All diesen Herausforderungen muss die Branche sich nun mit einer noch stärkeren Dringlichkeit stellen – und das in einer äußerst angespannten Marktlage.

Worauf konzentrieren Sie sich als erstes bei einem Unternehmen, zu dem Sie gerufen werden?

AM: In der jetzigen Phase konzentrieren wir uns zuerst auf die aktuelle Liquiditätssituation und die kurzfristige weitere Entwicklung. Damit können wir den Handlungsdruck bzw. -spielraum für alle weiteren Schritte festlegen. Gerade in Krisensituationen stellen wir häufig fest, dass noch mit zu vielen Hoffnungswerten geplant wird und die tatsächliche Situation ernster ist als wahrgenommen. Dann folgt die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells. Die Antwort darauf bestimmt alle weiteren Maßnahmen. Hier gilt der alte Leitspruch: "No strategy, no turnaround."

RF: Leider ist es in der Tat oft so, dass sich Unternehmer oder Geschäftsführer erst sehr spät dazu entscheiden, externe Hilfe dazu zu holen – wenn die Krisensituation schon weit fortgeschritten und der Druck von außen, durch Warenkreditversicherer und Finanzierer, schon sehr hoch ist. Daher steht natürlich der Cash, wie Alexander bereits sagte, im Mittelpunkt und das Unternehmen muss unter diesem Gesichtspunkt kurzfristig gesteuert werden. Aber natürlich reicht das bei weitem nicht aus. Es gilt daher schnellstmöglich zu verstehen, wo die Krisenursachen liegen bzw. zu verstehen was schiefgelaufen ist. Dreh- und Angelpunkt ist der Kunde und von diesem ausgehend, Marke, Sortiment und Distribution zu beleuchten. Die oberste Kernfrage sollte die der Relevanz sein. Diese Frage wird oft zu schnell verworfen und ist doch so kritisch in diesen Zeiten: Was ist mein Purpose, wofür stehe ich, was ist mein "the reason to exist"? Oft sind aber auch die Operations nicht mehr zeitgemäß. Natürlich lohnt sich immer der Blick zum Wettbewerb und in andere Märkte. Gerade am Beispiel Asien sieht man, wie dort Kundeninteraktion und Vertrieb neu definiert werden, davor dürfen wir bei der Neuausrichtung nicht die Augen verschließen.

Welche Maßnahmen müssen Unternehmen jetzt ergreifen und wie können Sie Mode- und Lifestyleunternehmen dabei helfen?

AM: Wir verstehen uns selbst als Unternehmer und verfolgen deshalb einen ganzheitlichen Ansatz, der alle Komponenten umfasst: Das strategische, das operative und das finanzielle Geschäft.

Mittelfristig lässt sich die Krise als Chance für eine dringend notwendige Neuausrichtung des Geschäftsmodells nutzen. Um zukunftsfähig zu bleiben, darf man jetzt nicht die Scheuklappen aufsetzen und hoffen, das wird schon wieder. Auch bislang nicht online-affine Konsumenten haben spätestens jetzt gelernt, wie man online einkauft. Diese Entwicklung wird sich nicht wieder umkehren, wenn die Krise vorbei ist. Bestimmte Einkaufsverhalten aus dieser Zeit werden erhalten bleiben und auch das Homeoffice wird uns in Zukunft weiterhin begleiten. Covid-19 wird Bestandteil der Realität sein. Also muss man sich jetzt Gedanken machen und offen an die Themen herangehen. Auf dieser Basis gilt es dann die gesamte Wertschöpfungskette neu zu denken. Wie sieht mein zukünftiger Go-2-Market aus? Wie muss ich meine Supply-Chain-Strategie verändern, um flexibel am Markt agieren zu können? Wie muss ich meine Organisation insgesamt neu aufstellen, um agil und kostenoptimiert in die Zukunft zu gehen? Welche Sortimente sind zukunftsfähig? Für was stehe ich als Marke und wie überzeuge ich den Kunden? Und zu guter Letzt: Wer finanziert das und wie? Als global aufgestelltes Beratungshaus sind wir in der Lage, mit unseren jeweiligen Expert:innen bei der Beantwortung all dieser Fragen individuell und aus einer Hand unterstützen zu können.

RF: Der Kampf um Frequenz, um den Kunden, der früher in der Fußgängerzone stattgefunden hat, der findet heute mehr als jemals zuvor online statt. Wie tritt man künftig mit den Kund:innen in Kontakt? Welche Inhalte kommuniziere ich? Wie möchte ich wahrgenommen werden? Zudem stellen sich Fragen wie: Was ist meine Rolle in der Gesellschaft? Was gebe ich den Konsument:innen über das Produkt hinaus? Wie bleibe ich relevant? Diese Themen müssen jetzt neu gedacht werden. 'Digital' und 'Social' werden wichtiger denn je, nicht nur für die Kommunikation mit den Kund:innen, sondern für das gesamte Kundenversprechen bzw. den Kundenmehrwert. Zudem gilt es das Thema 'Data' nicht zu vergessen. Das gezielte Sammeln und Auswerten von Daten und damit verbunden das Erkennen von Signalen wird immer mehr zu einem Wettbewerbsvorteil. Unternehmen müssen sich fragen: Wie kann ich diesen Wandel ermöglichen? Wie muss ich mein Geschäftsmodell weiterentwickeln und habe ich die richtige Mannschaft an Bord? Diese und weitere Fragen greifen wir bei einer Neuformulierung der Unternehmensstrategie und der Weiterentwicklung von Strukturen, Prozessen, sowie Analytics auf.

Was sollten Unternehmen besonders beachten, wenn es ums future-proofing ihres Business geht?

