Trotz Sorgen um die Lieferketten: Modebranche kann 2022 auf Erholung hoffen
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Nach schweren Jahren infolge der Covid-19-Pandemie rechnen Expert:innen für 2022 mit einem erneuten Aufschwung in der Modebranche. Nicht mehr die Auswirkungen der weiter grassierenden Pandemie, sondern die anhaltenden Probleme in den globalen Lieferketten werden als größter Risikofaktor eingeschätzt. Das geht aus der am Donnerstag vorgestellten Studie „The State of Fashion 2022“ hervor, die von der Unternehmensberatung McKinsey & Company und dem internationalen Branchendienst „The Business of Fashion“ (BoF) erstellt wurde. Die Untersuchung beruhe auf „exklusiven Interviews mit Führungspersönlichkeiten aus der Branche und einer Umfrage unter mehr als 220 internationalen Führungskräften sowie Expert:innen“, teilten die beiden Unternehmen mit.
Demnach rechnen die befragten Teilnehmer:innen mit einer Erholung der globalen Modeindustrie. Ihr Gesamtumsatz werde im kommenden Jahr das Niveau des Vorkrisenjahres 2019 voraussichtlich um drei bis acht Prozent übertreffen, erklärten The Business of Fashion und McKinsey & Company. „Wachstumstreiber werden China und die USA sein, während Europa das Schlusslicht bildet und hinterherhinkt.“ Auch für Europa wird aber eine Verbesserung der Lage im Vergleich zu den Hochzeiten der Pandemie erwartet. Der Studie zufolge rechnen 67 Prozent der befragten Führungskräfte damit, dass sich die Handelskonditionen in der Region im kommenden Jahr gegenüber 2021 verbessern werden.
Zulieferung und Logistik sehen die befragten Branchenexpert:innen als größte Herausforderung
Bei der Erholung von der Covid-19-Pandemie spielen demnach aber auch die ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen der jeweiligen Märkte eine Rolle. „Regionen mit stabilem Gesundheitswesen und wirtschaftlicher Widerstandskraft werden besser abschneiden als die anderen“, erklärten die Studienverfasser:innen. International operierende Firmen sollten daher „die lokalen Gegebenheiten und Konditionen regelmäßig prüfen, um Risiken zu mindern“, rieten die Expert:innen. Ein grundsätzlicher Hemmschuh sei zudem, dass der internationale Tourismus zumindest im kommenden Jahr noch deutlich hinter dem Vorkrisenniveau zurückbleiben werde. Gerade Modeanbieter aus dem Luxussegment sollten sich daher „stärker auf Konsument:innen im eigenen Land fokussieren, um sich einen größeren Anteil am Inlandsmarkt zu sichern“.
Auch wenn die Coronakrise noch zahlreiche Weltregionen bestimmt, sehen sie die befragten Brancheninsider:innen nicht als größte Herausforderung im nächsten Jahr: Den Spitzenplatz unter den Schwierigkeiten, die es 2022 zu bewältigen gilt, nimmt der Themenkomplex Lieferkette, Logistik und Bestandsmanagement ein, den 30 Prozent der Studienteilnehmer:innen nannten. Den zweiten Rang unter den „größten Herausforderungen“ belegt demnach das Thema Nachhaltigkeit mit 14 Prozent, erst an dritter Stelle folgt die Erholung von den Covid-19-Folgen (10 Prozent).
Digitale „Metaverse“-Konzepte gelten als Hoffnungsträger der Branche
Als größte Chance sehen 32 Prozent der Befragten digitale Fortschritte. Das Thema Nachhaltigkeit belegt auch in dieser Rangliste Platz zwei (12 Prozent), neue Wege der Kundenaktivierung („Customer Engagement“) versprachen für elf Prozent der Teilnehmer:innen besonderes Potenzial. Gerade im Bereich Digitalisierung bieten sich durch die derzeit verstärkt diskutierten „Metaverse“-Konzepte neue Möglichkeiten, um vor allem jüngere Zielgruppen anzusprechen: Unternehmen sollten „das Potenzial von Non-Fungible Tokens (NFTs), Videospielen und digitaler Mode ausschöpfen“, erklärten die Expert:innen von McKinsey und BoF. Alle diese Bereiche böten „frische Zugänge zur Kreativität, zum Aufbau von Gemeinschaften und zum Handel“.
Die Hinwendung zu virtuellen Weltentwürfen zählen die Studienverfasser:innen zu den wichtigsten Veränderungen im Verhalten der Verbraucher:innen. Weitere Faktoren sind die stärkere Nutzung lokaler Einkaufsmöglichkeiten aufgrund der weiterhin geltenden Reisebeschränkungen und Aufholeffekte bei bestimmten Produktkategorien: Während zu Lockdown-Zeiten Lounge- und Sportswear die Hauptrolle spielten, entlade sich nun angesichts „größerer Freiheiten“ außerhalb der eigenen Wohnung „eine angestaute Nachfrage nach Neuem“, die sich auch in einer Neugewichtung der Modeausgaben widerspiegele.
Wichtige Innovationsfelder für Modeunternehmen sind laut der Studie auch der Ausbau von „Social Commerce“-Modellen mithilfe digitaler und interaktiver Innovationen sowie die Hinwendung zu kreislaufwirtschaftlichen Prinzipien und größerer Transparenz und Vertrauenswürdigkeit, die sich durch die Einführung digitaler Produktpässe erreichen lässt. Zudem sahen viele der Befragten die Gefahr von Cyber-Attacken und die größere Konkurrenz um kreative Talente als Herausforderungen an. Um Abwerbungen und Personalengpässe zu verhindern, seien hier neue Strategien der Anwerbung und Bindung von Mitarbeiter:innen nötig. Geboten werden müssten „flexible, vielfältige und digitalisierte Arbeitsplätze“, erklärten die Expert:innen.
Foto: Kua Chee Siong (ST/Singapore Press Holdings via AFP)