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Veganes Leder: Irreführende Werbung oder nicht?

Von Regina Henkel

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Business|KOMMENTAR

Das Landgericht Hannover hat in seinem Urteil vom 10. September entschieden, dass es für den Verbraucher nicht irreführend ist, wenn ein Handtaschenhersteller seine veganen Produkte mit den Begriffen „veganes Leder“ oder „Apfelleder“ bewirbt. Macht das Sinn?

Ein Widerspruch in sich: veganes Leder

Jeder kennt diese Begriffe: vegane Würstchen, Sojamilch, veganes Leder. Jedem ist klar, dass vegane Würstchen fleischlos sind und Sojabohnen keine Milch geben. Das gleiche gilt für veganes Leder, das nunmal nicht aus Haut besteht und damit niemals Leder sein kann. Dennoch stoßen sich verschiedene Akteure an der Vermengung der widersprüchlichen Begriffskombinationen. 2017 hat ein Gericht Herstellern von Milchalternativen verboten, das Wort Milch im Produktnamen zu führen. So wurde aus Sojamilch der Sojadrink. Und seit einiger Zeit will auch der Verband der Deutschen Lederindustrie (VDL), dass veganes „Leder“, „Apfelleder“ oder „Pilzleder“ nicht mehr so bezeichnet werden, weil es kein Leder ist. Im Rechtsstreit mit dem deutschen Hersteller von veganen Handtaschen Nuuwai hat das Landgericht Hannover jetzt entschieden, dass diese Bezeichnungen zulässig sind. Der VDL hatte argumentiert, dass diese Bezeichnungen irreführend und wettbewerbswidrig seien.

Abmahnserie des VDL

Nuuwai ist nicht das einzige Label, das vom Verband angeschrieben wurde. Auch das deutsche Label Zvnder bekam Post mit der Aufforderung, sich ein anderes Wort für Zunderschwamm-Leder und Pilzleder einfallen zu lassen. Die etwas knöchrige Begründung des VDL: „Als Leder, Echt Leder oder mit einem Ausdruck, der nach der Verkehrsauffassung auf Leder oder auf eine Lederart (Rindbox, Nappa, Nubuk, Saffian, usw.) hinweist, darf beim Angebot oder Verkauf nur ein Material bezeichnet werden, das aus der ungespaltenen oder gespaltenen tierischen Haut bzw. dem Fell durch Gerben unter Erhaltung der gewachsenen Fasern in ihrer natürlichen Verflechtung hergestellt ist. Welches Material grundlegend als Leder bezeichnet werden darf, definiert die Bezeichnungsvorschrift RAL 060 A2-Abgrenzung des Begriffs Leder gegenüber anderen Materialien." So steht es in dem Brief. Auch Zwangsgelder wurden angedroht.

Widersprüchliche Rechtssprechung

Wozu der Streit? „Kurzum sollte auf jedem Produkt draufstehen was drin ist“, erklärt Thomas Heinen, stellvertretender Vorsitzender des VDL und als Geschäftsführer von Heinen Leder übrigens der letzte in Deutschland ansässige Gerber für Schuh- und Taschenleder. „Das ist sinnvoll für alle Marktteilnehmer, denn dann ist auch klar wofür bezahlt wird, wofür etwas eingesetzt werden kann und wofür nicht. Konsumenten können dann nicht positiv oder negativ geblendet werden durch eine Bezeichnung, die mit dem Inhalt nichts zu tun hat.“ Zudem gibt es vegetabil gegerbtes Leder, wofür man Apfelleder halten könnte. Für den VDL ist das Urteil eine herbe Niederlage. Bisher liegt die Begründung des Gerichts noch nicht vor, der Verband überlegt noch, ob er Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird. Denn tatsächlich hat der Verband eine Reihe erfolgreicher Klagen vorzuweisen. In elf ähnlichen Fällen erhielt der Verband Recht, als er Möbelhäusern und anderen Händlern verbot, Begriffe wie veganes Leder, Textilleder, Ecoleder oder PU-Leder zu verwenden.

Veganes Leder besagt nur, dass es kein Leder ist

Dem Verband geht es darum, dass „sein“ Leder nicht mit Produkten in Zusammenhang gebracht wird, die mit Leder nichts zu tun haben (wollen). „Leder besitzt unnachahmliche haptische, optische und technische Eigenschaften. Aus diesen Eigenschaften hat sich ein durchweg positives Image über die Jahrhunderte gebildet. Dieses positive Image wird versucht zu verwässern“, sagt Heinen. Und dagegen müsse man sich wehren. Vermutlich teilen Veganer diese Schwärmerei für Leder nicht. Bleibt die Frage: Warum nennen sie ihre Produkte dann so? Obwohl es sicher kaum Konsumenten gibt, die veganes Leder für echtes Leder halten – und insofern tatsächlich keine Irreführung befürchtet werden muss (wie das Gericht argumentiert) – verschleiert diese Bezeichnung dennoch, worum es sich tatsächlich handelt. Veganes Leder besagt nur, dass es kein Leder ist. Was ist es dann? Im Fall Nuuwai besteht Apfelleder je zur Hälfte aus Apfelabfällen und Polyurethan. Das Pilzleder von Zvnder ist zu 100 Prozent aus dem Zunderschwamm, einem Baumpilz. Oft handelt es sich bei veganem Leder aber um Polyurethan oder andere Synthetics, also erdölbasierten Kunststoffen, die man früher naserümpfend als Kunstleder oder Plastikleder bezeichnet hat.

Klare Bezeichnungen wären ehrlicher

Ehrlicher ist es da, neue Begriffe zu komponieren, wie z.B. Pinatex, das „Leder“- ähnliche Material aus Ananas. Vermutlich wird der Begriff Leder nur aus der Notlage heraus benutzt, weil es noch keine festen Bezeichnungen für veganes Leder gibt. Das wird sich angesichts des anhaltenden Booms des Veganismus sicher ändern. Der VDL beschleunigt den Prozess derweil und bereitet den abgemahnten Firmen einen ordentlichen Schrecken. Inhaltlich haben sie mit der Thematik jedoch weniger Probleme. „Ich lege eigentlich gar keinen Wert darauf, dass mein Material Leder heißt“, sagt Nina Fabert, die Gründerin von Zvnder. Sie überlegt sich jetzt einen neuen Begriff.

Fotos: Zvnder, Vegan Fashion Week, Nuuwai

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