AM: Wenn die Pandemie eines gezeigt hat, dann dass die Rolle von Frühwarnsystemen als zentrales Steuerungselement für die Geschäftsleitung und auch für die Aufsichtsorgane neu bewertet werden muss. Durchdachte und ganzheitliche Krisenfrüherkennung ist ein zentraler Bestandteil einer guten Unternehmensführung. Auf Basis dieser Erkenntnisse muss künftig auch wesentlich stärker in Szenarien gedacht und geplant werden. Nur dann können Gegenmaßnahmen rechtzeitig vorbereitet und gegebenenfalls sogar schon umgesetzt werden.

Im Zuge der neuen Regelungen des EU-Insolvenzrechts ist am 01.01.21 in Deutschland das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG) in Kraft getreten. Was bedeutet das für Unternehmen?

AM: Diese Anpassungen gehen zurück auf eine Richtlinie der EU aus dem Jahr 2019 – also schon vor der Krise – die helfen soll, Restrukturierungsprozesse effizienter zu gestalten und Insolvenzen zu vermeiden. Ähnliche Gesetze sollen in allen EU-Ländern bis zum 31. Juni 2021 verabschiedet werden oder wurden es bereits. Das neue Gesetz zielt im Wesentlichen darauf ab, die finanzielle Restrukturierung eines Unternehmens durch Forderungsstundungen, -verzichte oder Anpassung von Finanzierungsbedingungen zu erleichtern und zu beschleunigen. Dies geschieht indem einzelne Gläubiger, die ein vorgeschlagenes Restrukturierungskonzept nicht mittragen wollen, per Mehrheitsbeschluss überstimmt werden können. Das setzt aus unserer Sicht aber weiterhin voraus, dass ein tragfähiges ganzheitliches, also auch leistungswirtschaftliches, Konzept vorlegt wird. Ein Mehrheitsbeschluss bedeutet eben auch, dass die Mehrheit davon überzeugt werden kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass es sich dabei um ein nicht-öffentliches Verfahren handelt. Der gesamte Prozess kann somit bei professioneller Vorbereitung und Durchführung weitestgehend außerhalb der Wahrnehmung einer breiten Öffentlichkeit erfolgen. Und es nimmt ein Stück weit das Stigma der Insolvenz.

'RF: Genau, das Thema Insolvenz löst bei den meisten eine Abwehrhaltung aus, weil es mit Scheitern und hoher Unsicherheit assoziiert wird. Das StaRUG in Deutschland sowie die entsprechenden Gesetze in anderen EU-Ländern versuchen, Anreize zu geben, den Umstrukturierungsprozess früher zu starten und so rechtzeitig gegenzusteuern. Sie geben Unternehmen das Handwerkszeug an die Hand, früher eine Einigung mit allen Beteiligten zu erzielen und dies vom Kunden fernzuhalten.

AM: Aber die neuen gesetzlichen Regelungen gehen auch mit einigen Pflichten einher, die man nicht vernachlässigen darf. Gerade was das bereits angesprochene Thema der Krisenfrüherkennung und -abwehr angeht, wird der Geschäftsführung auferlegt, entsprechende Frühwarnsysteme ernster zu nehmen. Das Implementieren dieser Werkzeuge stellt für viele Unternehmen eine Herausforderung dar, bei der wir helfen können.

Welche Herausforderungen sehen Sie in den kommenden Jahren und wie können Unternehmen diese meistern?

AM: Wir müssen leider davon ausgehen, dass diese Pandemie nicht das letzte Großereignis dieser Art war. Die Herausforderungen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten sind vielfältig und wir werden weiterhin mit Unsicherheiten und nachhaltigen Veränderungen leben.

RF: Unternehmen können nur dann überleben, wenn sie sich agil, effizient und kundendatengetrieben aufstellen, sowie den Kund:innen ein Markenversprechen mit wirklichem Mehrwert, eine für sie relevante Story bieten. Auf die Mode- und Lifestylebranche spezifisch kommen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten viele Veränderungen zu. Die Konsumenten werden immer stärker das Unternehmen und seine Sortimente hinterfragen, sozial und ethisch, sowie in Bezug auf Nachhaltigkeit. Der neue Minimalismus wird vor allem in Europa Einfluss auf die Nachfrage und Kollektionen haben. Dies zeigt auch unsere aktuelle Studie "Konsumentenverhalten auf den Kopf gestellt". Themen wie Purpose-Driven Consumption, Sustainability, Circular Economy, radikale Transparenz und Verfolgbarkeit werden nicht mehr wegzudenken sein. Aber auch Themen wie automatisierte Entscheidungsfindung, KI-basierte Produktentwicklung, partnerschaftliche verknüpfte Wertschöpfungsketten oder Conversational Commerce und ein stärkerer D2C-Ansatz der Hersteller werden einen großen Einfluss haben. Nicht zu unterschätzen ist auch die zunehmende Bedeutung von chinesischen Marken in Europa. Die Erwartungen der Konsument:innen an Marken und Händler werden nicht weniger.

Jede/r Geschäftsführer:in sollte sich mit den langfristigen Megatrends auseinandersetzen. Das sind Aspekte wie das regional unterschiedliche Bevölkerungswachstum, Bildung, Gesundheit, Nachhaltigkeit, Machtverschiebung, Technologie und Globalisierung. Wobei wir bei der Globalisierung einen leicht rückläufigen Trend sehen – Nearshoring ist ein riesiges Thema wenn es um das Sourcing und die Lieferkette geht. Wir haben uns damit für unser Trendkompendium 2050 sehr intensiv beschäftigt. Ich kann nur jeder/m Unternehmensführer:in anraten, diese Megatrends genau im Blick zu behalten und die Auswirkungen für sein/ihr Unternehmen abzuleiten. Die Zukunft kommt meistens schneller als man denkt.

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