So will Marokko als Produktionsland wachsen
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Marokko hat Großes vor: Geht es nach dem Willen des marokkanischen Textil- und Bekleidungsverbands (AMITH), werden wir bald häufiger „Made in Morocco“ in den Etiketten unserer Kleidung lesen. Die Anzahl der Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie soll massiv steigen, die Infrastruktur verbessert und die Handelsbeziehungen nach Nordeuropa sollen ausgebaut werden.
100.000 neue Arbeitsplätze in Bekleidungsindustrie
Die Zahlen Marokkos als Produktionsstandort für Mode zeigen klar nach oben. 2016 konnte Marokko seine Export-Quote für Bekleidung in die Europäische Union um neun Prozent auf einen Marktanteil von 3,1 Prozent steigern. Nur Kambodscha erzielte mit 14 Prozent eine größere Wachstumsrate. Marokko steht damit auf Platz sieben der textilen EU-Importeure weltweit, direkt hinter Vietnam und Kambodscha.
183.000 Menschen arbeiten heute in Marokko in der Bekleidungsindustrie, das sind bereits 20.000 mehr als noch im letzten Jahr. Bis 2020, so der Plan von AMITH, will man weitere 100.000 neue Arbeitsplätze in dem Sektor schaffen. „Das werden wir auch erreichen“, sagt Karim Tazi, Präsident von AMITH, zuversichtlich. „Wir haben Ende 2017 schon nahezu 60.000 der neuen Arbeitsplätze realisiert.“ Zusätzlich investiert der Verband in ein umfangreiches Programm zur Förderung der Bekleidungsindustrie, das sowohl den Ausbau der Infrastruktur umfasst als auch die Förderung des Austauschs zwischen den Unternehmen. „Das Besondere ist, dass wir - und damit die Textilindustrie selbst - diese Maßnahmen anschieben, sie sind nicht von oben vorgegeben, wie das in anderen Ländern oft der Fall ist“, erklärt Tazi.
Gleichzeitig sei die Regierung Marokkos sehr offen für die Interessen der Textilindustrie. Kein Wunder: Mehr als ein Viertel aller Marokkaner, die in der Industrie beschäftigt sind, arbeiten für die Textil- und Bekleidungsindustrie.
Vorteil Marokkos: Die geografische Lage
„Marokkos klarer Vorteil ist seine geografische Lage“, sagt Adil El Azouzi von Newline Fashion aus Tanger, das mit seinen fünf Fabriken hauptsächlich für die Marken der Inditex Gruppe näht. „Es liegen nur 40 Kilometer zwischen Tanger und Spanien, wenn wir samstags Ware verschiffen, ist sie montags im spanischen Lager.“ Auch die Kommunikation läuft schneller und kostengünstiger ab: keine Zeitverschiebung, günstige Flüge, kürzere Reisen.
Kein Wunder, dass Marokko gerade für die Fast Fashion Branche interessant ist. Viele Konfektionsbetriebe in Marokko arbeiten für Fast Fashion Anbieter, allen voran für Inditex mit seinen zahlreichen Labels, aber auch für französische und italienische Brands wie La Redoute, Monoprix, Coin, Miroglio etc. Sie haben sich im Laufe der Jahre zu echten Fast Fashion Spezialisten entwickelt und kooperieren mit Konfektionsbetrieben aus Portugal, die ebenfalls stark sind im Bereich der schnellen Mode, aber höhere Lohnkosten haben. Weiterer Vorteil ist die hohe Sprachkompetenz in Marokko. Amtssprache ist Französisch, aber gerade im Norden des Landes wird auch viel Spanisch gesprochen.
Hauptkonkurrent ist die Türkei
Der Süden Afrikas hat großes Potenzial als Produktionsstandort, da ist man sich einig. Angst hat man davor aber noch nicht. „Äthiopien sehe ich nicht als Konkurrenz“, sagt El Azouzi. „Äthiopien ist 30 Jahre hinter uns und wesentlich billiger.“ Wer dort produzieren möchte, müsse sich erst eine geeignete Infrastruktur aufbauen und habe dabei immer das Risiko politischer Unsicherheit, so der Tenor. All das kostet Zeit und Ressourcen.
Viele marokkanische Produzenten sehen sich daher vor allen in Konkurrenz zur Türkei. Das Lohnniveau dort ist etwa vergleichbar, allerdings gibt es dort wesentlich mehr Stoffproduzenten – ein großer Vorteil für die Türkei. Webereien gab es in Marokko früher auch, diese sind jedoch vor vielen Jahren gen Asien abgewandert. Die neue politische Situation lässt Marokko dennoch hoffen. El Azouzi: „Als es Spannungen zwischen der Türkei und Russland gab, sind viele Aufträge von dort nach Marokko gekommen, weil von der Türkei aus keine Waren nach Russland verschickt werden konnten, davon konnten viele hierzulande profitieren.“ Ähnliche Effekte erhofft man sich jetzt angesichts der Spannungen zwischen der EU und der Türkei und der Skandale wegen Kinderarbeit und der Ausbeutung von Flüchtlingen in Textilbetrieben.
Die aktuelle Situation dort unterstützt Marokkos Plan, neben den südeuropäischen Ländern auch mehr nordeuropäische, allen voran deutsche Unternehmen für das Land zu gewinnen. Deutsche Unternehmen sind traditionell stark in der Türkei vertreten.
Produktion für den lokalen Markt
Der Aufschwung Marokkos beflügelt auch den lokalen Markt. Eine der wichtigsten lokalen Modemarken ist Marwa, eine Fast Fashion Kette aus Casablanca. In Marokko gibt es inzwischen mehr als 70 eigene Stores, sechs weitere in Algerien, jeweils zwei in Libyen und dem Libanon sowie einen in Kuwait. Innerhalb Marokkos liegen sie im mittleren Preissegment, „aber wir sind günstiger als H&M oder Zara“, erklärt Samia Aichouche von Marwa.
Marwas Design ist zugeschnitten auf islamische Frauen und modisch zugleich. „Bei uns findet jede Frau etwas, egal ob sie sich eher bedeckt kleiden möchte oder nicht“, so Aichouche weiter. 40 Prozent der Produktion finden in den eigenen zwei Fabriken in Casablanca und Meknes statt, für den Rest werden lokale Firmen beauftragt. „So können wir extrem schnell auf neue Trends reagieren“, so Aichouche. „Wir haben mit die kürzesten Lead Times der Welt.“ Etwa 6.000 Produkte werden pro Jahr neu entwickelt, jede Woche erhalten die Läden neue Lieferungen.
Fotos: FashionUnited: Rectangle Marrakesch / Marwa: Store und Lookbook FW2017