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Streit um Hermès-Taschen auf Fashionshow: Kunstfreiheit trumpft Markenrecht

Von Gastautor:in

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Business|Recht & Praxis
Namilia SS24, Berlin Fashion Week. Bild: Launchmetrics Spotlight.

In der Welt der Mode haben zwei Beschlüsse der für das Markenrecht zuständigen Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main eine Auseinandersetzung zwischen dem französische Luxusmode-Anbieter Hermès und Namilia, einem Berliner Modelabel, ins Rampenlicht gerückt.

Namilia hatte Kleider, Röcke, Tops und Taschen entworfen, die eindeutig von den charakteristischen Merkmalen der legendären Hermès Luxushandtaschen inspiriert waren. Diese Modekreationen wurden nicht nur auf der Namilias SS24-Fashionshow „In Loving Memory of My Sugar Daddy“ präsentiert, sondern auch online und in sozialen Netzwerken gezeigt.

Hermès fühlte sich in seinen Markenrechten verletzt und forderte in zwei Eilverfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main, dass Namilia diese Darstellungen unterlässt. Die Designer:innen von Namilia hingegen verteidigten sich, indem sie auf ihre Kunst- und Meinungsfreiheit pochten. Ihrer Auffassung nach sind ihre Modekreationen Teil einer Inszenierung, die auf weibliche Klischees hinweise, wonach Frauen sich diese Luxus-Handtaschen oftmals von "Sugar Daddys" schenken ließen. Die Annahme dieses Vorurteils – und dessen Ausnutzung für eigene Zwecke – stelle eine Form des Feminismus dar.

Hermès scheitert mit Klage

Das Landgericht Frankfurt am Main entschied in seinen beiden Beschlüssen vom 19. September, dass Hermès sich im vorliegenden Fall nicht auf seine europäischen Markenrechte berufen könne. Die Richterinnen und Richter befanden, dass das Interesse von Namilia an der Präsentation der Fashionshow überwiege.

Die Kammer führt aus, dass Namilia mit ihren Kreationen darauf hinweisen wolle, dass Frauen von Männern oftmals zum Objekt degradiert und als „gesellschaftliches Accessoire“ verwendet würden. Nach Auffassung Namilias demonstrierten Frauen ihre Emanzipation, indem sie genau diese Rolle einnähmen und Männer im Gegenzug als "menschliche Bank" ausnutzten, indem sie sich Luxushandtaschen schenken ließen. Namilias Kreationen seien eine überspitzte gesellschaftliche Darstellung, bei der Frauen an die Luxushandtaschen von Hermès erinnernde Kleidung in einer „aufreizenden und lasziven Art an der Grenze zu Kitsch und Geschmacklosigkeit“ trügen. Das Spiel zwischen „primitiver Direktheit“ und ultimativen Luxusgütern sei dabei essentieller Bestandteil der Darbietung.

Entscheidend war aber auch, dass die Marke Hermès durch die Präsentation nicht verunglimpft oder herabgesetzt wurde. Sie diente vielmehr als gesellschaftlicher Bezugspunkt für Luxusgüter und war damit nur Teil der Inszenierung.

Kunst- und Meinungsfreiheit hat hohen Stellenwert

Die Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt zeigen, dass der im deutschen Grundgesetz verankerten Kunst- und Meinungsfreiheit ein hoher Stellenwert zukommen kann. Bisweilen können Kunst- und Meinungsfreiheit auch den Schutz von Markenrechten aushebeln.

Die rechtskräftigen Entscheidungen ergehen damit in einem rechtlich bislang nicht abschließend ergründeten Spannungsfeld: Auf der einen Seite stehen die (berechtigten) Interessen von Markeninhaber:innen daran, ihre durch massive Investitionen aufgebauten und bekannt gemachten Marken so gut wie möglich zu schützen. Auf der anderen Seite stehen die Grundrechte der Kunst- und Meinungsfreiheit. Denn Mode kann bekanntlich ein Weg sein, um Kunst, die eigene Meinung, Protest oder ähnliches auszudrücken.

Die Beschlüsse zeigen: So weit der Schutz vor allem bekannter Marken im Normalfall auch reichen mag – manchmal gibt es höherrangige Belange, denen sich das Markenrecht unterordnen muss.

Über die Autorin:

    Janina Wortmann ist Rechtsanwältin und Assoziierte Partnerin im Münchener Büro der Kanzlei Noerr. Sie berät Unternehmen in allen Bereichen des Marken- und Designrechts. Darüber hinaus berät sie im Wettbewerbs- und Vertriebsrecht. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Beratung von Unternehmen in der Mode- und Kosmetikbranche. Sie erreichen sie unter janina.wortmann@noerr.com.
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