State of Fashion 2024: Dem Sturm trotzen
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Auch wenn die Modebranche in den letzten Jahren ihre Widerstandsfähigkeit unter Beweis gestellt und im Jahr 2022 sogar (mit einer Ausnahme) mehr als doppelt so hohe wirtschaftliche Gewinne erzielt hat wie in allen Jahren zwischen 2010 und 2020, ist die Stimmung allgemein unsicher. Dies ist das Fazit der jüngsten „The State of Fashion 2024“-Studie, die von der Unternehmensberatung McKinsey und The Business of Fashion (BoF) veröffentlicht wird. Globale Führungskräfte geben darin ihre Einschätzung für die Entwicklungen im Jahr 2024 wider und benutzten das Wort „Unsicherheit“ am häufigsten.
Zu den Gründen für die Unsicherheit gehören geopolitische Ereignisse, schwache Volkswirtschaften und die anhaltenden Auswirkungen der hohen Zinssätze. Dennoch sehen die Führungskräfte in bestimmten Märkten und Segmenten auch Grund für Optimismus, den sie in der Studie beschreiben.
Wirtschaftliche Herausforderungen
Im Jahr 2023 stand die Branche vor anhaltenden und sich verschärfenden Herausforderungen: Auf regionaler Ebene verzeichneten Europa und die USA während des gesamten Jahres ein langsames Wachstum, während sich die ursprünglich starke Leistung Chinas in der zweiten Jahreshälfte verlangsamte. Obwohl sich der Luxusmarkt in der ersten Jahreshälfte 2023 positiver entwickelte als der übrige Markt, nahm die Bereitschaft der Verbraucher:innen, Mode einzukaufen, in der zweiten Jahreshälfte auf breiter Front ab, was zu einer Verlangsamung des Umsatzes und einer uneinheitlichen Entwicklung führte. Sogar die Luxusbranche begann nach einer langen Wachstumsphase, von der die gesamte Branche profitierte, die Hitze zu spüren.
Mit Blick auf das Jahr 2024 rechnen die führenden Modeunternehmen mit weiterem Gegenwind und sind deshalb unklar, was die Aussichten für das kommende Jahr angeht. Das Vertrauen der Verbraucher:innen bleibt in den Schlüsselmärkten USA, Europa und China fragil, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Insgesamt prognostizieren sie für die Modebranche im Jahr 2024 ein jährliches Wachstum der Einzelhandelsumsätze zwischen 2 und 4 Prozent.
Druckpunkt Klima
Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen ist die Klimakrise ein nicht zu vernachlässigender Druckpunkt für das kommende Jahr. Führende Unternehmen werden ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels im Jahr 2024 verstärken, da extreme Klimaereignisse bereits jetzt das Leben und den Lebensunterhalt von Beschäftigten in der Modebranche gefährden und bis 2030 Bekleidungsexporte im Wert von schätzungsweise 65 Milliarden US-Dollar gefährden könnten.
Wie sollten sich Modeunternehmen vorbereiten? Da die Kosteneinsparungstaktiken weitgehend ausgeschöpft sind, wird erwartet, dass der Schwerpunkt eher auf der Steigerung des Umsatzes liegt, unterstützt durch neue Preis- und Werbestrategien, als auf der Erhöhung der Absatzmengen - in der gesamten Branche liegt die Nettoabsicht, die Preise zu erhöhen, laut dem Executive Survey bei mehr als 50 Prozent. Der Kostendruck wird voraussichtlich nachlassen: Weniger als 20 Prozent der Führungskräfte erwarten, dass die Kosten der verkauften Waren und die Vertriebs- und Verwaltungskosten um mehr als 5 Prozent steigen werden.
Druckpunkt Nachfrage
Die Branche wird auch die Auswirkungen der Nachfrageschwankungen zu spüren bekommen, die in den letzten Jahren immer wieder aufgetreten sind. Oft kommt es in den Lieferketten zu einem „Bullwhip-Effekt“, bei dem geringe Absatzschwankungen zu starken Schwankungen führen, die wiederum eine Unterauslastung der Fabriken, Entlassungen und verzögerte Infrastrukturinvestitionen zur Folge haben. Um diese Herausforderungen zu meistern, raten die Expert:innen Modemarken, in die Entwicklung transparenterer und kooperative Beziehungen zu ihren Lieferbetrieben zu investieren.
Angesichts neuer Nachhaltigkeitsvorschriften in der EU und den USA, die von Marken und Herstellungsbetrieben verlangen, dass sie ihre Initiativen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und Abfall verdoppeln und gleichzeitig Geschäftsmodelle entwickeln, die natürliche Ressourcen schützen und erhalten, werden die Lieferketten der Modebranche zukünftig einer genaueren Prüfung unterzogen werden.
Wachstumstreiber KI
Bei der Suche nach Wachstumshebeln ist ein Bereich, den die Befragten ins Visier genommen haben, die generative Künstliche Intelligenz (KI). Diese bietet ein erhebliches Potenzial für kreativitätsorientierte Anwendungsfälle in Design und Produktentwicklung. Etwa 73 Prozent der Führungskräfte erwarten jedoch, dass sie der generativen KI im Jahr 2024 Priorität einräumen werden, aber viele könnten mit einer Talentlücke konfrontiert sein, da nur 5 Prozent der Befragten angaben, dass sie bereit seien, die Technologie optimal zu nutzen.
Das Marketing ist laut der Studie ein weiterer Schwerpunktbereich: „Nachdem man sich jahrelang auf Performance Marketing verlassen hat, könnte das Markenmarketing im kommenden Jahr zunehmend in den Mittelpunkt rücken. 71 Prozent der Führungskräfte planen, im Jahr 2023 mehr für das Markenmarketing auszugeben, um emotionale Bindungen zu den Kund:innen zu schaffen.“
Wachstumstreiber Influencer:innen und Reisen, Outdoor
Gleichzeitig könnten Marken feststellen, dass Verbraucher:innen anspruchsvoller sind, wenn es um Authentizität und Bezug geht, was zu einer Verschiebung hin zu Influencer:innen führt, die ihre eigenen Wege gehen. „Vorausschauende Unternehmen sollten in Erwägung ziehen, sich auf diese neue Welle von Content-Ersteller:innen zu stützen, um ihre Markengeschichten zu verbessern“, so der Rat der Expert:innen.
Zum ersten Mal seit der Pandemie wird das Reiseaufkommen im Jahr 2024 das des Jahres 2019 übersteigen. Damit wächst der Wunsch nach Markenerlebnissen und traditionellen Einkaufsreisen sowohl in touristischen als auch in weniger bekannten Zielen. Modeunternehmen sollten daher neu überdenken, wie sie mit Verbraucher:innen in Kontakt treten, die im Ausland einkaufen.
Neben der Rückkehr zum Reisen gibt es auch eine Verlagerung hin zu mehr Zeit im Freien, was die Nachfrage nach Outdoor-Bekleidung im Jahr 2024 wahrscheinlich in die Höhe treiben und die Grenzen zwischen Funktionalität und Stil weiter verwischen wird.
Fazit
Alles in allem stellen sich die Befragten auf ein strategisch schwieriges Jahr ein. Führungskräfte in der Modebranche sollten daher sorgfältig für eine Reihe verschiedener Szenarien planen, sich besser für die Preisgestaltung rüsten und sich darauf vorbereiten, schneller zu handeln, wenn sich der Sturm legt, so das Fazit.